Die Hohltiere des mitteldevonischen Eifelmeeres

Hans Josef Jungheim


Zu den im Rheinischen Mittel-Devon und damit auch in den Kalkmulden der Eifel besonders zahlreich vertretenden Fossilien gehören Stromatoporen und vor allem Korallen. Sie zählen beide zum Stamm der Hohltiere (Coelenterata):

Klasse:

Unterklasse:

Ordnung:









Hydrozoa




Stromatoporoidea



Octocorallia
(Achtstrahlkorallen)




Anthozoa
(Blumentiere)




Rugosa
(Runzelkorallen)



Zoantharis
(umfaßt ausschließlich Polypen, wie Korallen, Seerosen, Seeanemonen)







Tabulata
(Bödenkorallen)

Die Anthozoa (Blumentiere) sind in der Regel einfach gebaute Polypen. Sie besitzen zumeist einen schlanken, röhrenförmigen Körper. An seinem oberen Ende befindet sich als einzige Öffnung der Mund, dessen Rand von einem Kranz von Tentakeln umgeben ist, kleinen Fangarmen, die vornehmlich der Nahrungsaufnahme dienen. Der Innen- und Gastralraum ist im wesentlichen der Verdauung der aus dem Meereswasser herausgefilterten Nahrung vorbehalten.

Ein besonderes Kennzeichen der Korallen ist, daß jeder Korallenpolyp ein festes Außenskelett (Corallum) aus Kalk als Schutzpanzer ausscheidet. Die äußere Form des Corallums ist ebenso wie seine innere Struktur von Korallenart zu Korallenart verschieden. Die Bestimmung fossiler Korallen erfolgt einzig nach den Form- und Strukturmerkmalen dieser Außenskelette, denn nur sie sind als die Hartteile der Korallentiere über Jahrhundertmillionen erhalten geblieben.

Der Formenreichtum der Außenskelette ist bei fossilen wie bei rezenten Korallen bemerkenswert. Die Wuchsform eines Corallums wird jeweils durch die unmittelbaren Umweltbedingungen mitbestimmt. So kann es nicht verwundern, daß ein und dieselbe Korallenart unterschiedlich geformte Kelche oder Stöcke entwickeln kann.

Es liegt nahe, von den Lebensbedingungen rezenter, also in unserer zeit lebender Korallentiere auf die Lebensverhältnisse fossiler Korallen zu schließen. Wir können danach annehmen, daß die riffbauenden devonischen Korallenpolypen des Eifelmeeres vor 400 Millionen Jahren unter gleichen oder doch zumindest ähnlichen Bedingungen lebten, wie sie heute in den tropischen Teilen unserer Meere vorliegen.

Rezente Korallenpolypen sind für ihr Wachstum auf Wassertemperaturen von 25 º bis 30 º angewiesen. Das Wasser muß nicht nur warm, sondern auch sauber, sauerstoffreich, gut durchlichtet und bewegt sein. Nur bewegtes Wasser kann den festsitzenden Polypen ausreichend Nahrung zuführen.


Verschiedene Bauformen des Corallums bei fossilen Einzel- und Koloniekorallen aus dem Mittel-Devon der Eifel. Von links nach rechts: Trichterkelchkoralle, Krempenkelchkoralle, ast- und kugelförmige Bödenkorallen (Favosites und Heliolites).

Veränderungen im Satzgehalt des Meereswassers. Trübungen durch Schlammzufuhr, Absinken der Wassertemperatur bis unter 20 º, Absenkung unter 35 m oder auch Trockenlegung bewirken das Absterben eines Korallenriffs. Dabei genügt jeder dieser Vorgänge für sich allein, das Wachstum eines Riffs und sein Leben zu beenden.

Rezente Riffe wachsen jährlich je nach Nahrungszufuhr bis zu 3 cm. Die Wachstumsrichtung wird weitgehend vom Lichteinfall bestimmt. Korallenriffe wachsen, in dem die Polypen an ihrer Unterseite Kalk ausscheiden, aus dem sie ihre vielfältig geformten Außenskelette bauen, die durch quer- und längsverlaufende Elemente, sogenannte Böden und Septen, stabilisiert werden. Der einzelne Polyp bewohnt immer nur den oberen und offenen Teil seiner „Behausung“, in den er sich etwa bei Gefahr, zurückziehen kann.


Rezente Korallenstöcke Hirnkoralle (Diploria strigosa) aus der Karibik; Skelett von Gorgonia sp., Atlantik bei Senegal.

Wahrscheinlich traten bereits im Kambrium Korallen mit Runzel- und Bödenkorallen auf. Aber erst gegen Ende des Silurs wurden sie häufig und erlebten schließlich im Devon ihre Blütezeit. Vom Obersilur bis zum Karbon traten sie vielfach gesteinsbildend auf. Im Perm waren die Runzelkorallen nur noch selten vertreten. In den mesozoischen Formationen verschwanden sie allmählich ganz. Die Bödenkorallen reichten nur mit einigen vereinzelten Formen ins Erdmittelalter hinein.


Blick vom Dachsberg nach Westen auf Gerolstein in der Eifel. Rechts die Dolomitfelsen der Hustley, Munterley und des Auerbergs (von rechts nach links) als Reste eines von Stromatoporen und Korallen gebauten Riffs aus der Devonzeit.

Vielfach traten die paläozoischen Korallen als Riffbauer auf. Die Reste dieser fossilen Riffe finden sich in den mitteldevonischen Kalkmulden des Rheinischen Schiefergebirges, so im Bergischen Land und in der Eifel.


Stromatopore aus der Hillesheimer Kalkmulde. Links: Angewitterte Oberfläche, daneben dasselbe Exemplar aufgeschnitten. Durchmesser an der breitesten Stelle 28 cm.

Während die Korallen mit neuen Gattungen bis in die Gegenwart reichen, sind die Stromatoporen ausgestorben. Sie existieren vom Kambrium bis zur Kreidezeit über einen Zeitraum von sicher 500 Millionen Jahren. Stromatoporen traten ausschließlich kolonial auf. Sie waren gerade beim Aufbau der devonischen Riffe besonders zahlreich beteiligt, so daß sie in der Eifel stellenweise massenhaft gefunden werden können. Ihr kalkiges Skelett besteht aus parallel zueinander verlaufenden Lagen, die durch vertikale Stützelemente miteinander verbunden sind. Die Stöcke haben eine zumeist kugelige Form, deren Oberfläche oft mit kleinen Höckern besetzt ist und ein feines Kanalsystem erkennen läßt. Es lassen sich aber auch Stromatoporenarten finden, die fladen- oder astförmige Stücke gebildet haben.


Schematischer Aufbau eines Korallenpolypen mit Tentakeln, Mundscheibe und –öffnung, Schlundrohr, Gastralraum; Basalplatte und Septen.

Als Fundgebiete kommen alle Kalkmulden infrage. Besonders zahlreich ist ihr Vorkommen in der Hillesheimer und Gerolsteiner Mulde. Für die Bestimmung der Fundstücke reichen nicht selten schon angewitterte Exemplare aus, ansonsten sind Dünnschliffe erforderlich.

Die riffbauenden Stromatoporen des Eifelmeeres siedelten oberflächennah in flachem, sehr stark bewegtem bis turbulentem Wasser häufig in Gemeinschaft mit Algen, die auch fossil gefunden werden können, und Koloniekorallen. Ihre kompakten Stöcke erreichten beträchtliche Ausmaße. Fossile Exemplare sind nicht selten zentnerschwer.


Zephrentis
Tiefer Kelch mit deutlich erkennbarer Cardinalfossula, langen Großsepten, die sich Zentrum berühren. Schmaler Kelchrand. Böden in der Regel unvollständig.
FO: Niederprüm, Eifel, Unterdevon.

Bei den Korallen unterscheiden wir als die wichtigsten Ordnungen die Runzelkorallen (Rugosa), die Stachelkorallen (Scleractinia) und die Bödenkorallen im wesentlichen auf das Erdaltertum beschränkt bleiben, treten die Stachelkorallen erst im Mittelalter auf und überdauern die Gegenwart. Sie scheiden also für die Eifelkalkmulden aus. Dafür ist die fossile Fauna des Mittel-Devons der Eifel besonders reich an Runzel- und Bödenkorallen. Die Runzelkorallen entwickelten sowohl solitäre wie koloniale Formen, während die Bödenkorallen ausschließlich als Koloniekorallen auftraten.


Aulacophyllum Iooghiense
Polypar (Außenskelett) hornförmig, gekrümmt (ceratoid), ausgeprägte Septen in fliederständiger Anordnung. Großsepten reichen fast bis ins Zentrum, Kleinsepten zeigen ¼ der Länge der Großsepten. Cardinalfossula (langgestreckte Vertiefung im Kelch) besonders stark ausgeprägt.
FO: Sötenich, Eifel, Mittel-Devon.

Das Außenskelett der Korallen besteht aus der Basalplatte, der Außenwand und den Septen, die, von der Basalplatte ausgehend, vertikal in die Höhe wachsen. Ihre Anzahl und Länge, ihre Anordnung und die Form ihres Querschnitts sind wesentliche Kennzeichen zur Unterscheidung der verschiedenen Korallengattungen und –arten. Die Bestimmung fossiler Korallen ist schwierig. Man benötigt hierzu oft An- oder sogar Dünnschliffe.

Zu den häufigsten Korallenfunden in den Eifelkalkmulden zählen RUGOSA (Runzelkorallen).


Disphyllum caespitosum (Rasenkoralle)
Zumeist kolonial und ganze Gesteinsbänke durchsetzend. Schlanke Kelche mit langen, dünnen Septen, teilweise leicht verdickt, manchmal gekielt.
FO: Sötenich, Eifel, Mittel-Devon


Hexagonaria quadrigeminum
Tritt nur kolonial auf. Septen werden zum Kelchzentrum hin dünner, oft gekielt. Großsepten erreichen oft die Skelettachse. Kelchränder grenzen aneinander.
FO: Baasem, Eifel, Mittel-Devon.


Hexagonaria hexagonum
Nur kolonial. Kelchränder krempenartig umgebogen.
FO: Lissingen, Eifel, Mittel-Devon.


Ketophyllum ceratites
Kleine Einzelkelche, leicht gekrümmt, tief, außen oft mit Knötchen besetzt.
FO: Gee, Eifel, Mittel-Devon.


Acanthophyilum heterophyllum
Tiefer Kelch mit breitem Rand. Großsepten unregelmäßig lang, im Bereich der Kelchachse oft spiralig eingedreht, nach außen und innen dünner werdend, dazwischen relativ dick.


Dohmophyllum helianthoides
Sehr breiter, ebener oder auch gebogener Kelchrand. Lange, bis ins Zentrum reichende Septen.
FO: Niederehe, Eifel, Mittel-Devon.


Mesophyllum maximum
Mittelgroße bis große Einzelkoralle mit geradem, cylinderförmigem Corallum.
FO: Gerolstein, Eifel, Mittel-Devon.


Calceola sandalina (gedeckte Koralle)
Pantoffelförmig, sehr tiefer Kelch mit Deckel. Deckel auf der Innenseite parallel gestreift. Kelch mit dreieckiger Grundfläche. (Von links nach rechts: Corallum ohne Deckel, Corallum mit geschlossenem Deckel, einzelne Deckel ohne Corallum)
FO: Gondelsheim, Eifel, Mittel Devon.

An TABULATA (Bödenkorallen) sind in den Kalkmulden der Eifel besonders häufig:


Heliolites prosus
Halbkugeliges, oft auch kugeliges oder fladenförmiges massives Corallum. Polypare (Kelchöffnungen) besitzen 12 dornenartige Septen und vollständigen Böden. Polypare dünnwandig, zumeist kreisförmig, grenzen nicht aneinander.
FO: Niederehe, Eifel, Mittel-Devon.


Favosites polymorphus
Massives, formenreiches Corallum mit zahlreichen dünnen, langen, eng beieinander stehenden Polyparen mit Wandporen und kurzen, dornen- oder leistenförmigen Septen, Böden stets vollständig bei engem Abstand.
FO: Gondelsheim, Eifel, Mittel-Devon.


Alveolites suborbicularis
Corallum oft fladen- oder scheibenförmig, zuweilen auch ästig verzweigt. Polypare im Gegensatz zu Favosites geneigt, mit kurzen dornenartigen Septen. Oft mit Aolopora serpens bewachsen.
FO: Refrath, Bergisches Land, Mittel-Devon.


Pleurodictum problematicum
Corallum in der Regel halbkugelig, im Querschnitt rund oder oval, oft um einen wurmartig gekrümmten Fremdkörper (?) gebaut, mit großen Polyparen. Septen als Dornenreihen oder auch als Leisten ausgebildet. Pleurodictum bleibt in der Eifel auf das Unterdevon beschränkt.
FO: Oberstadtfeld, Eifel, Unterdevon.


Aulopora serpens
Netzartig verzweigtes Corallum, mit der Unterseite stets fest angewachsen. Kelche kreisförmig. Aulopora inkrustiert oft die Oberfläche von anderen tabulaten oder rugosen Korallen.
FO: Gondelsheim, Eifel, Mittel-Devon.

Aus der Vielzahl der Literatur über rezente und fossile Korallen kann empfohlen werden:

  1. Georg Scheer: Zur Geschichte der Korallenforschung. Die Formenvielfalt der Riffkorallen. - Herausgegeben von der Zoologischen Abteilung des Hessischen Landesmuseums Darmstadt. (Das Heft enthält weitere zahlreiche Literaturhinweise.)

  2. Hans W. Fricke: Korallenmeer. Verhaltensforschung am tropischen Riff. - Rowohlt, Hamburg 1975

  3. V. Günther: Entwicklung und Lebensbedingungen der Krallen. In: Der Aufschluß. Zeitschrift für die Freunde der Mineralogie und Geologie, Heft 2, Februar 1973, Heidelberg.

  4. Arno H. Müller: Lehrbuch der Paläozoologie. Band II, Invertebraten, Teil 1. - VEB Gustav Fischer Verlag. Jena, 1958. (Zahlreiche Literaturangaben im Buch.)

Entnommen: Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1977

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