Vom Wasserrad zur Dampfmaschine
Von Paul Schroeder
Suche nach Energie in den Kreisen Schleiden und Euskirchen
Auf der Suche nach
Energiequellen stieß der Mensch sehr früh auf die
Wasserkraft. Das Wasserrad war bereits de Antike bekannt. Im
Mittelalter verbreitete es sich rasch. Nachdem es zuerst zum Antrieb
von Mahlmühlen gedient hatte, fand es später auch
Verwendung in Walkereien, Sägewerken, Eisenhämmern und
anderen vorindustriellen Betrieben. Aus dem Wasserrad entwickelte
sich später die Wasserturbine, die auch heute noch in aller Welt
zur Stromerzeugung verwendet wird. Für die Kleinindustrie des
vorigen Jahrhunderts war die Turbine von geringer Bedeutung. Das
Wasserrad trieb noch nach 1945 viele kleine Mühlen an, die
jedoch wenige Jahre später den elektrischen betriebenen
Großmühlen zum Opfer fielen. Soweit sie nicht verfallen
sind, dienen sie bis auf einige Ausnahmen heute nur noch als
Anziehungspunkte für den Fremdenverkehr.
Naturgemäß lagen alle mit Wasser betriebenen Werke an den Bächen, ob es sich nun um Mühlen, Eisenwerke oder andere Betriebe handelte. Die für unsere Gegend wichtigsten Bäche waren Ahr, Urft, Olef, Erft und Veybach. Auch kleinere Gewässer wie der Mühlengraben in Euskirchen gehörten dazu. Die Statistik von 1836 zeigt, daß die Bezeichnung Fabrik, die man gern anwandte, für unsere Begriffe sehr hochtrabend war. Die Eisenfabriken im Kreis Schleiden zum Beispiel beschäftigten damals im Durchschnitt kaum zehn Arbeiter je Werk, einige sogar nur drei oder vier. Die höchste Arbeitnehmerzahl hatte die Hammerhütte mit 19 Personen. Diese Werke standen zudem oft still, wenn in einem heißen Sommer das Wasser in den Bächen rar wurde. Eine Industrie, die überleben wollte, mußte sich nach leistungsfähiger und jederzeit verfügbarer Energie umsehen. Hierzu bot sich die bereits 1778 von James Watt erfundene Kolbendampfmaschine an, die Anfang 1800 so weit entwickelt war, daß sie serienmäßig gebaut wurde.
Die Behörden standen, wie sich aus den alten Akten ergibt, diesen Ungetümen, die fauchend Dampf und Rauch ausstießen, recht hilflos gegenüber. Das zeigen schon die im Schriftverkehr durcheinander geworfenen Begriffe wie Dampfmaschine, Dampfkessel und Dampffässer. Mißtrauisch betrachtete man auch die für damalige Verhältnisse gewaltige Kraft, die in ihnen steckte (im Höchstfall 32 PS) und die gleich richtig erkannte Umweltverschmutzung durch Rauch und Ruß. Noch 1829 fehlte es an den erforderlichen Sicherheitsbestimmungen. Die Regierung in Aachen schrieb nämlich am 25. 1. 1829 an alle Landräte des Bezirks:
Bei dem Mangel an speziellen Vorschriften, unter welchen die Anlage von Dampfmaschinen mit niederem oder hohem Druck gestattet werden kann, haben wir uns veranlaßt gesehen, das Königliche Hohe Ministerium des Inneren um eine ausführliche Verordnung zu bitten und unsere desfallsigen Vorschläge abzugeben.
Diese ihre Vorschläge fügte die Aachener Regierung des Schreibens bei und ordnete an, daß nach ihnen zu verfahren sei bis Berlin eine entsprechende Verordnung erlassen habe. Um diese Zeit dachte in den Kreisen Schleiden und Euskirchen offenbar noch niemand daran, eine Dampfmaschine aufzustellen. Vor den Werken, die Energie benötigten, lief das Wasserrad, in den Tuchfabriken standen Handwebstühle.
Erste Genehmigung 1840
Nach den Akten der ehemaligen Kreisverwaltung Schleiden, die vielleicht nicht vollständig sind, wurde die erste Dampfmaschine am Bleiberg bei Strempt aufgestellt, und zwar zum Betrieb des Oberen Jülicher Stollenpochwerks. Den Antrag begründete die Gesellschaft Schunk-Olligschlaeger damit, daß die geringen Wasserkräfte dem Betrieb sehr hinderlich seien. Die Maschine war von der Fa. Dobbs & Poensgen in Aachen erbaut, hatte 32 PS bei 5,8 at Druck und einer Länge von 3,60 Metern. Sie diente zum Betrieb eines Pochwerks mit acht Stempeln zum Pochen (Zerkleinern) von Bleierz-Knotten. Der Antrag der Gesellschaft vom 30.4.1840 wurde bereits am 18.7.1840 genehmigt, nachdem der Berggeschworene Baur ein neunzehn (!) Seiten starkes Gutachten abgegeben hatte.
Im August 1840 taucht erstmalig die Eisenindustrie und mit ihr der Name Poensgen in den Akten auf. Die Poensgen hatten Hütten und Eisenwerke von Blumenthal bis Steinfeld, allein in Gemünd zeitweise vier. Den Antrag auf Konzessionierung einer Dampfmaschine von 32 PS für das unweit Gemünd gelegene Walzwerk mit Drahtfabrik stellten der Hüttenbesitzer Reinhard Poensgen und sein Mitarbeiter Johann Heinrich Rothscheid. Bei solchen Anträgen der verarbeitenden Industrie gab nicht die Bergbaubehörde, sondern der Kgl. Baumeister ein Gutachten ab. Die Konzession wurde am 28. 11. 1840 erteilt.
Die Industrie scheint zu dieser Zeit der Dampfmaschine gegenüber noch reserviert gewesen zu sein. Erst 1845 beantragte die Fa. Zoeller, Peuchen & Co. eine Konzession für ihre in Oberhausen anzulegende Holzschraubenfabrik. Um dieselbe Zeit baten die Herren Albert Poensgen und Wilhelm Schoeller aus Gemünd darum, die den Gebrüdern Schoeller zu Mauel gehörige, am Urftflusse daselbst gelegene Papiermühle in eine Gußstahlfabrik umändern zu dürfen. Beide verzichteten noch auf die Aufstellung von Dampfmaschinen.
Große Zurückhaltung
Sechs Jahre nach der ersten Aufstellung einer Dampfmaschine beantragte Reinhard Poensgen für sein Gemünder Walzwerk die Genehmigung zur Aufstellung zweier Dampfkessel zu der bereits laufenden Maschine. Er erhielt diese Genehmigung am 7. 1. 1846.
Eine wenig ergiebige Bleierzgrube, die mit erstaunlicher Hartnäckigkeit immer wieder in Betrieb genommen und auch immer wieder (zuletzt 1940) stillgelegt wurde, war die Grube Wohlfahrt bei Rescheid. Die Gewerkschaft Suermondt & Comp. stellte erstmalig 1940 eine alte Dampfmaschine auf. Am 19. 2. 1851 erhielt sie die Genehmigung zur Inbetriebsetzung zweier Maschinen.
Nach einem Bericht des Bürgermeisters Tils aus Gemünd vom 18. 10. 1851 standen damals in der Fabrik von Reinhard Poensgen zwei Dampfmaschinen, von denen die eine zwei Walzenlinien antrieb, um Eisen zu groben Stäben zu walzen. Die kleinere arbeitete in der Drahtzieherei. Von besonderem Interesse ist folgende Mitteilung in diesem Bericht:
Die Gebrüder Albert und Julius Poensgen betrieben früher ihre Drahtstiftenfabrik mittels Dampf. Jetzt aber benutzen sie Wasserkraft und steht daher die Maschine außer Tätigkeit.
Die Gründe für die Rückkehr zum Wasserrad können wir heute nur vermuten. Wahrscheinlich erschien den Fabrikanten sowohl die Befeuerung mit Holz wie die mit der unter hohen Transportkosten heranzubringenden Steinkohle unrentabel. Über die Konzession dieser Dampfmaschine befinden sich in den Akten keine Unterlagen, was darauf schließen läßt, daß die Akten nicht vollständig sind.
Der Hüttenbesitzer August Zöller zu Oberhausen beantragte 1851 zwar keine Konzession für eine Dampfmaschine, sondern die Genehmigung, auf seinem Hüttenwerk Müllerhammer statt des bisher mit Holzkohlen betriebenen Frischfeuers einen gewöhnlichen Puddelofen zur Reinigung des Eisens mit Steinkohlen anlegen zu dürfen. Um diese Zeit begann also in der um ihre Existenz kämpfenden Schleidener Industrie nicht nur die Umstellung vom Wasserrad zur Dampfmaschine, sondern auch eine Umstellung in den Brennstoffen.
Ab 1853 verstärkter
Einsatz im Bergbau
Ab 1853 häufen sich die Konzessionen für Dampfmaschinen im Mechernicher Bleiberg. Die erste wurde am 8. 11. 1853 der Gewerkschaft v. Meinertzhagen & Gebr. Kreuser zur Aufstellung auf Meinertzhagen bei Roggendorf erteilt, und zwar gleich für drei Maschinen. Im Jahre 1857 stellte diese Gesellschaft im Pochwerk Stollenhütte bei Strempt eine Maschine auf und 1861 neue Dampfkessel auf der Grube. Außerdem betrieb sie zwei Lokomotiven zum Abfahren von Sandmassen. Am 6. 12. 1864 erhielt der Mechernicher Bergwerksverein die Konzession für eine Dampfmaschine auf der Bleihütte zu Burgfey zum Betrieb einer Bleiröhrenpresse und 1869 zur Aufstellung von zwei Dampfkesseln auf der Bleihütte im sogenannten Buchholz bei Mechernich.
Im Jahre 1858 taucht in den Akten dann die Bergwerksgesellschaft W. Cazalis & Cie. auf. Sie erhielt die Konzession für eine Dampfkesselanlage auf der Überflußhütte in der Gemeinde Wallenthal, die Genehmigung zur Aufstellung von sechs (!) Dampfkesseln auf dem Riesa-Schacht der Grube Schunk-Olligschlaeger in der Gemeinde Calenberg und schließlich 1859 die Konzession zum Betrieb einer lokomobilen Dampfmaschine auf den Grubenfeldern Schunk-Olligschlaeger und Gute Hoffnung.
Von den Eisensteingruben waren anscheinend nur noch zwei in der Lage, einen Versuch mit der Dampfmaschine zu machen. Die Gewerkschaft der Grube Dahlemerberg erhielt am 12. 2. 1855 eine Konzession. Auf der Grube Nußbaum am Girzenberg bei Keldenich wurde ebenfalls 1855 ein Reservedampfkessel aufgestellt.
Dieses
alte Wasserrad läuft heute noch in Holzmühlheim
Kreisbildstelle Euskirchen, Kall
Der bereits mehrfach genannte Reinhard Poensgen in Gemünd erhielt im Jahre 1857 die Genehmigung. In seinem Walzwerk zu Gemünd einen lokomobilen Dampfkessel und zwei weitere Dampfkessel aufzustellen. Trotzdem betrieb er ab 1858 in seinem Werk noch zwei neue Wasserturbinen. Auch Hermann Poensgen in Blumenthal bat 1859 um die Genehmigung zur Aufstellung zweier Turbinen zum Betrieb seiner Drahtstiftefabrik. Man wollte sich offensichtlich auch zwanzig Jahre nach der Einführung der Dampfkraft noch nicht ganz auf sie verlassen, sondern die billige Wasserkraft wenigstens nebenher nutzen.
Peter Jakob Poensgen stellte im Jahre 1865 in seinem Eisenhüttenwerk in Blumenthal und ein Jahr später in seiner Drahtzieherei je eine Dampfmaschine auf. Wilhelm Arnold Schoeller betrieb seine Schraubenmutter- und Nietenfabrik bei Kirschseiffen seit 1867 mit einer Dampfmaschine und erhielt zwei Jahre später die Erlaubnis für einen Lokomobil-Dampfkessel. Um diese Zeit stellte auch die Firma B. Beling-Söhne eine Dampfmaschine auf.
Ab 1864 fand die Dampfmaschine Eingang in andere und kleinere Betriebe. Einige Beispiele:
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1864 |
Kunstwollfabrik Ferdinand Poensgen & C. Deutgen in Mauel bei Gemünd. Kunstwolle nannte man damals Reißwolle aus Lumpen. |
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1865 |
Mechanische Werkstätte von Eduard Hirz in Gemünd. |
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1866 |
Rheinische Eisenbahn Gesellschaft zum Betrieb der Wasserstation auf dem Bahnhof Mechernich. |
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1867 |
Dieselbe Gesellschaft für die Wasserstation auf dem Bahnhof Kall. |
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1870 |
Brennerei Heinrich Cremer zu Hammerhütte. |
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1872 |
Prior Eduard Scheby zu Mariawald zum Betrieb von Dresch- und sonstigen landwirtschaftlichen Maschinen. |
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1875 |
Mahlmühle von Franz Klinkhammer in Freilingen |
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1877 |
Holzschneiderei Fesenmeyer & Co. zu Schleiden. |
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In den folgenden Jahren erhielten Holzstoffabriken, Stiefeleisenfabriken, Drechslereien, Branntweinbrennereien, Bäckereien, die Genehmigung zur Aufstellung von Dampfmaschinen. Die Dampf-Energie hatte nach vielen Jahren der Erprobung auch den Mittelstand erreicht. Schwer einzuordnen ist die Erziehungs- und Besserungsanstalt in Steinfeld. Sie stellte 1880 eine Dampfkesselanlage auf.
Proteste aus Euskirchen
Der Kreis Euskirchen war flächenmäßig wesentlich kleiner als der Kreis Schleiden. Der Einwohnerzahl nach waren sie 1828 fast gleich, obschon Schleiden tausend Bewohner mehr hatte (Euskirchen: 28.343, Schleiden: 29.424). Das Verhältnis hatte sich um 1860 noch mehr zugunsten des Kreises Schleiden verschoben (Euskirchen; 34.306, Schleiden: 40.218). Erst in unserem Jahrhundert trat eine Änderung ein. Im Jahre 1925 hatte der Kreis Schleiden 49.179, der Kreis Euskirchen 55.957 Bewohner.
Die wirtschaftliche Struktur beider Kreise war auf allen Gebieten völlig verschieden, insbesondere in gewerblicher Hinsicht. Um die Zeit der Einführung der Dampfmaschine war die einst blühende Eisenindustrie im Kreise Schleiden bereits im Verfall, hoffte aber noch, die Schwierigkeiten mit der Umstellung vom Wasserrad auf Dampf überwinden zu können. Die Eisenindustrie im Kreis Euskirchen dagegen war ohne Bedeutung. Die wenigen Gruben, die erst um 1848 in Betrieb genommen wurden, lagen im Raum Schwerfen. Wachendorf und Antweiler. Einige bestanden nur wenige Jahre, das Eisensteinbergwerk Hermann Josef bei Antweiler am längsten von 1857 bis 1869. Hier legte man noch im Jahre 1867 einen Versuchsschacht an und benützte erstmalig eine Dampfmaschine. Die Grube beschäftigte damals nur sechs Mann und förderte nur 1920 Zentner Eisenstein.
Von größerem Wert war das Bleierzgebiet an der Grenze zum Kreis Schleiden im Raum Kommern, insbesondere die Bleihütte in der Mühlengasse. Bis 1883 scheint auch auf den Bleierzgruben Peterheide und Griesberg (Gottessegen) eine rege Förderung erfolgt zu sein. Dann wurde am 15. 5. 1883 der Betrieb eingestellt und 550 (!) Bergarbeiter wurden entlassen. Den größten Teil dieser Arbeiter übernahm der Mechernicher Bergwerksverein. Zweihundert gingen in eine Kohlenzeche bei Düsseldorf.
Nach der Statistik von 1836 gab es im Kreisgebiet Euskirchen 14 Dachziegelbäckereien, die insgesamt aber nur 33 Arbeiter beschäftigten. Die Tonindustrie erhielt erst eine Bedeutung, als 1871 das Tonwerk Satzvey und später die Euskirchener Dampfziegelei Huppertz & Co. und das Chamottewerk Antweiler in Betrieb genommen wurden. Um 1836 waren auch die später so wertvollen Braunkohlengruben noch klein, obwohl die Grube Concordia bereits 1823 eine Konzession erhalten hatte. Die Gruben Hubertus und Donatus existierten erst seit 1831 bzw. 1861. Ihre große Bedeutung erhielten sie und andere Gruben erst um 1890. Auch die Zuckerindustrie gibt es in Euskirchen erst seit 1870. So kam für die Einführung der Dampfmaschine in erster Linie die wohl älteste Industrie des Kreises in Frage, die Tuchindustrie. Sie gab im Jahre 1836 immerhin 281 Webern und Spinnern Arbeit und hatte ihre Blütezeit längst nicht erreicht.
Eine
der ersten Dampfmaschinen lief in der Fabrik Poensgen in Blumenthal
Foto: P. Schröder, Gemünd
Die Aufstellung der ersten Dampfmaschinen im Kreis Euskirchen erfolgte unter Protesten der Einwohner. Im Kreis Schleiden, auch in Gemünd, hatte nie jemand Einwendungen erhoben. Nach den Akten im Kreisarchiv Euskirchen stellten die Herren Richard Schiffmann jun. und Jakob Ruhr am 16. 12. 1854 den ersten Antrag. Sie beabsichtigten, auf ihrem außerhalb der Stadt an der Gansweide gelegenen Grundstück in der neu erbauten Tuchfabrik eine Dampfmaschine von 15 PS aufzustellen. Die Maschine war in der Aachener Fabrik Neumann & Esser gebaut worden. Gegen dieses Vorhaben protestierte der Ackerer Peter Ohser mit der Begründung, daß es ihm nach Ausstellung der Maschine nicht mehr möglich sein werde, seinen nur 30 fuß entfernt liegenden Acker mit dem Pferd zu bearbeiten, die Überprüfung ergab allerdings, daß die Entfernung viermal so groß war, nämlich 120 Fuß, etwa 38 Meter. Aus einem Bericht des Bürgermeisters von Euskirchen ergibt sich, daß wahrscheinlich ein anderer Grund für den Einspruch maßgebend war. Der Bürgermeister schreibt am 16. 3. 1855:
Wie ich vernommen habe, haben die Conzessionsnachsucher früher die Absicht gehabt, dem p Ohser das fragliche Grundstück zum Zwecke des Baues abzukaufen und daher steht zu vermuten, daß der p. Ohser glaubt, durch diese Opposition sein Grundstück an die Unternehmer theuer zu verkaufen.
1855 schon Umweltschutz
Nach mehreren Verhandlungen wurde der Einspruch vom Regierungspräsidenten in Köln am 2. 4. 1855 kostenpflichtig zurückgewiesen. Dieser Bescheid ist von besonderer Bedeutung, da er außer Anlagen, die den Kessel betreffen, auch den Umweltschutz einbezieht. In den Auflagen steht nämlich folgendes:
Unternehmer ist verpflichtet, durch Einrichtung der Feuerungsanlage oder dabei anzuwendende mechanische Vorrichtungen, wie durch Anwendung geeigneten Brennmaterials und durch sorgsame Wartung auf eine mögliche vollständige Verbrennung des Rauchs hinzuwirken.
Darüber hinaus wurden die Konzessionsinhaber verpflichtet, Änderungen im Betrieb, der Feuerungsanlage und des Brennmaterials dann vorzunehmen, wenn trotzdem Belästigungen auftreten sollten. Unter diesen Bedingungen wurde ihnen am 14. 5. 1855 die erbetene Konzession erteilt.
Eine
der ersten Dampfmaschinen lief in der Fabrik Poensgen in Blumenthal
Auch die drei folgenden Anträge wurden durch Einsprüche verzögert:
Einspruch vom Rat
Im Juni 1855 beantragte die Gewerkschaft Pirath & Jung zu Kommern die Genehmigung zur Aufstellung von drei Dampfmaschinen auf der Bleierzgrube Günnersdorf bei Kommern, und zwar zur Förderung von Bleierzen, zur Wasserhebung und zum Betrieb der Aufbereitungsanlagen. Gegen diesen Antrag legte der Gemeinderat von Mechernich Einspruch ei, weil er seit Jahren vergeblich die mangelhaften Haldenabdeckungen auf Günnersdorf beanstandet habe. Die Bergbautreibenden hätten nichts getan, um das Abtreiben des Sandes auf Äcker und Wiesen einzudämmen, obschon sie sich hierzu mehrfach verpflichtet hätten. Es sei zu befürchten, daß die Produktion durch die Maschinen so sehr steigen werde, daß für die Mechernicher Landwirtschaft eine bedrohliche Situation entstehen könne. Der Antragsteller Pirath ließ die Gründe der Mechernicher nicht gelten. In seiner Stellungnahme schriebe Pirath folgende interessanten Sätze:
Die Gemeinde Mechernich muß sich des Notjahres 1847 wohl nicht mehr erinnern, wo die hiesigen Bergtreiber von der königlichen Regierung zu Aachen durch das Oberbergamt zu Bonn aufgefordert worden sind, ihre Gruben so viel wie möglich zu belegen, um zahlreichen Arbeiterfamilien in etwa Unterhalt zu verschaffen. Es ist dies auch damals nach Kräften geschehen und haben die Grubenbesitzer es nicht gescheut, durch die allgemein ungünstige Konjunktur große Opfer zu bringen.
Die Parteien einigten sich schließlich am 26. 9. 1855 vor dem Bürgermeister in Kommern, so daß die Konzession im Dezember des gleichen Jahres erteilt werden konnte.
Umweltschutz
Ein Jahr später, am 24. 6. 1856, legte der Schönfärber C. Deutgen einen Konzessionsantrag vor. Er wollte hinter seinem in Euskirchen am Pützberge gelegenen Wohnhaus eine Dampfmaschine zum Betrieb einer Färberei und einer Wollwäscherei aufstellen. Das kondensierte Wasser sollte in den Veybach abgeleitet werden. Gegen den Antrag wehrten sich Andreas Bartscherer und Johann Franz Frings. Bartscherer berief sich darauf, daß durch die Anlage der Maschine sein nur 140 Schritte davon liegender Bleichplatz unbrauchbar würde. Seine Existenz bestehe nur darin, Wäsche für Fremde zu bleichen. Wenn die Wäsche durch Asche und Ruß beschmutzt werde, verlöre er seine Kunden. Frings reservierte sich das Recht, den Deutgen für etwaige Schäden haftbar zu machen, die seine Bierbrauerei treffen sollten. Am 20. 9. 1856 lehnte die Regierung beide Einsprüche ab und erteilte einen Monat später die erbetene Konzession, allerdings unter bestimmten Auflagen.
Gleich sechs Euskirchener protestierten gegen den nächsten Konzessionsantrag: Friedrich Wilhelm Hochs bat am 8. 6. 1858 um die Genehmigung zur Aufstellung einer Dampfmaschine auf seinem in Euskirchen an der Neustraße gelegenen Eigentum zum Betrieb einer Tuchfabrikation. Das Wasser wollte er einem Brunnen entnehmen und in den Veybach ableiten. Die sechs Einwohner legten aus den verschiedensten Gründen Einspruch ein. Einige bemängelten, daß die Dampfmaschine in direkter Nähe von Wohnhäusern und Gärten aufgestellt werden solle und Belästigungen durch Rauch und Ruß zu befürchten seien. Die Rotgerber Jakob Schmitz, Wilhelm Roth und Karl Josef Roth waren gegen die Aufstellung, weil die Ableitung des Wassers in den Veybach, aus dem sie Wasser für die Gerberei entnähmen, die Güte ihres Leders beeinträchtigen könnte. Alle Widersprechenden glaubten auch, die Feuerversicherung werde wegen Gefahrenerhöhung die Prämien für die anliegenden Grundstücke anheben. Ungeachtet der Einsprüche erteilte die Regierung am 29. 9. 1859 die erbetene Konzession, allerdings vorbehaltlich der Privatrechte Dritter und der Befolgung der einschlägigen ortspolizeilichen Vorschriften. Immerhin wurden erhebliche weitere Auflagen in die Urkunde aufgenommen, Ort und Art der Aufstellung aber grundsätzlich genehmigt.
Schnelle Genehmigung
Die Gewerkschaft der Grube Günnersdorf, Pirath & Jung, stellte im August 1858 einen weiteren Antrag zur Aufstellung einer Dampfmaschine mit drei Kesseln zum Betrieb eines neuen Pochwerks. Die Erlaubnis wurde schon binnen Monatsfrist erteilt. Dieselbe Firma bat im Oktober 1858 um die Genehmigung, in der Bleihütte in der Mühlengasse in Kommern eine Gebläse-Dampfmaschine von 8 PS aufstellen zu dürfen. Die Erlaubnis wurde am 12. 12. 1858 erteilt.
Ebenfalls im Oktober 1858 stellten die Gebrüder Fischer aus Euskirchen den Antrag bezüglich einer Hochdruckdampfmaschine für die Wollspinnerei in Wisskirchen. Der Antrag wurde am 7. 2. 1589 genehmigt.
In den nächsten Jahren wurden dann wie im Kreise Schleiden auch in anderen Industriezweigen Dampfmaschinen aufgestellt. Nachdem 1861 die Gewerkschaft Pirath & Jung zwei weitere Kessel auf Günnersdorf, Distrikt Petersheide, zum Betrieb einer Wasserhaltungs- und Aufbereitungsanlage aufgestellt hatte, schlossen sich ihr unter anderen folgende Betriebe an:
1862: Gerber Jakob Kurth zu Lechenich zum Betrieb der Gerberei.
1862: Johann Wilh. Thüner zu Sinzenich für seine Strohpapierfabrik.
1863: Lederfabrikant Peter Schmitz aus Euskirchen zum Betrieb einer Lohmühle.
1864 Hoffmann und Meuter in Weilerswist für eine Spinnerei, und
1865 Heinrich Sieger, Zülpich für die in der Burg gelegene Destillerie
Von 1866 bis 1872 stieg die Zahl der Aufstellungen immer mehr an. Allein im Jahre 1868 wurden fünfzehn Maschinen konzessioniert.
Um die Jahrhundertwende etwa hatte die Dampfmaschine ihren Höhepunkt erreicht. Ein Dutzend Jahre später wurde sie nach und nach durch den Elektromotor ersetzt, der billiger in Pflege und Haltung war und keinen Ärger durch Rauch und Lärm hervorrief. Dem Dampf bleiben noch über viele Jahrzehnte hinaus die Sägewerke treu, die durch ihre eigenen Abfälle billige Heizstoffe hatten. In diesen stehen sie hin und wieder heute noch.
Es fällt auf, daß die Dampfmaschinen im Kreis Schleiden zwar zehn Jahre früher aufgestellt wurden, aber nie die Bedeutung erlangten wie die im Kreise Euskirchen. Die Gründe liegen auf der Hand. Im Kreis Schleiden sollten sie als letzter Versuch die dahinsiechende Industrie am Leben erhalten. Der Versuch mißlang mit Ausnahme des Bleibergs. Im Kreis Euskirchen führte die Dampfmaschine zukunftsträchtige Gewerbebetriebe in das Zeitalter der Großindustrie hinein.
Entnommen: Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1976
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