Tiere aus dem Korallenmeer der Eifel
Hans Josef Jungheim
Die geologische Vergangenheit
der Eifel ist reich an Ereignissen von herausragender Bedeutung. Die
frühesten weisen tief in das Erd-Altertum zurück, die
jüngsten sind kaum 10.000 Jahre alt. Vom Eifelmeer der Devonzeit
bis zu den Maarbildungen im Quartär spannt sich ein Bogen,
dessen Endpunkte einen Zeitraum von weit mehr als 350 Millionen
Jahren begrenzen. In ihm hat die Erde fast nichts ausgelassen, was
zum Repertoir ihrer Gesetze, ihrer Kräfte und Schwächen,
fast möchte man sagen ihrer Phantasie gehört.
Einer der für die Eifel wichtigsten und zugleich interessantesten Zeitabschnitte ist das Devon, eine Meereszeit, die vor 400 Millionen Jahren begann und um die 40 bis 50 Millionen Jahre dauerte. In der sogenannten Kalkeifel sind ihre überraschendsten Reste, Pflanzen- und vor allem Tierversteinerungen, erhalten. Seit dem vorigen Jahrhundert ist es den Geologen und Paläontologen gelungen, das Geschehen im Eifelmeer zum Teil in sehr feinen Zügen nachzuzeichnen, wobei gesicherte Fakten und konstruktive Phantasie das reale Bild vergangenen Lebens rekapitulieren.
Hexagonaria,
eine kolonienbildende Koralle.
FO: Keldenich, Sötenicher
Kalkmulde
Die faszinierendste Erscheinung des Eifelmeeres ist ohne Zweifel das Riff, von dem die Dolomitfelsen von Gerolstein besonders markante Reste darstellen. Die von Wolfgang Struve beschriebenen Abschnitte des Riffs gliedern diesen devonischen Meeresbereich in Lebensräume mit je charakteristischer Tierwelt. Ihre fossilen Reste ermöglichen eine Rekonstruktion des Eifeler Korallenriffs.
Favosites
polymorphus, koloniale Koralle.
FO: Gondelsheim bei Prüm,
Prümer Kalkmulde
Zwischen Festland und dem das Festlandufer begleitenden Riff erstreckte sich eine Lagune. Auf Riffseite fand sie ihre Begrenzung durch das sogenannte Stromatoporiden-Bankriff. Das Wasser war in dieser etwa 2 km breiten Riffzone stark bewegt. Diesem Umstand entsprachen die massiv-kompakten Bauten der Stromatoporen, die in der Regel kugelige oder auch fladenförmige Einzelstöcke mit Durchmessern bis zu 1 m und mehr ausbildeten. Die Stromatoporen erlebten im Devon ihre Blütezeit. Sie zählen wie die Korallen zu den Hohltieren (Coelenterata), kommen aber, im Gegensatz zu den Korallen, heute nicht mehr vor. Der Aufbau ihrer Stöcke ist vor allem bei angewitterten oder beschädigten Exemplaren deutlich zu erkennen; sie bestehen aus vielen parallel zueinander verlaufenden und durch Säulchen miteinander verbundenen Lagen.
Disphyllum
caespitosum, Rasenkoralle.
FO: Sötenich, Sötenicher
Kalkmulde
Das sich an diese Riffzone anschließende Knollen-Block-Riff nahm eine Breite von etwa 0,2 bis 1 km ein. Hier siedelten vornehmlich koloniale Korallen, deren kompakte Stöcke, oft zentnerschwer, in vielen Teilen der Kalkeifel, vor allem aber in der Sötenicher und Gerolsteiner Kalkmulde, in fossiler Form erhalten geblieben sind. Die massigen blockförmigen Kolonien dieser Korallen weisen, ähnlich wie die kompakten Bauten der Stromatoporen, auch für diesen Riffbereich auf stark bewegtes Wasser hin. Wenn man einen Vergleich zu den rezenten riffbauenden Korallen der Südsee zieht, wird man annehmen dürfen, daß auch die Korallen des Eifelmeeres in einer Tiefe zwischen 30 - 40 m bei Wassertemperaturen lebten, die den Verhältnissen der rezenten Riffe im äquatorialen Meeresraum entsprochen haben mögen.
Amphipora
ramosa.
FO: Schlade, Bergisch Gladbach, Paffrather Kalkmulde
Neben Hexagonaria kommt Favosites polymorphus besonders häufig vor.
Der Variationsreichtum ihrer äußeren Gestalt hat ihr den Artnamen gegeben.
Die trichterförmigen Öffnungen der Stöcke waren von den eigentlichen Korallentieren (Polypen) bewohnt. Sie haben die Stöcke gebaut, sie ausgeschieden. Es handelt sich hierbei zum Teil um außerordentlich fein strukturierte Bildungen, deren Einzelelemente erst im Mikroskop sichtbar werden und zur Bestimmung der Korallenarten herangezogen werden müssen.
Mesophyllum
maximum, eine große Trichterkelchkoralle.
FO: Dachsberg bei
Gerolstein, Gerolsteiner Kalkmulde
Fossile
Teile von Seelilien aus dem Eifel-Devon.
Von links nach rechts:
Seelilienwurzel, Seeliliensielstücke und Einzelstielglieder,
Seelilienkelch ohne und Seelilienkelch mit Fangarmen
Calceola
sandalina, Pantoffelkoralle. Von links nach rechts: Kelch ohne
Deckel, einzelne Deckel, vollständiges Exemplar mit Kelch und
geschlossenem Deckel.
FO: Gondelsheim, Prümer Mulde
Verschiedene
Formen des Corallums bei Einzelkorallen aus dem Devonmeer der Eifel.
Von links nach rechts: Aulacophyllum looghiense, Dohmophyllum
helianthoides, Dohmophyllum sp.
FO: Sötenich, Niederehe,
Gerolstein
Brachiopoden
aus dem Devonmeer der Eifel.
Von links nach rechts: Spirifer
ostiolatus
Die nächste, etwa 2 km breite Riffzone ist der Hauptsiedlungsbereich von Rasenkorallen und Seelilien. Disphyllum caespitosum und Amphipora ramosa sind die hier am zahlreichsten vertretenen Korallenarten. Die erstere bildet in der Regel lange, schlanke Kelche, die zweite erscheint ästig verzweigt. Beide sind so zahlreich, daß dicke Gesteinsbänke ganz von ihnen durchsetzt sind. Ähnlich verhält es sich mit den Seelilien (Crinoidea), deren Stile, Stielstücke und Einzelglieder gesteinsbildend sind. Belege hierfür lassen sich besonders leicht und zahlreich in der Gerolsteiner Mulde (Dachsberg bei Gerolstein) und in der Hillesheimer Mulde bei dem Dorf Kerpen (großer Kalksteinaufschluß) finden.
Die Seelilien zählen zu den Stachelhäutern. Sie lebten als Futterfilterer standortgebunden. Die dem letzten Stielglied aufsitzende Krone (Kelch mit Fangarmen) stellt das eigentliche Tier dar. In fossiler Form wird dieser Teil heute so gut wie nicht mehr gefunden. Die an den oben bezeichneten Fundorten massenhaft auftretenden Stielreste zeigen, daß die Seelilien im Devonmeer ganze Seelilienwälder gebildet haben müssen.
Das
Eifelriff: 1 Lagune, 2 Stromatetum, 3 Globetum, 4 Cespitetum und
Crinoidetum, 5 Rapetum, 6 Brachiopodetum
An das Rasenriff schließt sich das sogenannte Rüben-Riff (etwa 4 km breit) als Hauptsiedlungsraum großer solitärer Korallen an. Als einer der wichtigsten Vertreter ist hier Mesophyllum maximum zu nennen.
Diese große Einzelkoralle kann relativ häufig in Niederehe, am Kroberg (Hillesheimer Mulde), aber auch am Dachsberg bei Gerolstein gefunden werden. Vollständig erhaltene Exemplare mit unzerstörtem Kelch sind allerdings selten. Ein weiterer wichtiger Fundort liegt bei Gondelsheim in der Prümer Mulde. Dieser Fundort weist auch ein besonders reiches Vorkommen an Calceola sandalina, einer pantoffelförmigen Einzelkoralle mit Kelch und Deckel, auf.
Paracyclas
proavia, Muschel,
FO: Sötenich
Das von den Korallenpolypen ausgeschiedene kalkige Skelett, das sogenannte Corallum, nimmt je nach Gattung und Art eine recht unterschiedliche Form an. Dies gilt auch für den oberen Teil des Corallums, den Kelch. Nur dieser oberste, offene Teil des Corallums wurde vom jeweiligen Korallenpolypen bewohnt, der durch das Ausschieden feiner kalkiger Elemente das Wachstum des Corallums bewirkte.
Fenestella
sp., Moostierchen,
FO: Gondelsheim
Das Rübenriff leitet über in den Hauptlebensraum der Brachiopoden. Er erreichte eine Breite von etwa 7 km. Das Wasser war hier nur wenig bewegt und mäßig belichtet. Hier siedelten auch die bereits beschriebenen Pantoffelkorallen.
Die Brachiopoden bilden einen eigenen Stamm. Ihr Weichkörper scheidet zwei Klappen aus, eine untere, die Stielklappe, und eine obere, die Armklappe. Die Stielklappe reicht mit dem Wirbel in der Regel über die Armklappe hinaus. Die Brachiopoden sind standortgebundene Tiere, sich sich zumeist mit einem muskulösen Stiel am Untergrund festheften. Zwei an der Armklappe befestigte Kiemenarme dienen vornehmlich der Atmung. Zahlreiche der Eifeler Brachiopodenarten besaßen kalkige und sehr oft spiralförmige Armgerüste als Stütze für die aus Fleisch bestehenden Arme. Neben der äußeren Form, der Struktur der zweiklappigen Schale zählt vor allem die Form des Armgerüsts zu den Merkmalen, die für die Bestimmung der Gattungen und Arten wichtig sind.
Straparollus
circinalis, Schnecke,
FO: Sötenich
Die Brachiopoden treten bereits im frühen Erd-Altertum vor etwa 430 Millionen Jahren auf. Sie erlebten im Devon eine erste Blütezeit.
Heute existieren noch etwas über 60 Gattungen. Dieser geringen Zahl stehen ca. 1200 bisher bekannte fossile Gattungen gegenüber.
Cyrtoceras,
Gehäuse eines Tintenfisches aus dem Eifeldevon,
FO: Sötenich
Bis hierhin sind die Tiere beschrieben worden, die die verschiedensten Hauptsiedlungsbereiche des devonischen Riffs der Eifel charakterisieren. Neben den bisher genannten fossilen Vertretern des Riffs müssen wenigstens noch erwähnt und in Beispielen im Bild vorgestellt werden die Bryozoen (Moostierchen), die Vermes (Würmer), die Lamellibranchiata (Muscheln), die Cephalopoda (Kopffüßer/Tintenfische) und die Gastropoda (Schnecken), die ebenfalls im Devonmeer der Eifel lebten und fossil erhalten sind.
Es muß noch eine von Sammlern besonders begehrte Fossilgruppe erwähnt werden, deren Vertreter als Funde relativ selten geworden sind. Gemeint sind die Trilobiten, die zu den Gliederfüßern (Arthorpoda) gehören und bereits im Erd-Altertum, so auch im Devon, zahlreich vertreten waren. Besonders die Gattungen Phacops, Dechenella und Proetus waren außerordentlich individuenreich. Die Phacopiden starben mit dem Devon aus. Proetus hielt sich am längsten und reichte bis an die Grenze zum Erd-Mittelalter.
Trilobiten
aus dem Eifelmeer.
Von links nach rechts: Phacops schlotheimi
(vollständiges aber eingerolltes Exemplar),
FO: Gerolstein,
Schwanzschild eines besonders großen Trilobiten,
FO:
Niederehe
Wie die zahlreichen Fossilfunde zeigen, hatte sich im Devonmeer der Eifel gerade im Bereich des Riffs ein besonders artenreiches Leben entfaltet. Hier fanden viele Tiere Nahrung und in den Nischen und Höhlungen auch Schutz vor Feinden.
Es sei zum Schluß noch darauf hingewiesen, daß die enge Bindung der rezenten, d.h. der lebenden Riffe an Wassertiefe, -temperatur, -durchlichtung, Salzgehalt, Durchlüftung usw. Indiz für die komplizierte Ökologie eines Riffs ist. Sie wird sofort beeinträchtigt, wenn auch nur einer der genannten Faktoren von der Norm abweicht. Man wird fehl gehen, wenn man diesen Sachverhalt auch auf das Eifelriff überträgt.
Entnommen: Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1975
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