Schloß Gracht in Liblar
Von Karl Otermann
Der Geburtsort von Carl Schurz (1829-1906)
Die im Jahre 1900 erschienenen
Kunstdenkmäler des Kreises Euskirchen weisen wohl in
Verbindung mit Schloß Gracht auf das seit dem 16. Jh. dort
residierende Adelshaus Wolff-Metternich hin. Von Carl
Schurz, der im Pächterhaus des Schlosses im Jahre 1829 als
Lehrersohn geboren worden war, ist noch nicht die Rede, konnte auch
für jene Zeit des ausgesprochenen Obrigkeitsstaates mit
Untertanenverband noch nicht die Rede sein. Carl Schurz gehörte
als Bonner Student zu den führenden Männern von 1848. Sein
Lehrer, Professor Kinkel, und Carl Schurz standen damals unter
Einsatz des Lebens auf der Seite derer, die für eine
glücklichere deutsche Zukunft, die Republik forderten. Es war
schon eine Vermessenheit im damaligen Deutschland!
Carl
Schurz als Bonner Student und als amerikanischer Innenminister
Fotos: Kreisbildarchiv
In Amerika, wohin Carl Schurz aus politischen Gründen emigriert war, gehörte er zum engsten Freundeskreis von Präsident Lincoln, dann Gesandter in Spanien, General im Bürgerkrieg, Senator und schließlich Innenminister unter Präsident Hayes. Bei der Eröffnung der Carl-Schurz-Ausstellung in Liblar im Mai 1966 hob Dr. Irvin, der Kulturattaché der amerikanischen Botschaft, hervor: Carl Schurz ist in unseren beiden Ländern zum Symbol der Freiheit, Standhaftigkeit, Unerschrockenheit und Tatkraft geworden.
Ich finde, daß
die Frage der Freiheit,
wenn auch noch so verschieden in der
Form,
doch im Wesen überall dieselbe ist.
Schloß
Gracht in Liblar - einst Sitz des Adelsgeschlechtes Wolff-Metternich,
dann Geburtsort von Carl Schurz, heute Stätte eines
Goethe-Instituts.
Foto: P. Fischer
Im Jahre 1965 hat Prof. Dr. E. Kessel im Winter Verlag Heidelberg Die Briefe von Carl Schurz an Gottfried Kinkel herausgegeben. Wir haben bereits an dieser Stelle unter verschiedenen Gesichtspunkten auf dieses Werk hingewiesen. Diesmal dürfen wir aus der Einleitung von E. Kessel folgenden Auszug bringen:
Carl Schurz ist unstreitig der namhafteste Deutschamerikaner, der im 19. Jahrhundert in die Vereinigten Staaten gekommen ist. So erscheint er einerseits geradezu als der Prototyp des deutschen Einwanderers in Amerika, andererseits aber hebt er sich durch die Stärke und die individuelle Eigenart seiner Persönlichkeit deutlich von dem großen Auswandererstrom ab, der von Deutschland in die neue Welt ging.
Genauer bestimmt, gehört er zu den Achtundvierzigern, den Forty-Eighters, d. h. zu jener starken Auswandererwelle, die das Ergebnis des Fehlschlags der Deutschen Revolution von 1848 war. Mit ihr bekam die deutsche Auswanderung nach Amerika einen neuen Aufschwung und ein neues Gepräge; denn diese Flüchtlinge der alten Welt haben nicht aus konfessionellen oder religiösen, auch nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen das Land der Freiheit gesucht und bis zu einem gewissen Grade auch suchen müssen. Natürlich hätten sie auch in andere Länder gehen können, wie es tatsächlich viele gegeben hat, die in der Schweiz oder in England blieben oder noch weiter in die Welt bis nach Australien gingen oder schließlich auch nach Konsolidierung der Verhältnisse und Amnestierung in die deutsche Heimat zurückkehrten.
Heute
ein Goethe-Institut in Schloß Gracht
Foto: K. Küpper
Für Schurz ist charakteristisch, einmal, daß er bis nach Amerika ging, und dann, daß er, als es ihm möglich gewesen wäre, nicht nach Deutschland zurückging. Er wollte amerikanischer Staatsbürger werden und wurde es gerade auch aus dem Bedürfnis einer freien politischen Betätigung heraus, und seine politische Aktivität in Verbindung mit seinen überragenden Fähigkeiten hat ihn in die vorderste Linie des politischen Kampfes in den Vereinigten Staaten gebracht.
Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1970
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