Eine Beschreibung des Kreises Euskirchen aus dem Jahre 1861
Von Johann Peter Schroeder
Landrat von 1833 bis 1874
Landrat
J. P. Schroeder
Foto: Kreisbildarchiv
(Im Heimatkalender auf das
Jahr 1966 hat Prof. Dr. H. W. Kuhn, ein Nachkomme des Landrates
Schroeder, ein Lebensbild eines Mannes gezeichnet, der 41 Jahre
Landrat des Kreises Euskirchen war. Damals war es noch der kleine
Landkreis Euskirchen; denn erst 1932 kamen Münstereifel-Stadt-
Münstereifel-Land, das Amt Kuchenheim und die Gemeinden
Müggenhausen, Straßfeld und Dom-Esch bei der Auflösung
des Kreises Rheinbach zum Kreise Euskirchen. Die Beschreibung
des Kreises Euskirchen aus dem Jahre 1861 verdient es, erhalten
zu bleiben. K.O.)
1. Lage, Grenzen und Größe
des Kreises
Der Kreis Euskirchen liegt im südwestlichen Teile des Regierungsbezirkes Köln und wird nördlich von dem Kreise Bergheim, östlich von dem Landkreise Köln, den Kreisen Bonn und Rheinbach, südlich von einem kleinen Teil des Kreises Rheinbach und dem Kreis Schleiden und westlich von den Kreisen Schleiden und Düren begrenzt.
Er enthält 6,46 Quadratmeilen; seine größte Ausdehnung erstreckt sich von den nördlichen Abhängen des Eifelgebirges in der Richtung von Süden nach Norden in einer Länge von 4 ½ Meilen; seine Breite beträgt ¼ bis 2 Meilen.
2. Allgemeine
Terrain-Bildung
Nach seiner Terrainbildung zerfällt der Kreis in zwei Hauptabschnitte:
Als erster Abschnitt ist der in dem südlichen Teile gelegene, die Bürgermeisterei Kommern, Enzen, Satzvey und Wachendorf umfassende Katasterverband Kommern anzusehen.
Er trägt auf seinen südlichen Grenzen den Gebirgscharakter, wo er in dem zwischen den Dörfern Weiler und Eschweiler gelegenen sog. Herkelstein bei 1345 Fuß seine höchste Erhebung über dem Meeresspiegel hat. Da aber der ganze Abschnitt überhaupt nur auf den Endpunkten des Eifelgebirges liegt, so fallen die Höhenzüge auch in nördlicher und nordöstlicher Richtung gegen die Ebene hin rasch ab, und es gehört daher der nördliche Teil derselben nur noch dem Hügellande an, während der nordwestliche, aus der Bürgermeisterei Enzen bestehende Teil aus der hügeligen Formation in nordöstlicher Richtung in die Ebene übergeht.
Das Gestein in den Höhenzügen ist vielfach wechselnd; es besteht in den Bürgermeistereien Wachendorf, Satzvey und dem östlichen und westlichen Teil der Bürgermeisterei Kommern (östlich vom Bleibach), in denen sich nur die Übergangsgebirgsformation findet, aus Kalkstein in der Form des Übergangskalkes und Muschelkalkes, ersterer vorzugsweise in den südlichen Höhe der Bürgermeisterei Wachendorf, sodann aus Grauwacke und Grauwackenschiefer und in dem südlichen und südöstlichen Teile der Bürgermeisterei Kommern aus dem die sog. Knottenerze (Bleiglanz) mit sich führenden bunten Sandstein (Buntsandstein).
Der übrige Teil dieses Abschnittes, bestehend aus der nordwestlichen Hälfte der Bürgermeisterei Kommern und der Bürgermeisterei Enzen enthält nur der Flözformation angehöriges Gestein, und zwar Flözkalk und Geschiebe von Quarz und Grauwacke, unter welchem sich in der Nähe des Dorfes Virnich ein Braunkohlenlager von bedeutender Mächtigkeit befindet. Die aus Grauwacke oder Grauwackenschiefer und Sandstein bestehenden Höhenzüge sind größtenteils und vielfach bis zu den Talrändern bewaldet, und es waltet hier der Eichenschälwald vor, jedoch finden sich auch Kiefern- und Rottannenholzungen sowie einiger Buchenniederwald vor; dagegen wird in der Formation des Übergangskalkes der Boden bis auf die Höhen selbst fast ausschließlich zu Ackerland benutzt.
Tolbiacum
1746 - ein Stadtplan Zülpichs aus dem Jahre 1746
Erklärung
(Legende):
A Burg |
H Marienkirche |
Q Münsterthor |
Der zweite Abschnitt des Kreises, bestehend aus den Katasterverbänden Euskirchen (Bürgermeistereien Euskirchen, Frauenberg, Wichterich, Nemmenich, Zülpich und Sinzenich) und Lechenich (Bürgermeistereien Lechenich, Erp, Gymnich, Liblar, Weilerswist, Friesheim und Lommersum) gehört ganz der Ebene an, indem er eine von Süden nach Norden geneigte, von 600 bis 300 Fuß über dem Meeresspiegel allmählich abfallende Fläche darstellt mit verschiedenen in der Richtung von Südwesten nach Nordosten verlaufenden wellenförmigen Hebungen und Senkungen, die als das Ergebnis der in den Einschnitten fließenden Gewässer erscheinen. Der ganze Nordostrand dieser Ebene steigt wieder etwas mehr, indem hier die bewaldeten Hügel der Ville in den Kreis hineinragen. Das Gestein, welches sich hier vorfindet, besteht nur aus angeschwemmtem Geschiebe von Quarz und Grauwacke und tritt vorzugsweise in langgestreckten, die südöstlichen und nordöstlichen Ufer der Bäche begleiteten Rücken zu Tage, während es sich in der Ebene selbst in der Form von Kiesbänken fast überall in geringer Tiefe wiederfindet und dadurch dort vielfach Einfluß auf die bessere oder schlechtere Qualität des Bodens hat.
Ein solcher Kiesrücken tritt von Schwerfen, aus dem ersten Abschnitt kommend, in den zweiten Abschnitt, zieht sich an Sinzenich, Linzenich, Lövenich, Nemmenich, Ober- und Niederelvenich und Mülheim vorbei und endet bei Niederberg.
Eine zweite ganz gleiche Formation beginnt ebenfalls im ersten Abschnitt zwischen den Dörfern Satzvey und Firmenich; sie hat bei ihrem Eintritt in den zweiten Abschnitt noch eine bedeutendere Breite, die aber, je näher sie, in nördlicher Richtung fortschreitend, an das Dörfchen Dürscheven gelangt, abnimmt. Von dort aus zieht sie sich bei Irresheim, Oberwichterich, Wichterich, Mülheim, Niederberg und Friesheim vorbei, wo sie in der Ebene zwischen Friesheim und Bliesheim verschwindet.
Braunkohle
Eine dritte gleiche Formation erstreckt sich von Derkum über Hausweiler und Groß-Vernich bis Weilerswist; dort erhebt sie sich in bedeutender Mächtigkeit zu den bewaldeten Höhen der Ville und bildet die Nordostgrenze des Abschnittes und Kreises bis an die Grenze des Kreises Bergheim. In dieser Formation findet sich zwischen den Ortschaften Liblar und Höfgen ein bedeutendes Braunkohlelager.
Ein ferneres Braunkohlenlager lehnt sich an die Südhänge dieses Abschnittes zwischen Euenheim und Billig an die Grauwackeschieferformation des ersten Abschnittes.
Gewässer
Unter den fließenden Gewässern, welche sämtlich zum Stromgebiet des Rheines gehören, ist zuerst die Erft hervorzuheben. Dieselbe, aus den südlich gelegenen Eifelgebirgen herabkommend, durchfließt zuerst bei Weingarten und Rheder einen östlich vorspringenden Teil des Abschnittes, verläßt dann den Kreis und tritt zum zweitenmal südöstlich von Euskirchen in denselben und verläßt ihn nun erst, nachdem sie ihn in einer Länge von fast drei Meilen durchflossen hat, an der nördlichen Grenze bei Gymnich.
Die Erft ist der Rezipient aller übrigen den Kreis durchströmenden Gewässer, die mit einer einzigen Ausnahme, den von Osten in die Bürgermeisterei Weilerswist eintretenden Swistbach, alle von Südwesten kommend, in der Richtung nach Nordosten ihr zufließen.
Die übrigen Gewässer sind:
der Neffelbach, der, aus dem Kreise Düren kommend, nur einen Teil der Bürgermeisterei Zülpich durchfließt und dann wieder in den Kreis Düren zurückkehrt;
der Vlattener Bach, der, ebenfalls aus dem Kreise Düren kommend, die Bürgermeisterei Sinzenich durchfließt und sich bei Lövenich in den Rotbach ergießt,
der Rotbach, der, aus der westlich gelegenen Bürgermeisterei Eicks des Kreises Schleiden kommend, zunächst den nördlichsten Teil des Bürgermeisterei Kommern durchfließt, bei Schwerfen vorbeifließt, bei Sinzenich den zweiten Kreisabschnitt erreicht, sich nun an den Ortschaften Lövenich, Ober- und Niederelvenich, Mülheim, Friesheim, Lechenich vorbeizieht und nördlich von Dirmerzheim in die Erft mündet;
der Bleibach, der südwestlich von Kommern in den Kreis tritt; dann an Firmenich, Obergartzem, Dürscheven, Oberwichterich und Wichterich vorbeifließt und sich bei Mülheim mit dem Rotbach vereinigt;
der Veybach, der oberhalb Katzfey in den südöstlichen Teil der Bürgermeisterei Kommern eintritt, bei Satzvey den von Rißdorf (in der Bürgermeisterei Wachendorf) kommenden Kühlbach aufnimmt, dann an Veynau, Wißkirchen, Euenheim und Euskirchen vorbeigeht und nordöstlich von Euskirchen in die Erft mündet;
der Eschweiler Bach, der, aus der Bürgermeisterei Vussem des Kreises Schleiden herabkommend, nur den südlichsten Teil der Bürgermeisterei Wachendorf durchfließt.
Als schiffbar kommt die Erft nicht in Betracht und bringt daher keinen Verkehr; ihr Gefälle wird sogar nach ihrem Eintritt in den zweiten Abschnitte des Kreises so gering, daß sie nur noch wenige Mühlen treibt. Dagegen ist sie vorzugsweise von fruchtbaren Wiesenländereien umgeben; es ist jedoch, namentlich in den Bürgermeistereien Liblar und Gymnich, infolge des mit dem starken Gefälle im oberen Teile des Laufes herabgeführten Kies- und Sandmassen das Flußbett derart versandet, daß die anschließenden Ländereien vielfach Versumpfungen und Versandungen durch Überschwemmungen ausgesetzt sind. Diesem Übelstande war man schon früher in der Bürgermeisterei Gymnich bemüht gewesen, durch Vertiefungen und Eindämmungen des Flußbettes zu steuern; jetzt soll demselben in dieser Bürgermeisterei gänzlich geholfen werden, da die Genossenschaft, die die Melioration des Erfttales von der Mündung der Erft an aufwärts bis zur Grenze der Bürgermeisterei Liblar zum Zwecke hat, auch den zu Gymnich gehörigen Teil des Flußgebietes umfaßt.
Giftiger Bleibach
Am bemerkenswertesten von sämtlichen Gewässern ist der Bleibach, er den im oberen Teile seines Laufes neben seinen Ufern bei den dort befindlichen Pochwerken und Schmelzhütten, auf ungeheuren Halden liegenden, beim Bergbau und Bleierz zutage geförderten, durch Regengüsse in ein Bett geschwemmten arsenikhaltigen Sand mit sich führt, der zur Folge hat, daß sein Wasser ohne jedes Leben ist. Abgesehen von den Nachteilen, die der Bleibach bei Überschwemmungen den Grundstücken durch Sandablagerungen zufügt, ist er noch insbesondere dadurch schädlich, daß der Grasaufwuchs der überflutet gewesenen Wiesen wegen der giftigen Natur des Sandes nicht mehr als Viehfutter verwendet werden kann. In der neueren Zeit sind jedoch durch Rektifikationen und Eindämmungen des Bachbettes und durch das Verbot der Schüppenwäscherei sowie durch Herstellung besserer Aufbereitungsanstalten und Vorkehrungen zur Befestigung der Sandhalden, wesentliche Verbesserungen eingeführt worden.
Im übrigen dienen sämtliche Gewässer zur Berieselung der an den Ufern aller vielfach vorkommenden Wiesen.
Stehende Gewässer, ausgedehnte Sümpfe und Moräste sind im Kreise nicht mehr vorhanden, seitdem die letzten derselben, der Sinzenicher und der Kalkarer Bruch, ersterer ganz, letzterer größtenteils, drainiert und dadurch in fruchtbares Ackerland verwandelt sind.
3. Klimatische Verhältnisse
Die klimatischen Verhältnisse im ganzen Kreise bieten dem Beobachter keine größeren Verschiedenheiten; wenn auch in den höhergelegenen Teilen der Winter etwas schneereicher als in der Ebene ist, so findet doch kein erheblicher Unterschied in der Jahrestemperatur statt und können in dem ersten Abschnitt des Kreises überall, sofern nicht der Boden selbst hinderlich ist, dieselben Getreide- und Fruchtsorten wie inder Niederung gezogen werden. Dagegen differiert die Zeit der Reife der Früchte in dem gebirgigen Teile gegenüber der Ebene meistens um 8 Tage und nach naßkalten Frühjahren bis zu 14 Tagen. Auch leiden dort die Früchte in solchen Frühjahren häufig an dem sog. Ausheben. Wenn nämlich in nassen Frühjahren häufig Nachtfröste, über Tag aber Tauwetter eintreten, werden die Wurzeln der Früchte ganz oder teilweise bloßgelegt, und es tritt entweder ein vollständiges Absterben oder eine krankhafte Entwicklung ein. Eine zeitige Frühjahrsbestellung und im Spätherbste die allgemein für notwendig erachtete Beackerung vor dem Winter sind zwar überall im ganzen Kreise möglich, jedoch mit dem Unterschiede, daß in dem südlichen Teile des Kreises in feuchten Frühjahren die Bestellung sich bisweilen um 8 bis 14 Tage und noch länger verspätet.
Auch fällt mitunter die Weizenernte in die erste Hälfte des Monats August, um welche Zeit die hier herrschenden heftigen Südwestwinde wehen, wodurch die Ähren gegeneinandergeschlagen werden und viele Körner ausfallen.
Die Bestellung für die Sommersaat beginnt in der Regel in der ersten Hälfte des Monats März.
Die Roggen- und Gerstenernte pflegt in der ersten Hälfte des Monats Juli zu beginnen, die Weizenernte gegen Ende dieses Monats; die Haferernte fällt in die letzte Hälfte des Monats August.
In den höher gelegenen Teilen beginnt die Ernte bezüglich der entsprechenden Früchte um 8, selten um 14 Tage später als in der Ebene. Der erste Schnitt der zweischürigen Wiesen beginnt durchschnittlich gegen Ende des Monats Juni, der zweite Schnitt gegen Mitte des Monats September. Der Schnitt der einschürigen Wiesen findet meistens in der letzen Hälfte des Monats August statt.
Gemarkungen, welche häufig von Gewittern und Hagelwettern zu leiden haben, gibt es im Kreise nicht.
4. Allgemeine
Bodenbeschaffenheit
Der Boden zeigt zwar mancherlei Abwechslungen, trägt jedoch im ganzen Kreise den Charakter des Alluvialbodens, sowohl in den Mulden und Einschnitten der höheren Teile als ausschließlich in den Ebenen; er besteht daher vorwiegend aus Lehm, dessen Güte durch die Beimischungen bedingt wird, die sich gleichzeitig mit ihm abgelagert haben oder allmählich aus den Gebirgen von den Gewässern zugeführt worden sind.
In dem südlichen Abschnitt des Kreises waltet durchgehend der sandig-tonige Lehm (bei Kommern roter Sand), mit Grauwackengerölle und an manchen Stellen mit Quarz vermischt, vor. Seine Unterlage ist meistens Grauwacke oder Kalkstein oder sandiger Ton. In den tieferen Lagen und in den Mulden ist der bestellbare Boden bis zu 18 Zoll mächtig, nimmt aber an Mächtigkeit ab in den höheren Lagen und steileren Abhängen, während dort die Grauwacke und Quarzbeimischungen zunehmen.
Eine Ausnahme hiervon macht zunächst die zwischen Garzheim und Ülpenich gelegene Fläche der Bürgermeisterei Enzen, die mergeligen und in den geringeren Lagen sandigen Lehm bis zu 18 Zoll Mächtigkeit erhält auf einer Meterlage von eisenhaltigem Kies, dem aber westlich und nordwestlich der von Schwerfen an Sinzenich vorbei nach Ülpenich hinziehende Kiesrücken ein Ziel setzt, in dem hier nur lehmig-sandiger Kies sich findet.
Eine fernere Ausnahme macht die in
der Bürgermeisterei Wachendorf von Rheder südlich nach
Weingarten, dann westlich zwischen Bruch und Kalkar, Wachendorf und
Antweiler durchziehende, von hier nördlich an der Zieveler Burg
und Lessenich vorbei bis in die Bürgermeisterei Satzvey sich
erstreckende Talfläche, die mergeligsandigen Lehm von 18 bis 24
Zoll Mächtigkeit auf eisenhaltigem Kies, in den besten Lagen auf
Mergel, in den schlechtesten auf schlecht durchlässigen Ton,
enthält.
Den Veybach sowie den Bleibach begleitet
sandig-toniger Lehm. In der Ebene des zweiten Abschnittes sind
zweierlei Bodengattungen vorherrschend, eine vorzügliche,
bestehend aus mergeligem Lehm oder lehmigem Mergel, beide mit feinem
Sand vermischt, und eine mittelmäßige, häufig sogar
sehr schlechte, bestehend aus lehmig-sandigem Kies oder tonigem Lehm
mit Grauwacke und Quarz.
Beide Bodengattungen sind im ganzen Kreis fast durchgehend schon aus der Beschaffenheit des Terrains zu erkennen; denn da, wie bereits angegeben, die südöstlichen und östlichen Ufer sämtlicher Bäche - mit Ausnahme des den Kreis nur auf sehr kurzer Strecke berührenden Eschweiler Baches - bis tief in die Ebene hinab von angeschwemmten Kiesrücken begleitet werden, die der Ebene ihre wellenförmige Gestalt geben, so erkennt man die beste Bodenformation in den von den westlichen und nordwestlichen Ufern der Bäche ausgehenden sanft emporsteigenden Lagen. Mitunter reicht die bessere Bodengattung bis hoch auf die Anschwellungen an den südöstlichen und östlichen Ufern der Bäche hinauf, und bisweilen erstreckt sich die schlechtere Bodengattung tief in die Fläche hinab. Die letztere gewinnt die größte Ausdehnung auf dem östlichen Ufer des Rotbaches nach seiner Vereinigung mit dem Bleibach, indem sie sich nördlich von Wichterich über den nordöstlichen Teil der Bürgermeisterei Wichterich, den ganzen östlich des Rotbaches gelegenen Teil der Bürgermeisterei Friesheim verbreitet, noch einen östlichen Zweig an der Grenze der Bürgermeisterei Weilerswist entlang in die Bürgermeisterei Liblar hin und einen zweiten in die Bürgermeisterei Lechenich, der zwischen Bliesheim und Ahrem endet, entsendet.
Zwei Hauptlager von mergeligem und sandigem Lehm, größtenteils auf Mergelschichten aufliegend, verbreiten sich über die Ebene. Das eine hat seinen südwestlichen Anfangspunkt in der Bürgermeisterei Sinzenich bei dem Dorfe Merzenich; hier verbreitet es sich über die ganze Ebene von Sinzenich bis Zülpich und - mit wenigen Ausnahmen - östlich den Rotbach als Grenze behaltend, dehnt es sich über die hier liegenden Flächen der Bürgermeistereien Sinzenich, Zülpich, Lövenich, Nemmenich, Wichterich, Erp, Friesheim, Lechenich und Gymnich aus, setzt sich sogar in der Bürgermeisterei Lechenich bei Ahrem auf dem rechten Ufer des Rotbaches fort, zeiht in nordöstlicher Richtung weiter auf Liblar, vereinigt sich auf dieser Strecke mit dem zweiten verwandten, von Euskirchen herkommenden Lager, geht bei Liblar auch noch auf das rechte Ufer der Erft hinüber und begleitet diese noch mit einem schmalen Streifen bis an das nördliche Ende des Kreises.
Euskirchen,
St. Martin (um 1900)
Die westliche und nordwestliche Grenze dieses Lagers ist weniger scharf abgegrenzt, da hier die Formationen des lehmig-sandigen Kieses und des eisenhaltigen sandigen Lehmes auf Kies und sandigem Ton als Untergrund abwechselnd mehr oder weniger hineinragen; anfänglich nordwestlich und nördlich bis Zülpich und Bessenich nur als schmales Land an der dortigen Grenze des Kreises auftretend, gewinnen sie bei Weiler immer größere Ausdehnung, verlieren jedoch, an der Westgrenze der Bürgermeisterei Erp hinziehend, wieder an Breite.
Das zweite ausgedehnte Lager von mergeligem und sandigem Lehm hat seinen Ausgang südwestlich von Euenheim und Elsig von der Grenze des südlichen Kreisabschnittes; südlich, südöstlich und östlich wird dasselbe vom Veybache und der Erft begrenzt, reicht unterhalb Weilerswist an Buschfeld vorbei bis Liblar auf das rechte Ufer der Erft hinüber, wo es aber bald, ebenso wie das erste Lager, an den mit lehmig-sandigem Kies bedeckten Höhen der Ville eine Grenze findet. Dieses Lager erstreckt sich demnach über einen großen Teil der zwischen Veybach, Erft und Blei- und Rotbach gelegenen Bürgermeistereien Frauenberg, Euskirchen, Wichterich, Lommersum, Weilerswist und Liblar; anfänglich nur schmal, verbreitert es sich bedeutend zwischen Euskirchen und Frauenberg, bedeckt fast die ganze westliche Fläche der Bürgermeistereien Lommersum und Weilerswist, wird an der Grenze dieser letzteren in der Bürgermeisterei Liblar nochmals von dort weit hineinreichender Kreisformation eingeengt, dehnt sich aber, immer breiter werdend, wieder über die Fläche aus, bis es sich mit dem ersten Lager vereinigt.
Ein drittes gleiches Lager, aber von geringerer Ausdehnung, findet sich in den östlichen Teilen der Bürgermeisterei Lommersum und Weilerswist jenseits des das östliche Ufer der Erft begeleitenden Kiesrückens, es beginnt südöstlich an der Grenze des Kreises Rheinbach zwischen Bodenheim und Schneppenheim und zieht sich in der Richtung nach Weilerswist hin. An seiner nordöstlichen Grenze und namentlich zwischen Vernich und Metternich wird es jedoch sehr beschränkt, indem hier sandig-toniger Lehm auf Ton- und Kiesunterlage auftritt.
Ein letztes, aber sehr beschränktes Lager von mergeligem Lehm findet sich noch auf dem nordwestlichen Ufer des Bleibaches aus der Bürgermeisterei Enzen herüberstreichend zwischen Ülpenich und Irresheim bis in die Nähe von Wichterich sich ausdehnend. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, daß in diesen Lagern mancherlei Verschiedenheiten in bezug auf die Güte vorkommen, die hier zu erörtern zu weit führen würde.
In den noch übrigen, den Bürgermeistereien Frauenberg und Euskirchen angehörigen, auf dem südlichen Ufer des Veybaches und dem östlichen Ufer der Erft gelegenen Teilen dieses Abschnittes findet sich zunächst des Veybaches 1 ½ bis 2 Fuß tiefer lehmiger Sand auf einem Untergrund von Lehm mit eisenhaltigem Kies. In größerer Entfernung, wo schon die den südlichen Abschnitt begrenzenden Höhen beginnen, herrscht toniger Lehm mit Grauwackengeröll auf steiniger Unterlage vor; in der Fläche jedoch, die auf dem westlichen Ufer der Erft, der Grenze des Kreises Rheinbach entlang und auf dem östlichen Ufer derselben zwischen Erft und dem Kreise Rheinbach liegt, findet sich wieder mergelig-toniger und sandiger Lehm.
Schließlich ist noch zu bemerken, daß in der unmittelbaren Nähe der Bäche innerhalb der von ihnen gebildeten Einschnitte der Boden aus aufgeschwemmten Humosen, mergeligsandigem Lehm besteht, an einigen Stellen abwechselnd mit tonigem Lehm untermischt. Dieser Boden wird vorwiegend zu Wiesenländereien benutzt.
5. Eindeichungen, Ent- und
Bewässerungen, Drainagen
Abgesehen von den ganz unbedeutenden Dammanlagen zur Verhütung von Überschwemmungen am Bleibache finden sich Eindeichungen im Kreise nicht vor.
Gegenwärtig besteht eine Genossenschaft, der die Interessenten der Bürgermeisterei Gymnich beigetreten sind, die zum Zwecke hat, die an der Erft gelegenen Grundstücke gegen Überschwemmungen zu sichern und soviel wie möglich zu ent- und bewässern; die Arbeiten sind schon in Angriff genommen. Der Beitrag, der von den Interessenten jährlich zu zahlen ist, beträgt für den Morgen 1. Klasse 20 Sgr., 2. Klasse 16 Sgr., 3. Klasse 12 Sgr., 4. Klasse 8 Sgr. und 5. Klasse 4 Sgr. (Sgr. = Silbergroschen).
Die Gemeinden Metternich, Weilerswist und Bliesheim haben sich zu einer Genossenschaft vereinigt, die die Regulierung des Swistbaches zum Zwecke hat und haben die Arbeiten schon begonnen. Die Kosten dieser Melioration werden sich auf etwa 10 Tlr. für den Morgen belaufen (Tlr. = Taler).
Im verflossenen Jahr haben sich die Besitzer der in der Gemarkung von Euskirchen am Veybach gelegenen und ebenfalls die Besitzer der in der Bürgermeisterei Lechenich am Rotbach gelegenen Ahremer Wiesen zu Genossenschaften vereinigt; die erstere Genossenschaft umfaßt 390 und die zweite 300 Morgen. Die Arbeiten sind auf Kosten der Genossenschaft ausgeführt worden und betragen bei ersterer für den Morgen 10 Tlr. und bei letzterer 5 Tlr.
Die bedeutenden mit Drainagen verbundene Entwässerung ist die des zwischen Sinzenich und Linzenich auf dem südlichen Ufer des Rotbaches gelegenen Sinzenicher Bruches, die im vorigen Jahre von der Gemeinde als solche ausgeführt worden ist, zwischen 700 bis 800 Tlr. gekostet und gutes Ackerland geliefert hat.
6. Kommunikationsmittel
Der Kreis wird nach allen Richtungen hin von chaussierten Straßen durchschnitten. Es sind vorhanden
Bezirksstraßen
a) die Köln-Trierer
b) die
Köln-Luxemburger
c) die Düren-Euskirchener (Zülpich)
d)
die Neuß-Lechenicher
e) die Bonn-Schleidener
Prämienstraßen
a) von Lechenich nach Düren
b)
von Erp nach Düren
Wege 1. Klasse
a) von Liblar nach Ichendorf
b)
von Rheder nach Kuchenheim
c) von Weilerswist nach Lechenich
d)
von Euskirchen nach Büllesheim
e) von Lechenich nach
Friesheim-Derkum (fertig bis Ahrem)
f) von Liblar nach Blessem
(wird fortgesetzt bis Dirmerzheim)
Wege 2. Klasse
a) von Kalkar über Wachendorf
- Obergartzem nach Ülpenich
b) von Kommern nach Eicks
c)
von Euskirchen nach Frauenberg (wird fortgesetzt bis Siechhaus)
d)
von Metternich nach Weilerswist
e) von Metternich nach Vernich
f)
von Dirmerzheim nach Zieselsmaar
g) von Sinzenich über
Lövenich nach Nemmenich
h) von Dürscheven über
Frauenberg - Wichterich nach Niederberg - im Ausbau begriffen -
Auch die Feldwege sind durchgehends in gutem befahrbaren Zustande.
7. Bevölkerungsverhältnisse
Nach der Volkszählung vom
Jahre 1858 hat der Kreis 34.306 Einwohner, von denen in den beiden
Städten
1. Euskirchen .........3927
2. Zülpich
...............1477
..............................5404
und
auf dem Lande 28902 wohnen.
Im Durchschnitt kommen daher auf die Quadratmeile 5285 Menschen.
Es beschäftigen sich:
|
|
|
|
|
|
|
|
a) |
ausschl. mit Ackerbau |
14.099 |
Menschen |
||||
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Bevölkerung ist also vorwiegend mit Ackerbau beschäftigt; an Handwerkern ist nicht mehr vorhanden, als das Bedürfnis der Bevölkerung erheischt.
Der Handel beschränkt sich fast ausschließlich auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, deren im ganzen Kreise über den Bedarf gezogen werden.
Noch keine Eisenbahn
Da keine Eisenbahn im Kreise vorhanden ist, so findet die Vermittlung des Absatzes auf den zahlreichen Straßen durch Fuhrleute statt, die teilweise im Auftrage größerer Handlungshäuser, teilweise im eigenen Namen, die landwirtschaftlichen Produkte aufkaufen. Letzteres ist namentlich in bezug auf den Weizen der Fall, der größtenteils seinen Weg nach Belgien nimmt, während Roggen und Gerste vorzugsweise nach Köln gehen.
Die Verkehrs- und Absatzverhältnisse sind danach im allgemeinen als günstig zu bezeichnen, namentlich aus dem Grunde, weil die Landwirte nicht genötigt sind, ihre Früchte selbst zu Mark zu fahren. Da jedoch die nächsten größeren Städte - Köln, Bonn und Düren - zu weit entfernt sind, als daß die kleineren Produkte der Landwirtschaft dorthin zu Markt gebracht werden könnten, so werden dieselben, soweit sie nicht von umherziehenden Händlern aufgekauft werden, meistens innerhalb des Kreises selbst verkauft. Auch wirkt die Entfernung von diesen Städten insofern ungünstig, als sich dadurch in schlechten Jahreszeiten die Landwirte mitunter gezwungen sehen, zu billigeren als den Marktpreisen zu verkaufen, und mitunter im Winter die Verbindungen sogar ganz unterbrochen sind.
Nur im südlichen und südwestlichen Teile des Kreises finden die kleineren Produkte der Landwirtschaft durch die große Zahl der beim Bergbau im benachbarten Kreise Schleiden beschäftigten Arbeiter vermehrten Absatz.
Die Industrie beschränkt sich auf die in Euskirchen befindlichen Tuchfabriken und Gerbereien; sie ist daher auf die Landwirtschaft ohne erheblichen Einfluß.
Die bei den Dörfern Virnich und Zieselsmaar (Bürgermeistereien Enzen und Gymnich) gelegenen Braunkohlenlager sind im Abbau begriffen und gewähren etwa 50 Arbeitern lohnenden Verdienst.
Der in der Bürgermeisterei Wachendorf vorfindliche Kalkstein wird in den Gemeinden Weingarten und Wachendorf gebrochen, aber nur als gebrannter Kalk zu Baumaterial und als Düngemittel verwendet.
Eine natürliche Folge der vorbeschriebenen Verhältnisse ist die, daß die Wohlhabenheit der Bewohner in dem nördlichen weit über seinen Bedarf hinaus und vorzugsweise Weizen und Raps produzierenden Teile des Kreises eine größere ist als in dem südlichen, höher gelegenen. Denn während das Veranlagungs-Soll von Klassen und klassifizierter Einkommensteuer für das Jahr 1861 in ersterem überhaupt 24.124 Tlr., mithin bei 27.752 Seelen 26 Sgr. für den Kopf der Bevölkerung beträgt, erreicht dasselbe in letzterem bei einer Bevölkerung von 6.554 Seelen nur die Höhe von 4.526 Tlr. im Ganzen oder 20 Sgr. für den Kopf.
8. Naturerzeugnisse
Aus dem Pflanzenreiche
Weizen, Raps, Roggen, Gerste, Erbsen und Hafer bilden die Haupterzeugnisse der Landwirtschaft; nur in den zunächst dem Kreise Schleiden auf den Eifelgebirgen gelegenen Gemeinden (Eschweiler, Weiler, Rißdorf und Katzfey) wird Raps gar nicht und Weizen nur selten gebaut.
Lechenich:
Am Herriger (Dürener) Tor
Foto: Großer Erftverband
Unter den Hackfrüchten nehmen die Kartoffeln im ganzen Kreisgebiet den ersten Rang ein; sie werden indessen nur soweit gebaut, als der eigene Bedarf und der Betrieb der vorhandenen Branntweinbrennereien erfordert.
Die Kultur der Zuckerrübe findet nur in der Bürgermeisterei Lechenich statt und wird dieselbe dort nur als Viehfutter verwendet.
Heu ist in allen Feldmarken des Kreises, die von Bächen durchschnitten werden, im Überfluß und überall in guter Qualität vorhanden; dasselbe mangelt nur der Bürgermeisterei Erp, wo es durch den Anbau des spanischen Klees ersetzt wird, jedoch wird auch mitunter Luzerner Klee, wie z. B. in der Feldflur von Kommern gezogen.
Gemüse- und Obstbau werden nirgendwo in erheblichem Umfang betrieben und bilden keine besondere Einnahmequelle der Bewohner.
Weinbau wird im ganzen Kreise nicht gepflegt; ebenso wenig werden Handelsgewächse gebaut. Holzungen werden hauptsächlich in dem höher gelegenen südlichen Teil des Kreises und an dem nordöstlichen Rande angetroffen. Sie gehören vorwiegend Gemeinden und Privaten und nur zum geringen Teile dem Staate.
Sie bestehen größtenteils aus Laubhölzern, im südlichen Teile vorwiegend aus Eichenschälwald, im nördlichen aus gemischtem Mittelwald; die im südlichen Teile vorkommenden Nadelholzbestände sind vorzugsweise in den letzten 20 bis 30 Jahren angepflanzt und gehören Teils Gemeinden teils Privaten.
In keinem Teile des Kreises wird das zur Befriedigung des Bedarfs erforderliche Bau- und Brennholz gezogen.
Die 24jährigen Martini-Durchschnittspreise der Halmfrüchte aus den Jahren 1837 bis 1860 sind in der anliegenden Nachweisung zusammengestellt. Der Preis der übrigen Bodenerzeugnisse hat in den letzten 10 Jahren durchschnittlich betragen für
|
|
|
|
|
|
Kartoffel |
der Wispel |
20 Tlr. |
24 Sgr. |
||
Klee hat im Kreise Euskirchen denselben Preis wie gutes Heu |
|||||
|
der Zentner |
|
22 Sgr. |
||
Stroh |
das Schock |
6 Tlr. |
20 Sgr. |
||
|
|
|
|
|
|
Die Preise im ganzen Kreise richten sich lediglich nach dem Markte zu Köln.
Aus dem Tierreiche
Bezüglich der Ernährung des Viehs herrscht im Kreise der Stallfütterung vor, und wo ausnahmsweise das Vieh zu gewissen Jahreszeiten die Weide besucht, geht die Stallfütterung noch nebenher.
Für die Schafe gibt es nur die Stoppelweide, d. h. die Weide auf Stoppel- und Brachfeldern. Die statistischen Aufnahmen des Jahres 1858 haben an Viehzahl ergeben:
|
|
|
|
|
1. In den Städten des Kreises |
||||
a) |
An Pferden über 3 Jahre
alt |
256 |
||
|
|
|
|
|
2. Auf dem platten Lande |
||||
a) |
Pferde über 3 Jahre
alt |
2192 |
||
|
|
|
|
|
Demnach kommen auf die Quadratmeile: |
||||
a) |
Pferde über 3 Jahre
alt |
380 |
||
|
|
|
|
|
3. Auf 5 Köpfe der Bevölkerung einer Familie |
||||
a) |
Pferde über 3 Jahre
alt |
0,36 |
||
|
|
|
|
|
Die Pferde gehören größtenteils der niederländischen Rasse an; eine Züchtung derselben findet nur in vereinzelten Fälle und meist nur auf größeren Gütern statt.
Ein 5- bis 6 jähriges Arbeitspferd hat im gemeinen Verkehr immer Wert von 150 bis 250 Tlr.
Beim Rindvieh wird jetzt fast durchgängig die durch Kreuzung einheimischer Kühe mit holländischen Stieren gezüchtete Rasse vorgefunden; nur in dem südlichsten und südwestlichen Teile des Kreises kommt noch die kleine sog. Eifeler Rasse vor, aber auch schon veredelt durch Kreuzung mit holländischen Stieren.
Eine Kuh der ersteren Rasse erreicht in nicht seltenem Zustande ein Lebendgewicht von 400 bis 600 Pfund, während die der anderen Rasse selten 400 Pfund übersteigen.
In Brennereien sowohl als auch in eigenen größeren Wirtschaften wird Vieh auf die Mast gestellt und erreichen Kühe in fettem Zustande ein Gewicht von 600 bis 700 Pfund, die Ochsen ein Gewicht von 800 bis 900 Pfund. De Preis für 100 Pfund stellte sich in den Jahren 1857/61, in welchen der Durchschnittspreis einer Kuh von 500 Pfund Gewicht 75 Tlr. betrug, auf 12. Tlr. 15 Sgr.
Ein Kalb von 6 Monaten kostet 18
bis 20 Tlr.; bei der Schafzucht das einzelne Schaf 4 ½ Tlr,
Hammel 6 Tlr.
Wolle die 100 Pfd. 50 bis 65 Tlr.
Milch das Quart
1 ½ Sgr.
Butter 8 Sgr. das Pfund.
Käse wird im
Kreise nicht für den Verkauf gemacht.
Aus dem Mineralreiche
An Produkten aus dem Mineralreiche finden sich außer Braunkohle und Kalkstein Eisenerz und Bleierz.
Die Braunkohlengruben sowohl wie die Kalköfen haben einen nicht unbedeutenden Absatz. Bleierz wird nur ihn der Nähe von Kommern im Kreise gefunden; das vielfach im südlichen Teil des Kreises verbreitete Eisenerz wird jedoch gegenwärtig nicht gewonnen, da es beim Mangel einer Eisenbahn nicht mehr mit Vorteil versendet werden kann und dem Verhütter die teuren Preise der entfernt herbeizuholenden Steinkohlen entgegenstehen.
9. Verteilung des Bodens
Im ganzen Kreise ist der Grundbesitz mit Ausnahme von fünf Fideikommissen (unteilbares Erbgut) gehörigen Gütern ungebunden durchweg geteilt und in der Hand des einzelnen von nicht bedeutendem Umfange. Nach den statistischen Aufnahmen des Jahres 1858 sind im Kreise vorhanden:
an Besitzungen |
|
|
|
|
---|---|---|---|---|
a) |
Von 600 Morgen und darüber |
14 |
||
|
|
Summe aller Besitzungen |
10.884 |
|
|
|
|
|
|
Von den verschiedenen Kulturarten sind ungefähr zu rechnen:
auf Ackerland |
68 % |
|
|
|
|
Die Wohn- und Wirtschaftsgebäude liegen - mit wenigen Ausnahmen - in geschlossenen Ortschaften zusammen. Die Größe der einzelnen Gemarkungen ist sehr verschieden; sie variiert zwischen 470 Morgen in der Gemeinde Kalkar und 8.913 Morgen in der Gemeinde Euskirchen. Hierdurch gestalten sich dann auch die durchschnittlichen Entfernungen der Grundstücke von den Wirtschaftsgehöften sehr verschieden, wie denn auch in einzelnen Gemeinden, z. B. Erp, Lechenich und Euskirchen, Entfernungen einzelner Grundstücke von den Gehöften bis zu 700, ja 900 und mehr Ruthen (3,75 m) vorkommen.
10. Bewirtschaftungsweise
Im ganzen Kreis herrscht das Früchtewechselsystem vor. Die Dreifelderwirtschaft kommt nur noch in den in dem südlichsten Teile auf den äußersten Höhen gelegenen Gemeinden Eschweiler und Weiler und z. T. in Rißdorf vor und selbst dort nicht mehr ganz regelmäßig.
In der Fruchtfolge selbst und in der Zahl der aufeinanderfolgenden Saaten herrscht eine große Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit. In den besten Bodenklassen gilt die Brache nur als Ausnahme, und sie tritt höchstens im 8. oder 9. Jahre ein, wenn das Überhandnehmen des Unkrauts sie nötig macht; bei den weniger regelhaltigen Bodenklassen ist im 5. oder 6. Jahr die Brache üblich. Für die geringeren Bodenklassen wird im ganzen Kreise die Brache fürs 3. oder 4. Jahr je nach Bedürfnis beibehalten. Die Dreifelderwirtschaft gilt nur für die schlechtesten Bodenqualität.
Fruchtfolgen
Die Fruchtfolge in den besten Bodenklassen gestaltet sich folgendermaßen (Brache ausnahmsweise)
1. Gerste
2. Roggen
3.
Klee
4. Weizen
5. Roggen
6. Hafer
7. Kartoffeln
Bisweilen beginnt man mit Raps, läßt dann Weizen, Roggen, Klee, Weizen und Hafer folgen; häufig werden nah zwei Halmfrüchten Erbsen oder Kartoffeln eingeschaltet.
Im südlichen Teile des Kreises ergibt sich für die besten Bodenklassen folgend Fruchtfolge:
1. Raps
2. Weizen
3.
Roggen
4. Klee
5. Weizen
6. Hafer
und für die mittlere Bodenklasse
1. Weizen
2. Roggen
3. Klee
4. Hafer
für die schlechteste
Bodenklasse:
Weizen, Roggen oder Hafer
und dann wieder Brache.
Es gibt jedoch bei diesen Fruchtfolgen überall vielfache Abwechslungen und nach ganz lokalen Umständen eintretende Modalitäten.
Der Ertrag der Hauptbodenerzeugnisse variiert im Vergleiche zum besten und schlechtesten Teile des Kreises bei
Weizen zwischen |
6 bis 15 |
Scheffel |
||
|
|
|
|
|
Im ganzen Kreise ist die Stallfütterung eingeführt, da auch in den Gemeinden, wo der Weidgang noch stattfindet, die Stallfütterung noch nebenhergeht.
Wasserburg
Kirspenich
W. Loos
Weidgang
Die Gemeinden, in denen noch Weidgang stattfindet, sind:
Liblar: 15 Morgen Wiesen, die im Frühjahr bis zum 23. April und im Herbste nach der Heuernte beweidet werden.
Kierdorf: 120 Morgen Benutzung wie a).
Gymnich und Dirmerzheim: ersteres hat einen Wiesenkomplex von 1054 und letzteres von 536 Morgen. Hier werden die Wiesen in zwei ungefähr gleiche Abteilungen geteilt; eine Abteilung wird vom 1. Mai bis zum 24. Juni beweidet; von da ab bleibt dieselbe verschont und erhalten die Eigentümer der Wiesen als Herbstgras. In der anderen Abteilung beginnt der Weidgang am 1. Juli, nachdem die Wieseneigentümer das Heu eingescheuert haben, und dauert bis zum Winter. Die Herde in Gymnich hat 600, die in Dirmerzheim 240 Stück.
Schwerfen: etwa 120 Morgen werden im Frühjahr bis zum 1. Mai und im Herbst nach der Heuernte beweidet.
Wachendorf: 140 Morgen Ödung, werden vom Frühjahr bis Herbst beweidet; jedoch ist die Gemeinde mit Umschaffung dieser Fläche in Ackerland befaßt.
Kalkar, Lessenich und Weiler: Flächen von 86, 38 und 240 Morgen, wie a d e)
Nemmenich: hier wird die Herde auf ein Gemeindegrundstück von etwa 50 Morgen getrieben
Landarbeiter
Die landwirtschaftlichen Handarbeiten werden, soweit sie nicht, wie dies in den kleineren Wirtschaften der Fall, die Familie selbst versieht, von Gesinde und Tagelöhnern besorgt, welche letztere zu den Arbeitgebern meistens in keinem bindenden Verhältnis stehen.
Die gewöhnlichen Dienstlohnsätze in der Landwirtschaft betragen neben freier Wohnung und Kost:
für einen Knecht |
20 bis 35 Tlr. |
|
|
|
|
Bei dem üblichen Tagelohne macht sich ein Unterschied im Kreise geltend, indem derselbe im nördlichen Teile des Kreises tiefer steht als im südlichen und südwestlichen Teile und in der Nähe der Stadt Euskirchen. Es wird diese veranlaßt durch den in der Nähe von Kommern (bei Mechernich) betriebenen bedeutenden Bergbau, der durch die dort gewährten hohen Schichtlöhne und den großen Verdiensten aus Akkordarbeiten die kräftigsten Männer der Landwirtschaft entzieht. In Euskirchen wirkt in gleicher Weise - wenn auch nicht so umfangreich - die dortige Industrie.
Der übliche Tagelohn im Kreise beträgt - außer Beköstigung -
I. In der Ernte bei 12stündiger Arbeit: |
|||||
a) |
für einen
Mäharbeitstag |
12 bis |
40 Sgr. |
||
Die höheren Sätze gelten für Euskirchen und die dem Bleiberge benachbarten Distrikte. |
|||||
II. Außer der Erntezeit in den Sommermonaten bei 12stündiger Arbeit |
|||||
a) |
für Männer |
10 bis |
16 Sgr. |
||
Bezüglich der höheren Sätze wie ad I. |
|||||
III. Im Winter - 1. November bis 1. April - bei 10 stündiger Arbeit |
|||||
a) |
für Männer |
7 bis |
15 Sgr. |
||
Bezüglich der höheren Sätze wie ad I. |
|||||
|
|
|
|
|
|
Zugvieh
Als Zugvieh werden meistens Pferde verwendet; nur die kleinsten Besitzer wirtschaften mit Ochsen, bisweilen auch mit Kühen. Das Fahren geschieht zweispännig und einspännig; nur in den größeren Wirtschaften des südlichen Kreisabschnittes werden der Terrainschwierigkeiten wegen in der Ernte und beim Ausfahren des Düngers 3 Pferde verwendet. Das Pflügen geschieht in der Regel mit zwei Pferden, in kleineren Wirtschaften mit einem Pferd oder einem Ochsen oder einer Kuh; das Eggen geschieht ganz wie das Pflügen.
Durchschnittlich wird auf 25 Morgen ein Pferd gehalten, in den größeren Wirtschaften auf je 30 Morgen. Die Kosten der Gespanne sind in der Ebene ebenfalls geringer als in dem südlichen Kreisabschnitt, da dort die Pferde nicht so großen Anstrengungen ausgesetzt sind und daher weniger Futter, namentlich Hafer, bedürfen und auch die Abnutzung von Geschirren und Hufeisen geringer ist.
Sie stellen sich bei einem Gespann mit denen des Führers:
mit 2 Pferden |
auf 500 bis 550 Tlr. |
Als Düngemittel kommen die gewöhnlichen, aus der Landwirtschaft gewonnenen, zur Verwendung, doch ist auch die Anwendung der künstlichen Düngemittel: Guano, Kalk und Gips selbst in dem besten Boden sehr verbreitet.
Das Sammeln von Waldstreu in Gemeinden- und Privatwaldungen ist nicht gestattet. Es wird nur in Ausnahmefällen den ärmeren Klassen der Bewohner der an das Königl. Forstrevier Ville anstoßenden Ortschaften auf besonders zu erteilende Scheine hin erlaubt.
Wiesen und Hütungen
Die Wiesen liegen hauptsächlich an den Ufern der Gewässer und sind daher größtenteils der Bewässerung fähig. Dieselbe geschieht fast durchgängig ohne Kunstbau, lediglich durch Fortführen des zugeleiteten Wassers durch Gräben von den höhergelegenen Teilen der Wiesen nach den tieferen, Verbreitung derselben mittels einfacher Furchen und Einlegung von Rasenstücken oder kleiner hölzerner Schleusen von sehr einfacher Konstruktion. Die Besitzer der an der Erft gelegenen Wiesen sind bezüglich der Bewässerung im Interesse der Mühlen einem Reglement unterworfen, wonach nur zu bestimmten Zeiten und in festgesetzter Reihenfolge von Strecke zu Strecke bewässert werden darf. Zwischen den Wiesen- und Mühlenbesitzern am Rotbache besteht ein die Benutzung des Wassers in gegenseitigem Interesse regulierender Brauch. Die Wiesen liefern einen nahrhaften Grasaufwuchs, der wenigstens in zwei Schnitten gewonnen wird und 25 bis 35 Ztr. Heu auf den Morgen ergibt. Die hierin stattfindenden Verschiedenheiten der Wiesen in einigen Gemeinden ergeben sich aus der angeführten Benutzung zum Weidgang.
Saure Wiesen kommen nur noch höchst vereinzelt vor.
Beständige Hütungen in größerer Ausdehnung finden sich nicht mehr vor und sind die noch vorhandenen letzten Reste derselben durch teilweise Neuschaffung in Ackerland, die noch immer fortgesetzt wird, schon so beschränkt, daß von einer Ernährung des Viehs durch dieselben nicht mehr die Rede sein kann.
Forsten
Bezüglich der Privatwaldungen ist nur zu bemerken, daß die im südlichen Kreisabschnitte seit langer Zeit bestehende Kultur der Eichenschälwaldungen ihren Grund in den in Euskirchen, Münstereifel und Stotzheim bestehenden, den vorteilhaften Absatz der Lohrinde begünstigenden Gerbereien hat. In neuerer Zeit haben sowohl Privatbesitzer wie Gemeinden begonnen, Kieferschonungen anzulegen.
11. Handel mit Grundstücken
Der Handel mit Grundstücken ist im ganzen Kreise ein sehr reger. Die bei weitem überwiegende Zahl aller Verkäufe betrifft Parzellen, wobei der sich ergebende Kaufpreis ein sehr hoher und in der Mehrzahl der Fälle höher als der wirkliche Ertrag wert ist. Der Grund dieser Erscheinung liegt zunächst in dem Streben der fast durchgängig mit Landwirtschaft befaßten Bewohner des Kreises, ihre erworbenen Kapitalien wieder in Grund und Boden als der nächsten und sichersten Verwendungsart anzulegen, dann aber auch in der aus der großen Zahl der Parzellen hervorgehenden Konkurrenz der benachbarten Eigentümer.
Die Verpachtung kleinerer Flächen ergibt ebenfalls meistens sehr hohe, oft ganz übertriebene Preise; dieselben beruhen vorwiegend darin, daß gerade die besitzlosen Klassen durch Verpachtung in den Besitz des einen oder anderen Grundstückes zu gelangen suchen, um daraus den Bedarf an Kartoffeln und Gemüse für die Haushaltung zu erzielen, und repräsentiert ihr Gewinn eigentlich nur ihre Arbeitsrente, zu welcher besonders der Tagelöhner, kleine Handwerker, seine Freistunden verwertet.
Ein ferner Grund ist der, daß die kleinen, ein Pferd haltenden Grundbesitzer Felder pachten, um hinreichende Beschäftigung für dasselbe und überflüssiges Stroh zur Düngung der eigenen Ländereien zu gewinnen.
Die Kaufpreise der Parzellen sind im ganzen Kreise in jedem einzelnen Fall so variierend, derart von dem lokalen Bedürfnis bedingt, von den Zeitverhältnissen, den Fruchtpreisen, selbst dem gewährten Zahlungstermin und dem Umstand, ob andere Verkäufe kurz vorhergegangen, abhängig, daß sich auch nicht einmal annäherungsweise ein allgemein gültiger Durchschnittspreis angeben läßt.
Bei den Parzellar-Verpachtungen kann man für den zweiten Kreisabschnitt 8 bis 15 Tlr. für den Morgen als durchschnittlichen Pachtpreis, je nachdem das Grundstück einer besseren oder einer schlechteren Bodenklasse angehört, annehmen.
In dem südlichen Teile des Kreises variieren die Preise bei Parzellar-Verpachtungen zwischen 3 bis 8 Tlr.
Die Pachtpreise mittlerer und größerer Güter übersteigen nirgendwo 2 ½ bis 3 ½ Prozent des Kaufkapitals.
Haus Wachendorf, den 9. August 1861
gez. Schroeder
Kreis-Commissar
----------------------------------
Anmerkungen:
Brache: Unter Brachland stellt man sich heute Land vor, das nicht bepflanzt wird und keine Frucht trägt. Zur Zeit der Brache ließ man den Acker ohne Saat liegen, wobei der Boden sich neu an Nährstoffen bereichern und Zeit für seine Bearbeitung und Düngung gewonnen werden sollte.
Dreifelderwirtschaft: Bei der reinen Dreifelderwirtschaft ist das gesamte Ackerland in drei Felder geteilt (auch Schläge oder Zelgen genannt). Von diesen drei Schlägen wurde abwechselnd einer mit Sommergetreide, der zweite mit Wintergetreide bebaut, während der dritte brach lag bzw. als Weide benutzt wurde.
Hufe: Altes Maß für Acker und Wald. Die alte kölnische Hufe maß 60, die trierische Hufe dagegen nur 15 Morgen. Die Waldhufe hatte das doppelte Ausmaß der Landhufe.
Fuß: Eine der ältesten Arten der Vermessung war die nach Schritten und Füßen oder Schuhen. Im Jahre 1816 wurde in Preußen der Rheinländische Fuß = 0,314m amtlich eingeführt.
Malter: Das Wort Malter kommt von mahlen und bezeichnet schließlich die Menge Korn, die man auf einmal zum Mahlen gab. Ein Malter Korn war etwa gleich zwei Zentnern. Es bewegte sich um etwa 12 Scheffel.
Morgen: Für Feldmaße wurde oft der Umfang einer bestimmten Arbeitsleistung zu Grunde gelegt. Was man an einem Morgen, also zwischen Sonnenaufgang und Mittag beackern konnte, war ein Morgen. Es war eine fränkische Sitte, daß nur am Morgen gepflügt wurde. Das Maß des Morgens war ortsweise recht verschieden. Es gab einen rheinischen Morgen und einen Moselmorgen. Die Größe des Kölner Morgen betrug z. B. 224 Quadratruten, die des Klever Morgen jedoch nur 208 Quadratruten, und im Jülichschen galt vielfach der Lütticher Morgen, der nur 156 Quadratruten maß. Die Rheinische Rute maß 3.77 m.
Scheffel: Das übliche Trockenmaß für Getreide bis in die 1870er Jahre. Im allgemeinen rechnete man den Scheffel zu 50 Liter.
Wispel: Ein früher viel gebrauchtes Hohlmaß für Getreide und Kartoffeln; war meist doppelt so groß wie der Malter. Der Wispel galt bis Ende 1871 als gesetzliches Getreidemaß.
Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1969
© Copyright
wisoveg.de 2003
©
Copyright 2003
Kreisarchiv
Zu
den Euskirchener Wisoveg-Seiten
Zur
Homepage