Radioastronomische Forschung konzentriert sich im Landkreis Euskirchen

Von Paul Elbern

Seit über einem Jahrzehnt grüßt von der Bergkuppe des Stockert bei Eschweiler auf dem Berge unweit von Bad Münstereifel das seltsame Gebilde des Radioteleskops weit ins Land. Im Oktober 1967 begann in einem abgeschiedenen Seitental bei Effelsberg, hart an der Grenze des Landes Rheinland-Pfalz, der Bau des zweiten Radioteleskops, das nach der Versicherung des künftigen Hausherrn auf mindestens drei Jahre hinaus das größte schwenk- und kippbare Radioteleskop der Welt sein wird. Wenn der längst fertig vorliegende Zeitplan eingehalten wird, kann mit der Eröffnung des Superteleskops mit seinen 100 Meter Radius im Spätherbst 1969 gerechnet werden.

Man stelle sich in luftiger Höhe von 90 m über dem Erdboden eine überdimensionale Obstschale, aus Leichtmetallgeflecht bestehend vor, in der ein ausgewachsener, normaler Fußballplatz bequem Platz fände. Über diese Schale hinaus ragt noch 10 m höher die Meßkabine. Das ganze Gebilde wiegt 2800 Tonnen und kostet 22 Millionen DM, die teils von der Stiftung Volkswagenwerk und teils vom Land Nordrhein-Westfalen aufgebracht werden. Bauherr ist das Max-Planck-Institut, das den Bauauftrag inzwischen an eine Arbeitsgemeinschaft aus den Firmen Krupp und MAN vergeben hat. Unter dem Vertragsentwurf findet man auch den weltbekannten Namen des Generalbevollmächtigten der Firma Krupp, Bertold Beitz.

Ehe man sich auf den Standort bei Holzem-Effelsberg festlegte, wurden 30 für das Projekt angebotene Grundstücke auf ihre Brauchbarkeit hin geprüft. Warum man sich gerade für diesen Standort entschied, dafür war die Überlegung maßgeblich, daß mit diesem kostspieligen Instrument nicht wieder das gleiche geschehen soll wie bei seinem ungleich kleineren Bruder auf dem Stockert mit seinem 25-m-Spiegel. Einige Jahre nach dessen Bau nämlich wurde im Billiger Wald eine Raketenabwehrstellung gebaut. Ihre Radarstation stört nun ständig die Forschungen der Wissenschaftler auf dem Stockert, und das kann unter Umständen zu schwerwiegenden Fehlmessungen führen.

Diese Begründung gab der künftige Hausherr, Prof. Dr. Otto Hachenberg vom radioastronomischen Institut der Universität Bonn bei einer Gemeindevertretersitzung in Effelsbergs Schule am 1. Juni 1967. In seiner anschaulichen Art, über die Probleme abstrakter Wissenschaft zu sprechen, erklärte er den Ratsherren auch noch, daß man mit dem neuen 100-m-Parabolspiegel, dessen beide Elektromotoren von je 300 PS vier Minuten benötigen, um die 2.800 Tonnen einmal um ihre eigene Achse rotieren oder aus der Senkrechten in die Waagerechte kippen zu lassen, um 100 mal weiter in den Weltenraum werde vorstoßen können als mit dem Teleskop auf dem Stockert und daß man damit Forschungen betreiben könne in einer Zeit, die acht Millionen Lichtjahre zurückliege, eine Zahl, die man sich mit irdischen Maßstäben nicht mehr vorstellen kann.

Alle beteiligten Stellen haben sich nun auf folgenden Zeitplan geeinigt: Die Bauarbeiten beginnen im Herbst 1967 mit dem Ausbau des Wegenetzes. (Das geschah genau termingerecht.) Die anfallenden Erdmassen werden auf der Talsohle aufgeschüttet und befestigt. Noch vor Einsetzen der schlechten Witterung soll dann mit dem Gießen der Fundamente begonnen werden, die die genannten 2.800 Tonnen tragen werden. Gelingt das, dann müssen die Betonfundamente bis zum Frühjahr 1968 ruhen. Erst dann können die Firmen Krupp und MAN mit der Montage der Aufbauten beginnen, was etwa ein Jahr in Anspruch nehmen wird. Für den Spätherbst 1969 schließlich rechnet man mit der Aufnahme der Forschungsarbeit, an der sich, wie der Bonner Radioastronom versicherte, auch ausländische Kollegen beteiligen können.


Das Modell des größten Radioteleskops der Welt, das bei Effelsberg im Bau ist.


Als Vergleich dazu eine Nachtaufnahme des Radioteleskops auf dem Stockert. Deutlich ist der Unterschied in der Konstruktion der beiden Radioteleskope sichtbar

Verständlich, daß man bei dieser Konzentration radioastronomischer Forschungsstellen im Landkreis Euskirchen den Verdacht in sich aufkommen spürt, es täten sich da militärisch wichtige Dinge, die im Falle eines Ost-West-Konfliktes die übelsten Folgen für die gesamte, weiteste Umgebung haben könnten. Solche Befürchtungen sind jedoch völlig unbegründet. Radioteleskope dienen rein wissenschaftlichen Zwecken und sind in ihrer Bewegungsmöglichkeit zur Ortung von Raketen viel zu schwerfällig.

Das hindert jedoch nicht, daß sie in der Weltraumfahrt wertvolle Dienste leisten könne. Im Herbst 1967 beispielsweise haben sowjetische Forschungsstellen das bis jetzt noch größte europäische Radioteleskop bei Jodrell Banks in England um Hilfestellung bei der Verfolgung ihrer Venussonde angegangen und sie auch bereitwillig erhalten. Das hat aber mit Radar im üblichen Sinne oder sonstigen militärischen Dingen nicht das Geringste zu tun.

Um nun zu erklären, welche Forschungsaufgaben die Radioteleskope im Kreis Euskirchen haben, brauchte man viele Seiten eines Buches von der Dicke einer mittleren Broschüre. An dieser Stelle darüber nur soviel, daß die Radioastronomie im Effekt - neben der optischen Astronomie mit ihren Riesenfernrohren - ein zweites Fenster ins Weltall aufgestoßen hat, durch das man noch dort forschen kann, wo die herkömmliche Astronomie aufhören muß. Allerdings hat sie auch andere Untersuchungsobjekte, beispielsweise die Spiralnebel des Weltalls, die Quasare, Herkunft und Art von Radiostrahlung bisher unbekannter Himmelsobjekte zu untersuchen, und das in Entfernungen, die einfach unvorstellbar groß sind.


Prof. Dr. Otto Hachenberg, Direktor des radioastronomischen Instituts der Bonner Universität, erläutert das Funktionieren des neuen 100m-Radioteleskops.

Wenn Prof. Dr. Hachenberg die Prognose stellte, das Radioteleskop bei Effelsberg werde auf mindestens drei Jahre hinaus das größte der Welt sein, dann war das noch äußerst bescheiden ausgedrückt. Die Techniker bezweifeln nämlich, daß überhaupt es jemals möglich sein wird, noch größere Spiegel zu bauen, die jetzt geplante Konstruktion liege schon nahe an der äußersten Grenze.

Mit welcher unfaßbaren Präzision gearbeitet werden muß, kann man aus folgender Forderung ablesen, das das Max-Planck-Institut an die Herstellerfirmen des Spiegels stellte: Trotz des großen Spiegeldurchmessers und des enormen Gewichtes darf die maximale Abweichung von der sog. „idealen“ Paraboloidfläche nicht mehr als 1,5 Millimeter betragen.

Als 1957 das Radioteleskop auf dem Stockert eingeweiht wurde, sagte Staatssekretär Prof. Dr. Leo Brandt aus Düsseldorf, die deutsche Wissenschaft müsse sich beeilen, den in rasender Geschwindigkeit dahinfahrenden D-Zug der internationalen Forschung zu besteigen. Demgegenüber stellte Prof. Dr. Hachenberg jetzt fest: „Wir haben am Bonner radioastronomischen Institut mittlerweile einen gewissen Vorsprung vor unseren ausländischen Kollegen gewonnen, den es zu halten und auszubauen gilt. Dazu aber brauchen wir ein größeres, leistungsfähigeres Instrument, das wir vom Max-Planck-Institut mit dem 100-m-Spiegel jetzt in die Hand bekommen.“

Fotos: P. Elbern

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1968

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