Die Braunkohle zwischen Rhein und Rur

Von Bernhard Peter Schreiber


Von alters her heizte man nur mit Holz. Die Bewohner des Euskirchener Landes konnten bis in die geschichtliche Zeit hinein mühelos ihren Brennstoffbedarf aus der Eifel decke. Selbst die in unserem Lande einst lebenden Römer machten es damals nicht anders. Sie holten sich das Brennholz, das sie hauptsächlich für ihre „Zentralheizungen“ benutzten, aus den Wäldern der Eifel und Ville. Der griechische Philosoph Theophrastus, ein Schüler Aristoteles, erwähnte schon im Jahre 290 vor Christus die Braunkohle. Von der Steinkohle erfuhr man jedoch viel später aus England und zwar im Jahre 853. Im Jahre 1113 begannen die Mönche des Klosters Klosterroda im Herzogtum Limburg mit dem Abbau der Steinkohle. Durch Kaufbriefe wissen wir, daß im Jahre 1302 Steinkohlenlager zum ersten Male in unserem weltbekannten Ruhrgebiet Erwähnung fanden. Die Saarkohle wurde noch viel später, nämlich erst im Jahre 1429 durch Urkunden bekannt. Mit dem eigentlichen Bergbau begann man jedoch erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts - ungefähr nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges. Nach der Erfindung der Watt'schen Dampfmaschine im Jahre 1769 stellte sich dann auch planmäßiges Suchen und Forschen nach Kohlen- und Eisenvorkommen ein. Der Verwendungsbereich der Kohle wurde in den folgenden Jahrhunderten immer umfassender. Sie wurde nun die Grundlage zahlreicher alter und neuer Industrien.


Verbreitung braunkohlenzeitlicher Ablagerungen in der Kölner Bucht. Im Untergrund ist das Tertiär weit verbreitet. Es tritt nur an wenigen Stellen unmittelbar oder unter geringer quartiärer Bedeckung an die Oberfläche.
Zeichnung: B. P. Schreiber

Deutschland besitzt drei große Braunkohlegebiete: das Rheinland westlich Köln, die Lausitz und Mitteldeutschland zwischen Altenburg und Braunschweig. Unsere Kölner Braunkohlen bildeten sich etwa vor rund 30 Millionen Jahren. Diese Zeit wird die Braunkohlenzeit oder auch Tertiärzeit genannt. Der Mensch existierte zu der damaligen Zeit noch nicht. Die Säugetierfauna würde uns heute sehr fremdartig erscheinen. Nur die Pflanzen und niederen Tiere sind uns vertrauter. Die Palmen und Krokodile, die man als Versteinerungen bei Frechen aufgefunden hat, passen nicht in unser heutiges Landschaftsbild.


Sumpfmoor der Braunkohlenzeit. Nach einem im Krieg vernichteten Gemälde aus dem Kölner Stapelhaus
Foto: Rhein-Braun

Die Braunkohle finden wir heute in 10 bis 20 Meter mächtigem Flöz, das bei Köln eine Mächtigkeit von sogar 100 Meter erreicht hat. Leider überdecken eiszeitliche Ablagerungen, Flußschottern des Rheines, der Mosel und vieler Nebenbäche, das Tertiär. Daher tritt es nicht überall an die Erdoberfläche. Bild 1 zeigt uns wo heute noch die Braunkohle an die Erdoberfläche tritt, oder wo sie in der Tiefe vorhanden ist. In unserem Kreisgebiet ziehen sich die Braunkohlen fast ganz unter den eiszeitlichen Ablagerungen, den Flußschottern und dem Löß dahin. Unter Lechenich findet man in einer Tiefe von ca. 300 Meter das Villeflöz wieder. In südwestlicher Richtung steigen die Braunkohlenflöze treppenförmig nach oben an und kommen an der Ville und bei Zülpich nahe an die Erdoberfläche. Auf der anderen Rheinseite finden wir auch noch Braunkohle, jedoch ist sie dort in großen Tiefen abgesunken.

Wenn wir uns einmal ein Braunkohlenflöz aus der Nähe betrachten, so stellen wir deutlich erkennbare Pflanzenreste und vor allem kohlige Holzstückchen fest. An den Abbauwänden sind oft ganze Baumstämme oder mächtige Baumstubben zu finden. Dies alles hat sich einmal aus einem Sumpfmoor gebildet. Diese Umbildung begann etwa vor 60 Millionen Jahren, als Land und Meer noch völlig anders verteilt waren als heute. Da, wo heute die Alpen hervorragen, wogte vielfach noch ein südlich warmes Meer. Auch unsere Nordsee hatte andere Küsten als heute. Der damalige Meeresstrand lag zeitweise zwischen Köln und Düsseldorf. An diesen Meeresstrand des Nordmeeres schloß sich nach Süden ein weites Sumpfgebiet an. Die südliche Begrenzung des Sumpfgebietes bilden heute etwa die Städte Aachen, Zülpich, Euskirchen und Bergisch-Gladbach. Das Hauptsumpfgebiet muß aber im Vorgebirge und inder Erftniederung gelegen haben. Heute erklärt man sich die Entstehung der Braunkohlenflöze dadurch, daß das Sumpfgebiet ständig in der Tiefe absank und sich Torfschichten ausbildeten. Dabei durften aber die Absenkungsgeschwindigkeiten nicht größer als die Wachstumsgeschwindigkeiten des Torfes sein. Ging aber die Absenkung einmal schnelle voran als der Torfwuchs, so ertrank der Sumpf und ein See entstand. Sand und Schlamm konnte sich nun ablagern, so daß wir heute über den Flözen Schieferton und Sandstein finden. Diese Vorgänge haben sich mehrfach wiederholt. Der ursprünglich lockere Torf wurde mit wachsender Absenkung immer stärker zusammengepreßt, so daß einem 100 Meter mächtigem Flöz etwa eine 300 Meter mächtige Torfschicht entspricht. Anhand der Entstehungsgeschwindigkeit des Torfes können wir heute die Absenkungsgeschwindigkeit des damaligen Sumpfes abschätzen. Sie mag bei etwa 0,5 mm im Jahr gewesen sein.


Erinnerung an Liblars Braunkohle
Foto: Kreisbildarchiv

Die Braunkohlen haben uns nur noch wenige bestimmbare Pflanzenreste erhalten. Nur der mikroskopisch sehr kleine, aber erstaunlich erhaltungsfähige Blütenstaub oder Pollen verrät uns das Vorhandensein von Bäumen, Sträuchern und Kräutern. In ca. 50 Gramm Trockensubstanz Braunkohle finden wir mehr als 15.000 Pollen wieder. Diese Untersuchungen haben uns gezeigt, daß der damalige Braunkohlenwald ein ganz anderes Aussehen hatte als unser heutiger rheinischer Wald. Der riesige Mammutbaum war im Tertiär weit verbreitet. Hinzu kamen noch die heute in den wärmeren Gegenden vorhandenen Bäume, wie Palmen, Zimtbäume, Lorbeerbäume und Farne. Auch fehlten nicht die uns noch heute wohlbekannten Bäume, wie Kiefern, Buchen, Ahorn und eine große Anzahl von Laubbäumen. Bild 2 zeit uns eine Rekonstruktion des Sumpfwaldes der Braunkohlenzeit.

Von der Tierwelt ist wenig übrig geblieben. Die sauren Humuswässer haben die Knochensubstanz verendeter Tiere vollständig aufgelöst, so daß von ihnen keine Spur mehr übrig blieb. Haben aber Kalkwässer diese Humussäuren neutralisiert, so liefern die Braunkohlen auch Fossilfunde.


Vergangene Tage: Klüttenherstellung in Liblar
Foto: Kreisbildarchiv

Bis um 1800 waren nur die Ablagerungen an den Hängen des Villerückens bekannt. Die Braunkohle, die man oft nur für den Eigenbedarf benutzte, wurde dort im primitiven Tagebau abgebaut. Erst in den siebziger Jahren begann man die Braunkohle nach anderen Orten, z.B. nach Köln, abzusetzen. Für den Verkauf mußte die Kohle in eine handliche Form gebracht werden. Im nassen Zustand mischte man sie mit Lehm und Kalk und trocknete sie zu sogenannten Klütten. Erst im Jahre 1877 begann man bei der Roddergrube A. G. Mit Hilfe von zwei Dampfbrikettpressen den Betrieb zu mechanisieren. Dies war wohl ein gewaltiger Aufschwung für die Braunkohle und Brikettindustrie, aber der Konkurrenzdruck war in den ersten Jahren durch die Steinkohle noch recht groß. Nach dem Bekanntwerden der Braunkohle an den Hängen des Villerückens stieß man bei Erzbohrungen in der Nähe von Virnich im Kreis Euskirchen im Jahre 1820 durch Zufall auf Braunkohle. Der Kommerner Bergwerksunternehmer Alfred Abels führte damals diese Bohrungen aus. Noch im Sommer 1829 fand er unter der damaligen Gemeindeviehweide von Juntersdorf ein 8 Meter mächtiges Braunkohleflöz. Andere Unternehmungslustige wurden durch die Abel'schen Erfolge ermuntert und begannen dann auch nach Braunkohle zu suchen. So auch Hermann Josef Hall aus Zülpich. Bei Füssenich fand er die Kohle und erhielt daraufhin am 8. Februar 1832 das Feld „Prosepina“.

Als gegen Ende 1840 Herr Abels anfing westlich und nördlich von Euskirchen zu bohren, sahen sich auch einige Gutsbesitzer veranlaßt, das Gelände südlich von Euskirchen nach Kohle abzusuchen. Im Jahre 1852 wurden dann zwischen dem Euskirchener Stadtwald und der Billiger Straße gelegene Fluren Dölkenbroich und Weiße Erde zwei Schächte und ein Zechenhaus errichtet. Das nur 4 Meter mächtige Flöz war stark verunreinigt, sodaß der Erlös nicht groß war. Der Grubenbetrieb war damals noch recht primitiv. So mußte die Kohle und das Grubenwasser mit Haspeln in Kübeln zu Tage gefördert werden. Nach einem etwa sechsjährigen Betrieb wurden die Förderung eingestellt und die Schächte aufgefüllt. Nur das Zechenhaus blieb noch übrig, das man zu einer Wohnung umbaute. Es erhielt dann die Hausnummer Euskirchen 180.


Braunkohle. Neuaufschluß zwischen Ülpenich und Zülpich der Victor Rolff Kommanditgesellschaft
Foto: Victor Rolff KG

Bevor nun die technische Nutzung der Braunkohle einsetzte, mußten noch zwei wichtige technische Probleme gelöst werden. Es waren die Erzeugung und die Übertragung elektrischer Energie in große Entfernungen. So gelang es im August des Jahres 1884 auf der Grube Brühl einen Gleichstrom-Dynamo in Betrieb zu nehmen, der mit einem durch Braunkohlen gefeuerten Lokomobil angetrieben wurde. Man konnte damit 60 Glühbirnen und 3 Bogenlampen aufleuchten lassen. Etwa 7 Jahre später, am 25. August 1891, war es dann zum ersten Male gelungen, elektrische Energie über große Entfernungen zu übertragen. Dieses Experiment gelang in Frankfurt am Main. Man versorgte die damalige Gewerbeausstellung mit elektrischer Energie, welche man in den 170 km entfernten Lauffen am Neckar mittels Turbogeneratoren erzeugte.

Diese beiden Ereignisse formten nun das gesamte Wirtschaftsleben Deutschlands, ja sogar der ganzen Welt, um. Während zunächst die Steinkohle die Erzeugungsgrundlage der Elektrizität war, verlegte man sich etwa 10 Jahre später auf die weitaus billigere rheinische Braunkohle. Daher entstand im Revier im Jahre 1912 in Knapsack bei Köln das Goldenberg-Werk. Bereits im Jahre 1919 wurde es zum größten Braunkohlen-Dampfkraftwerk Europas ausgebaut. Zur Deckung des ständig wachsenden Strombedarfs entstanden immer neue Braunkohlenkraftwerke. Mit der wachsenden Braunkohlenförderung gingen eines Tages auch die ungewöhnlich guten Braunkohlenlagerstätten zur Neige. Daher mußten den nun ausgehenden Tagebaubetrieben neue Aufschlüsse folgen. Bild 5 zeigt den Neuaufschluß Zülpich Süd der Victor Rolff Kommanditgesellschaft. Da der Strombedarf ziemlich stetig ansteigt, sind auch neue Kraftwerke erforderlich.


Im heutigen Liblar, an der Amtsverwaltung
Foto: P. Fischer

In 10 Jahren werden wir etwa den doppelten Strombedarf haben wie heute. Da uns wirtschaftlich nutzbare Wasserkräfte nicht zur Verfügung stehen, müssen weiter neue Stein- und Braunkohlenkraftwerke gebaut werden. Von der heute im Bundesgebiet erzeugten elektrischen Leistung von ca. 40 Millionen KW entfallen etwa 90 % auf Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke. Nur der geringe Rest von 10 % wird in Wasserkraftwerken gewonnen. Als weiterer Energielieferant kommt in absehbarer Zeit die Kernenergie hinzu, die zweifellos eine große Zukunft in der Energiebedarfsdeckung haben wird. Fachleute schätzen den notwendigen Strombedarf im Jahre 1980 sogar auf etwa 100 bis 110 Millionen KW, also weit mehr als den doppelten Strombedarf von heute. Die Kernkraftwerke können bis dahin erst nur 1/3 dieses Energiebedarfes decken. Den größten Bedarf müssen weiterhin die Stein- und Braunkohlenkraftwerke aufbringen. Daher wird die Kernenergie den heutigen Energieträger Kohle nicht bedrohen. Beide Energieträger werden sich in Zukunft in willkommener Weise ergänzen.

(Für die Überlassung der Bilder möchte ich Herrn Dr. Freisburger, Pressestelle Braunkohle, und Herrn Moltrecht, Victor Rolff K.G., besonderen Dank aussprechen.)

Literaturangabe:

Form der Technik, Metz Verlag Zürich, 1966
Revier und Werk, Zeitschrift des Vereins Rheinischer Braunkohlenbergwerke e.V. Köln, 1966, Heft 84 u. 86.
VDI-Nachrichten Nr. 37, 14. Sept. 1966 - Kernenergie wird konkurrenzfähig.
Kölner Geologische Hefte, Heft 3 - Das Rheinland zur Braunkohlenzeit.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1968

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