Karl Schurz und Amerika

Von Dr. F. B. Irvin
Kulturattaché der amerikanischen Botschaft in der Bundesrepublik
(Zur Eröffnung der Carl-Schurz-Ausstellung am 16. Mai 1966 in Liblar)


Kulturattaché Dr. Irvin und Unv. Prof. Dr. Braubach vor der Büste von Carl Schurz

Es ist mir eine Ehre und Freunde, anläßlich der Carl-Schurz-Gedenkstunde einige Worte zu Ihnen sprechen zu dürfen. Ich bin besonders dankbar für Ihre Einladung, die mir gleichzeitig die Gelegenheit gibt, die Geburtsstätte dieses bekanntesten Deutschamerikaners des 19. Jahrhunderts kennenzulernen.

„Ich finde, daß die Frage der Freiheit, wenn auch noch so verschieden in der Form, doch im Wesen überall dieselbe ist“, schreib Carl Schurz am 25. März 1855 an Gottfried Kinkel. Nichts, glaube ich, kennzeichnet diesen Mann besser, der vom deutschen Einwanderer zum amerikanischen Staatsmann wurde und in unseren beiden Ländern zum Symbol der Freiheit, Standhaftigkeit, Unerschrockenheit und Tatkraft wurde.


Carl Schurz als Bonner Student

Vielleicht steckte gerade in dieser Tatkraft etwas von dem Erbe des Großvaters, über dessen höchst eigenwillige patriarchalische Autorität in Liblar als „Burghalfen“ (Pächter) dieses Schlosses ich mit Vergnügen gelesen habe. Blicken wir zurück auf die wechselvollen Jahre um 1848, so werden die damaligen Zeitgenossen die Ereignisse als nicht weniger turbulent empfunden haben als wir heute, und es mag noch jetzt seltsam anmuten, daß ein Professor der Bonner Universität, Gottfried Kinkel, vor dem Rathaus seiner Stadt mit Studenten und Anhängern für Freiheit und Unabhängigkeit der Bürger seines Landes zu demonstrieren begann. Andererseits ist dies für die heutige amerikanische Jugend ein sehr sinnfälliges Beispiel, denn Carl Schurz hat sich später auch in Amerika mit großer Eindringlichkeit für jene Rechte eingesetzt, für die in diesen Tagen junge Menschen an vielen Universitäten wieder demonstrieren.


Carl Schurz als Innenminister der Vereinigten Staaten

Es scheint mir aufschlußreich für die Persönlichkeit von Carl Schurz, daß er bei allem Mut und Idealismus einen ausgeprägten Sinn für die Realitäten hatte, und daß es seinem Temperament nicht entsprach, nach seiner Flucht den endlosen Debatten in Kreisen der Flüchtlinge in London zuzuhören, die Kinkel und ihn freundlich aufgenommen hatten. Er sah keine Hoffnung für seine Ideen im damaligen Deutschland und entschied sich daher zur Auswanderung in die Vereinigten Staaten. Es waren jene Jahre, in denen Amerika zum großen Einwandererland geworden war, und viele Deutsche siedelten sich beispielsweise in Baltimore, Cincinnati, St. Louis und Milwaukee an. Auch Carl Schurz blieb im Staat Wisconsin, studierte Rechtswissenschaften und nahm bald am politischen Leben teil, das damals voller Krisen steckte.

Er schrieb an seinen Freund Kinkel: „Wie fremd ist eigentlich die Lebensphäre, in der ich mich bewege, jener, für welche ich mich meine ganze Jugend hindurch vorbereitet habe, und doch, wie leicht findet man sich hinein, wenn man erst einmal die Lust des Schaffens und Gedeihens genossen hat. Das ist der eigentliche Reiz, der in dem hiesigen Leben liegt, und den man nur schwer demjenigen, welcher ihn nicht hat praktisch kennen lernen, verständlich machen kann. Es ist sonderbar, wie man hier schnell lernt, lernt ohne zu studieren, und wie man, wenn man einige Zeit in dieser Luft gelebt hat, plötzlich mit Dingen umzugehen weiß, um die man sich eigentlich nie bekümmert hat. Und hier öffnet sich uns ein Blick in die wahre Fruchtbarkeit der politischen Freiheit.“


Landrat Blaß begrüßt amerikanische Gäste

In Amerika hatten sich damals zwei völlig verschiedene Gesellschaftsstrukturen entwickelt; im Süden basierte eine Agrargesellschaft auf Sklaverei, während man im Norden durch die technische Entwicklung auf Wandel und Aufstieg ausgerichtet war. Über die Frage der Sklaverei entzündete sich ein leidenschaftlicher Kampf. In den Spannungen dieser 50er Jahre wurde unter Mitwirkung von Carl Schurz die neue Republikanische Partei gegründet und Abraham Lincoln die Führung anvertraut.

Carl Schurz warb in deutscher und englischer Sprache um Stimmen für seine Kandidaten und dessen maßvolle aber zielstrebige Politik. Lincoln dankte Schurz mit der Ernennung zum Gesandten in Madrid im Jahre 1861; das war neun Jahre, nachdem er in die Vereinigten Staaten eingewandert war. Doch es entsprach nicht seinem Wesen, einen ruhigen Diplomatenposten zu bekleiden, während Lincoln sich zu einem erbarmungslosen Krieg gezwungen sah, um - wie er später sagte - „die Unzerstörbarkeit des amerikanischen Gemeinwesens zu erweisen, und den Charakter der Freiheit und der Demokratie an die Zukunft weiterzugeben, daß die Herrschaft des Volkes durch das Volk und für das Volk nicht von der Erde verschwinde.“

Schurz hatte sich inzwischen mit militärischen Studien befaßt, bat um seine Rückversetzung und nahm als Brigadegeneral der Unionsarmee am Sezessionskrieg teil. Unmittelbar nach dem Krieg entsandte Präsident Johnson Carl Schurz in den Süden, um über die dortige Lage zu berichten. Schurz empfahl, nur solche Staaten in die Union aufzunehmen, die den Negern das Wahlrecht garantierten.

In den folgenden Jahren war er als Journalist und Herausgeber verschiedener Zeitungen tätig. Aber die Politik ließ ihn nicht los. Nach einem harten Wahlkampf wurde er im Jahre 1868 zum Bundessenator für den Staat Missouri. Hier nun, möchte ich sagen, schließt sich der Kreis, und es wird Sie gerade anläßlich Ihres 150jährigen Jubiläums des Landkreises Euskirchen interessieren, daß Carl Schurz al überzeugter Verfechter einer guten Selbstverwaltung als Grundlage einer jeden Demokratie, seine ganze Kraft in seinem Amt als Senator für eine Beamtenreform und Reformen in der Verwaltung einsetzte. Einer apathischen Öffentlichkeit gegenüber erforderte diese Aufgabe die Überzeugungskraft und Ausdauer seines ganzen weiteren Lebens. Bis zu seinem Tod im Jahre 1906 war er Präsident der National Civil Service Reform League.


Bei der Eröffnung der Carl-Schurz-Ausstellung im Schloß Gracht

Während der sechs Jahre im Senat stieg die Anerkennung und Bewunderung für diesen unerschrockenen und integren Politiker ständig, und als Rutherford B. Hayer im Jahre 1877 Präsident der Vereinigten Staaten wurde, ernannte er Carl Schurz zum Innenminister. Damit erlangte er die höchste Position, die ein im Ausland geborener Amerikaner erringen kann. Sein roter Bart und seine hagere Gestalt, sowie seine Vorliebe, suspekten Dingen und Mißständen auf den Grund zu gehen, wurden zur beliebten Zielscheibe zeitgenössischer Karikaturen. Einige Bilder Ihrer Ausstellung haben ja die Atmosphäre der damaligen Zeit eingefangen. Neben seinen Bemühungen um die Verbesserung des öffentlichen Dienstes war sicher eines seiner größten Verdienste während seiner Amtszeit als Innenminister, daß er sich für die Erhaltung und Pflege der Naturschönheiten und Schätze des Landes einsetzte. Er gab den Anstoß für die großartigen Nationalparks, die heute in allen Teilen der USA unter dem Schutz der Bundesregierung stehen.

Wie oft mögen seine Gedanken nach hier gegangen sein? Gewiß sind die Impulse, die er hier und an der Bonner Universität empfangen hat, entscheidend gewesen für einen Menschen, der sich in allen Entscheidungen des Lebens nur seinem Gewissen verantwortlich fühlte.

Darf ich nochmals zum Ausdruck bringen, wie dankbar ich bin, daß ich dieser Gedenkstunde beiwohnen darf, um einen großen Liblarer Bürger zu ehren, der in unseren beiden Ländern zum Symbol der Freiheit wurde.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1967

Fotos: S. Rick

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