Carl Schurz

Geb. 1929 in Liblar - gest. 1906 in Tarrytown (New York)

Von Karl Otermann

Mit diesem Beitrag setzen wir die in den Heimatkalendern 1960 und 1962 begonnene Reihe über Carl Schurz fort. Mehr und mehr wollen wir die bisherigen Forschungsergebnisse zusammentragen, um eines Tages unseren Heimatfreunden ein geschlossenes Werk „Carl Schurz“ vorlegen zu können. Für jede Mithilfe aus familiengeschichtlicher Überlieferung sind wir dankbar. Inzwischen ist auch der Öffentlichkeit bekannt geworden, daß der Kreis mithelfen wird, im alten Schloß Gracht, das nun in amerikanische Hand übergegangen ist, ein Carl-Schurz-Museum einzurichten.

Durch einen glücklichen Zufall besitzt nun auch die „Kreisheimatbücherei des Landkreises Euskirchen“ eines der ganz selten gewordenen Exemplare der Anklageschrift gegen rheinische Freiheitskämpfer der Jahre 1848/49. Die Prozeßakten sind datiert: „Cöln, den 28. Dez. 1849“ und „Cöln, den 19. Januar 1850“. Der Titel der 1886 in Bonn beim Verleger P. Hanstein erschienenen kleinen Schrift heißt: Der Zug der Freischärler unter Kinkel, Schurz und Annecke behufs Plünderung des Zeughauses in Siegburg im Mai 1849. Im Vorwort schrieb der Verleger 1885: „Unter mehreren von mir erworbenen Manuskripten und Aktenstücken aus der rheinischen Geschichte befand sich auch Nachfolgendes, dessen Inhalt ich hiermit durch den Druck veröffentliche, weil es eine Sache behandelt, die noch vielen Mitbürgern erinnerlich ist, deßgleichen in dem Prozesse Personen wie Kinkel und Schurz verwickelt waren, deren Namen später berühmt wurden.“

Carl Schurz, der große Sohn Liblars und des Kreises Euskirchen, war bereits mit 19 Jahren politischer Führer einer Bonner Studentengruppe. In glühender Begeisterung bekannte er sich zu den demokratischen Ideen der vierziger Jahre und fand in dem liberalen Universitätsprofessor Gottfried Kinkel seinen geistigen und politischen Mentor und Freund. So half Carl Schurz ihm bei der Redaktion der demokratischen „Bonner Zeitung“, er schloß sich ihm bei der revolutionären Bewegung in Siegburg an, er kämpfte als junger Offizier bei den Revolutionstruppen in Baden und in der Pfalz, er beteiligte sich an der Verteidigung von Rastatt. Nachdem dann aber alle demokratisch revolutionären Unternehmungen mißlungen waren, wurde auch Carl Schurz steckbrieflich von der preußischen Regierung gesucht. Aber schließlich kehrte er aus der Schweiz, wo er mit vielen Revolutionären Zuflucht gefunden hatte, nach Deutschland zurück (als „Heribert Jüssen“, dem Familiennamen seiner Mutter), um dann im November 1850 unter tollstem Abenteuer seinen verehrten Lehrer und Freund Gottfried Kinkel aus der Festung Spandau zu befreien. Der Fluchtweg führte zunächst nach England. Von dort aus gelangte Carl Schurz nach Amerika, damals noch das Land unbegrenzter Möglichkeiten. Für die kommenden Jahrzehnte sollte Carl Schurz den demokratischen Weg Amerikas entscheidend mitbestimmen.



Mit dem Jahre 1849 war der politisch-revolutionäre Aufbruch des rheinischen Liberalismus zerschlagen. „Die Demokratie galt von jetzt ab in Preußen als verfehmt. „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten!“ (Geschichte des Rheinlandes, Bonn 1922, Bd. I, S. 331.) Wieder einmal und noch einmal für lange Zeit hatte die Reaktion gesiegt. Aus dieser Situation heraus sind Form und Inhalt der Anklage und der Anklageschrift gegen die rheinischen „Freischärler“ von 1848/49 zu verstehen. Dazu folgende Auszüge aus obiger Schrift:

„Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden, König von Preußen & etc. Thun kund und fügen hiermit zu wissen, daß der Rheinische Appellationsgerichtshof zu Cöln folgende Entscheidung erlassen hat: In Untersuchungssachen wider:

  1. Gottfried Kinkel, 34 Jahre alt, geboren zu Obercassel, früher Professor an der Universität zu Bonn, jetzt Sträfling im Zuchthause zu Naugart;

  2. Friedrich Annecke, 31 Jahre alt, Lieutnant a. D., geboren zu Dortmund, zuletzt in Cöln wohnhaft, flüchtig;

  3. Peter Joseph Gerhards, 32 Jahre alt, früher Spezereihändler, zuletzt Schreiber, geboren und zuletzt in Bonn wohnhaft, flüchtig;

  4. Anselm Ungar, 45 Jahre alt, Kaufmann, geboren und wohnhaft zu Bonn;

  5. Friedrich Kamm, 44 Jahre alt, Schenkwirth, geboren zu Worms und zuletzt in Bonn wohnhaft, flüchtig;

  6. Carl Schurz, 20 Jahre alt, Student, geboren zu Liblar und zuletzt in Bonn wohnhaft, flüchtig;

  7. Ludwig Meyer, 22 Jahre alt, Student, geboren zu Bielefeld, wohnhaft in Bonn;

  8. Johann Bühl, 40 Jahre alt, Fuhrmann, geboren zu Düsseldorf, wohnhaft zu Bonn;

  9. Mathias Werner Rings, zuletzt zu Siegburg wohnhaft, flüchtig;

  10. Franz Joseph Klinker, Tabacksfabrikant, zuletzt in Bonn wohnhaft, flüchtig;

  11. Anton Maximilian Toups, 38 Jahre alt, Schneider, zuletzt in Bonn wohnhaft;

  12. Franz Fleischmann, 29 Jahre alt, Schreiner, geboren und wohnhaft zu Bonn;

  13. Leopold Ungar, 18 Jahre alt, Kaufmann, geboren und wohnhaft zu Bonn; ...“

Den Genannten wurde zur Last gelegt, „den Beschluß verabredet und gefaßt zu haben, die verfassungsmäßige Regierung umzustürzen, die Bewohner des Staats zur Bewaffnung gegen die Königl. Autorität aufzureizen sowie ... sich des öffentlichen Zeughauses zu Siegburg zu bemächtigen und daraus die Waffen zu plündern, eine bewaffnete Bande ausgehoben und organisiert zu haben.“

Gottfried Kinkel, Anselm Ungar, Friedrich Kamm und Carl Schurz waren zusätzlich des Verbrechens gegen Art. 96 alin. des Str.G.B. angeklagt: „Im Mai 1849 durch Reden an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Versammlungen die Bürger oder Einwohner des Staates unmittelbar mit Erfolg angereizt zu haben.“

Die am 19. Januar 1850 beim Königlich Rheinischen Appellations-Gerichtshofe in Köln abgeschlossene Anklageschrift gegen die genannten „Freischärler“ stellt einleitend die politische Lage im Mai 1894 dar: „Im Mai des vor. Jahres waren im deutschen Vaterlande die politischen Leidenschaften noch einmal aufs heftigste entbrannt ... In Dresden wurde gekämpft, die Pfalz war im Aufstand, in Baden stand der Aufstand bevor ... In Elberfeld, Düsseldorf, Iserlohn brach der offene Aufruhr aus ... Auch die Universitätsstadt Bonn blieb von dieser politischen Aufregung nicht frei. Hier machte besonders der Angeklagte Professor Kinkel seit längerer Zeit schon den Agitator durch Wort und Schrift. Er leitet den dortigen demokratischen Verein, der seine zahlreichen Filial-Vereine in der Umgebung hatte; er redigirte die im radikalsten Sinne geschriebene „Bonner Zeitung“. Freitag, den 11. Mai wurde morgens das Bonner Publikum durch die Nachricht überrascht, daß die Bonner Demokraten, Kinkel an der Spitze, in der Nacht ausgezogen seien, das Siegburger Zeughaus zu stürmen, daß sie von einem Trupp nacheilender Dragoner aber auseinandergestäubt worden seien.“

Der Anklageschrift ist zu entnehmen, daß „der größte Theil der Bande“ (darunter Kinkel) nicht bis Siegburg gekommen waren. Carl Schurz hingegen war am 11. Mai in Siegburg aufgetreten. Die dortigen Demokraten waren sehr aktiv gewesen und harrten nur noch des Signales. „An verschiedenen Orten wurden die Sturmglocken geläutet und in Folge davon lagerten den ganzen Tag hindurch Tausende bewaffnet und unbewaffnet um Siegburg herum. Einzeln und auch Truppenweise gingen sie auch wohl in die Stadt um Erkundigungen einzuziehen, hielten sich aber ruhig, weil es hier ruhig blieb.“

In der Charakterisierung der Hauptpersonen jenes Unternehmens lesen wir über Carl Schurz: „Er war ebenfalls Mitglied des Directoriums und war nicht minder eifrig im Verbreiten demokratischer Grundsätze auf den umliegenden Dörfern, wie er dann noch am Sonntag, den 6. Mai, zu Neunkirchen aus dem Fenster des Heider'schen Wirthshauses zu den Bauern redete.“

Wir finden dann Carl Schurz bei den demokratischen Freiheitskämpfern in Baden und in der Pfalz. Als dann die Festung Rastatt von den siegreichen preußischen Truppen eingeschlossen war, gehörte auch Carl Schurz zu denen, die keine Gnade zu erwarten hatten, denen das Standgericht gewiß war. Aus der eingeschlossenen Festung Rastatt schrieb er seinen Eltern den Abschiedsbrief: „Ich wußte, daß mein Leben voll von Stürmen und Gefahren sein würde, weil ich zu stolz war, ihnen auszuweichen - nur hatte ich mir vorgestellt, daß ich untergehen werde als ein Mann, dessen Erinnerung ein reiches Leben voll bedeutender Taten umschließt. Ich habe mich mit Resignation zu waffnen versucht gegen jedes Unglück; aber den Gedanken, mit meiner Kraft nur wenig ausgerichtet zu haben, diesen Gedanken zu überwinden, wird mir schwer ...“ Doch Carl Schurz entkam. Während die aufständischen Truppen kapitulieren mußten, hatte er von einem unterirdischen Kanal gehört, der aus dem Stadtinnern unter den Festungswällen her in Freie führe. Der Ausbruch gelang. Über den Rheinstrom erreichte er französischen Boden, dann die Schweiz - Carl Schurz hatte die Freiheit gewonnen.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1963

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