Im Gedenken an Jean Spessart † 1961

Von Hubert Lückerath

Am 27. März 1886 wurde Jean Spessart als Sohn der Eheleute Jakob Spessart und Anna Gelhausen in Euskirchen geboren. Sein Vater betrieb mit seinem Bruder Richard in der Annaturmstraße eine für die damalige Zeit schon recht gute mechanisierte Bau- und Möbelschreinerei. Das Geburtshaus Jean Spessarts stand da, wo jetzt die Drogerie Thelen sich befindet; es wurde im letzten Kriege zerstört.


Jean Spessart starb am 14. März 1961, wenige Tage vor Vollendung seines 75. Lebensjahres

Die Familie Spessart war eine recht angesehene Handwerkerfamilie, und die Firma Gebrüder Spessart war bekannt für besonders gute Qualitätsarbeit. Die Großmutter von Jean, genannt die „alte Speß“, ist sehr alt geworden; sie war stadtbekannt und jahrzehntelang der gute Hausgeist im damaligen Hotel Pohe in der Vuvenstraße Nr. 1. Nach Namen und Forschung, die die Spessarts betrieben haben, stammt die Familie aus dem Dorfe Spessart in der Eifel.

Jean Spessart verlebte eine sorglose Jugend im Elternhaus. Acht Jahre lang besuchte er die Westschule in Euskirchen, er war ein aufgeschlossener, immer zu Witzen und Streichen aufgelegter Junge, alles andere als ein Stubenhocker. Seinen Lehrern Habrich, Peters Thomé und Krayer hat er stets Freude bereitet.


Kirchplatz von St. Martin mit Haus Rombey

Das Foto wurde uns freundlicherweise von Frau Magdalena Joist geb. Sieb (Landmaschinen, Kessenicher Straße) zur Verfügung gestellt. Der Vater von Frau Joist hatte 1884 im Hause Rombey eine Maschinenreparaturwerkstatt eröffnet. Rechts neben der Straßenlaterne steht die Großmutter von Jean Spessart. Das Bild nahm Franz Gissinger am 16. September 1909 auf, einen Tag vor Abbruch des Hauses Rombey. (Es war also nicht schon 1903 abgebrochen worden, wie man bisher annahm.)

Als Altersgenosse war ich mit ihm und seinem Bruder Jakob, der vor einigen Jahren als pensionierter Studienrat und bekannter Eifelforscher in Sinzig gestorben ist, eng befreundet. Ja, unsere Väter waren Jugendfreunde.

Schon in früher Jugend übte sich Jean im Zeichnen und Malen, wo sich auch nur eine Gelegenheit bot. Wenn auch in dieser Zeit der Zeichenunterricht in der Volksschule nicht im heutigen Sinne gehandhabt wurde, wo hatten die Lehrer bei diesem Lehrfach ein Auge auf Spessart geworfen, sie hatten immer ein Lob für ihn bereit.

Zum Namenstag der Lehrer war es üblich, einen Glückwunsch an die große Tafel zu schreiben und die Schrift mit allerhand Schnörkeln und sonstigem Beiwerk zu versehen. Diese besorgte Jean Spessart schon in frühen Jahren für alle Klassen der Westschule. Diese Malereien, wie wir Jungen sie nannten, wurden von Jahr zu Jahr vollkommener. Neben dem Spruch: „Vivat! Vivat! Teurer Lehrer!“ zeigte die Tafel schon bald Blumen und Blätter, ja später sogar Einzelheiten, wenn auch noch bescheiden, aus Alt-Euskirchen, oft in bunten Farben.

Nach Beendigung der Volksschulzeit hat Spessart sich mit eisernem Fleiß aufs Malen und Zeichnen gestürzt und sich auf der damaligen Kunstgewerbeschule in Köln weitergebildet.


Kahlenturm - Jean Spessart
(Original des Gemäldes von 1912 im Besitz der Druckerei Flach)

Schon der Vater Spessart war als Schreinergeselle, wie es früher üblich war, auf Wanderschaft gegangen. Er hatte fast den ganzen Kontinent bereist. Diese Ader hatte auch Jean im Blut, und so ging er später ebenfalls hinaus in die Welt, wodurch er sein Können immer mehr erweiterte.

Bereits auf der Ausstellung für Handwerk und Gewerbe auf dem früheren Tivoli in Euskirchen, kurz nach 1900, hatte Spessart Arbeiten ausgestellt, die Anklang fanden. Desgleichen zeigte er seine Arbeiten auf einer gleichartigen Ausstellung auf dem jetzigen städtischen Bauhof (1913) und auf der Ausstellung anläßlich der Jahrtausendfeier der Rheinlande (1925) in der alten Berufsschule am Klosterplätzchen.

Einen besonderen Förderer fand Spessart in dem bereits verstorbenen Euskirchener Tuchfabrikanten Toni Ruhr, dem er viel zu verdanken hat. Im Auftrage des Herr Ruhr hat Jean mehrere Bilder gemalt. Selbst als Ruhr später seinen Wohnsitz an den Ammersee verlegte, war Spessart oft monatelang sein Gast, um Bilder der dortigen Gegend zu malen.


Pitschentürmchen (ursprünglich Blankenheimer Turm) bestand bis 1944 (Jean Spessart)

Schon in früher Jugend hat sich Jean Spessart mit der Heimatgeschichte befaßt. Auch das lag ihm vom Vater her im Blut. In der Nähe von St. Martin, zwischen den alten Wällen und Türmen des westlichen Stadtteils aufgewachsen, hatten es ihm diese Altertümer und Winkel besonders angetan, und das war wohl auch der Grund, warum er diese Baulichkeiten meist als seine Motive auswählte. Jean hat sie aber nicht nur gezeichnet und gemalt, sondern er befaßte sich auch mit der Geschichte seiner Motive, und man kann sagen, daß er sie wohl kannte.

Wer von den alten Euskirchenern kennt nicht die Zeichnungen vom 1879 bereits niedergelegten Annaturm, der in der Annaturmstraße da stand, wo heute die Treppe zur Kirche hoch geht, dem Pitschentürmchen mit dem früher daraufstehenden Wohnhaus? Allbekannt sind auch die Partien aus der Eulengasse (heute Spiegel- und Mittelstraße), an den Wällen und in der Mühlbach- und Klosterstraße.

Aus Spessarts Hand stammen auch manche Ölbilder, Partien an der Erft, von St. Martin, Burg Kirspenich, Burg Kessenich sowie das Dampfkarussel des Alexander Bayam, der früher vom Euskirchener Kirmesmarkt nicht fortzudenken war und mit dem Jean Spessart zeitlebens eine herzliche Freundschaft verband.

Wo stecken alle diese Zeichnungen und Bilder? Vieles ist durch den Krieg zerstört worden. Ein großer Teil ist im Bd. 1 „650 Jahre Stadt Euskirchen“ wiedergegeben worden, und doch steckt bestimmt noch eine ganze Reihe in der Bevölkerung. Letztere festzustellen und zu sichern, wäre eine dankbare Aufgabe der zuständigen Stellen.

Im Besitz der Stadt Euskirchen sind: Burg Kirspenich, St. Martin und das Dampfkarussell, im Besitz des Metzgermeisters jean Lückerath der Fliederstrauß und eine Federzeichnung des Marktes um 1870, als an der linken Seite noch keine Häuser standen.

Jean Spessart ist mit seiner Kunst kein reicher Mann geworden, er hat weder Geld noch Erzeugnisse seiner Arbeit hinterlassen, aber er ist als ein zufriedener Mann gestorben. Die noch im Kriege in seinem Besitz befindlichen Bilder gingen bei seiner Evakuierung nach Mitteldeutschland verloren.

Trotzdem war unser Künstler stets ein zufriedener Mensch, der seinen Humor nie verloren hat, auch nicht in schlechten Tagen, deren in seinem Leben mehr waren als gute. Jean hing nicht an irdischen Gütern.

Selbst in den letzten Jahren seines Lebens, als sein Augenlicht immer mehr bis zur völligen Blindheit erlosch, blieb er zufrieden.

In dieser für ihn besonders harten Zeit verließen ihn seine alten Freunde nie. Sie besuchten ihn zu einem Plauderstündchen, und sie sorgten mit für sein leibliches Wohl.

Die Stadtverwaltung Euskirchen nahm sich seiner liebevoll an, nicht zuletzt dafür, daß er nach der Kriegszerstörung der Stadt im Verein mit der Stadtverwaltung und den Organen der Denkmalpflege mit dafür sorgte, daß manches durch Bomben in Gefahr gekommene Kulturgut durch Restaurierung gerettet und der Nachwelt erhalten werden konnte.

Mit Jean Spessart ging ein Stück Alt-Euskirchens dahin. Alle, die den „Ühlemoler“ gekannt haben, werden seiner gedenken. Er war unser Maler.


Alter Markt um 1870 (Jean Spessart)

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1962

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