150 Jahre Tuchfabrik Jacob Koenen in Kuchenheim

Von Clemens Frhr. v. Fürstenberg

Am 14. Dezember 1959 schloß Carl Koenen, Senior-Chef der „Tuch- und Kleiderfabrik Jacob Koenen GmbH“ in Kuchenheim und einziger Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde, im Alter von 87 Jahren für immer die Augen. Es war ihm noch vergönnt gewesen, im Jahr zuvor das 150-jährige Bestehen des von ihm seit 1887 maßgeblich geleiteten Unternehmens zu erleben, ein Jubiläum, das in mehr als einer Weise bemerkenswert war und deshalb auch an dieser Stelle eine Würdigung erfahren darf. Hatte sich doch der Betrieb Koenen nicht nur aus bescheidenen Anfängen zu einer Firma mit europäischen Beziehungen emporgearbeitet, er war auch in ununterbrochener Folge im Besitz einer Unternehmerfamilie geblieben und durch die fachlichen und kaufmännischen Fähigkeiten ihrer Generationen groß geworden.

Anderthalb Jahrhunderte sind eine lange Zeit, sie reichen aus, um unsere Welt grundlegend zu wandeln. So spannt der Zeitabschnitt von 1808 bis 1958 eine Brücke von den Tagen Napoleons, der Kontinentalsperre und den Anfängen primitiver Mechanik bis in die Gegenwart mit Atomkraft, Vollmechanisierung und Europäischer Wirtschaftsgemeinschaft. Nehmen wir anläßlich des Koenen-Jubiläums die Geschichte der Firma zu Hand, dann sehen wir, wie sich die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre im wechselvollen Werdegang des Kuchenheimer Unternehmens widerspiegelt.


Carl Koenen (†1959)

Nicht umsonst ließen wir den Weg des 150jährigen Zeitgeschehens bei Napoleon beginnen. Stellte doch der Franzosenkaiser und Beherrscher auch des linken Rheinufers durch seine Verwaltung 1810 dem „Marchand des draps“ (Tuchhändler) Anton Koenen aus Kuchenheim einen Reisepass aus, der sich noch im Archiv der Familie befindet. Kurz zuvor, es war im Jahre 1808, hatte dieser Ahn und Gründer des heutigen Großunternehmens im Nebengebäude des alten Domhofes an der Bachstraße das Weben grober Tuche angefangen. Er war aus Ersdorf-Altendorf zugewandert und bei einem Tuchweber in Münstereifel in die Lehrer gegangen.

Fabrikation und Verkauf der Stoffe lag anfangs allein in Anton Koenens Hand - ein typischer Einmannbetrieb. Aber bald entwickelten sich die Absatzverhältnisse derart günstig, daß weitere Webstühle aufgestellt werden mußten; in den Häusern Graf und Bürvenich nahm Koenen zusätzlichen Raum in Anspruch. Nach einer Aufstellung in den Akten der Amtsverwaltung beschäftigte er 1842 der Betrieb Koenen 16 Arbeiter in der Wollspinnerei und 15 Personen in der Tuchfabrik. Diese Aufteilung in Betriebszweige zeigt, daß man schon damals bestrebt war, Wolle nicht nur zu verspinnen, sondern in verarbeitungsreife „Koenentuche“ umzuformen, eine Produktionsart, der das Unternehmen bis heute treu blieb. Die Weiterverarbeitung zu fertiger Kleidung kannte man damals allerdings noch nicht.

Anton Koenen hatte an seinen drei Söhnen Johann Peter, Johann Josef und Johann Jacob tatkräftige Mitarbeiter. Sie erwarben 1851 von den Erben Fingerhuth die Obere Burg und faßten in deren ausgedehnten Räumlichkeiten, die bis dahin der Papierfabrikation gedient hatten, den aufblühenden Koenenbetrieb zusammen.

Drei Jahre später starb der Gründer des Unternehmens, Anton Koenen. Unter der geschickten Leitung von Jacob Koenen - 1860 waren seine Brüder Peter und Josef aus der Firma ausgeschieden - nahm der Betrieb einen raschen Aufstieg. Der vermehrte Bedarf an Militärtuchen während der Kriege von 1866 und 1870 - 71 förderte den Absatz wesentlich. Bei der Vergrößerung des Unternehmens standen dem Fabrikanten seine Söhne Albert (seit 1884) und Carl (von 1887 an) zur Seite.

Große Aufwendungen waren notwendig geworden, um den Betrieb auf die Erfordernisse der Technik umzustellen, hatte man doch allzu lange an den bewährten, aber nun unzeitgemäß gewordenen Herstellungsmethoden festgehalten. Sechs mechanische Webstühle wurden aufgestellt und ein Webereifachmann aus dem fortschrittlichen Eupener Land, Hubert Köttgen, mit der Umorganisierung betraut. Aber auch er konnte es nicht verhindern, daß der Betrieb auf 12 Beschäftigte zurückging.

Der wirtschaftliche Aufschwung der Jahrhundertwende blieb auch auf das Kuchenheimer Unternehmen nicht ohne Einfluß. 1907 begann man, Fertigkleidung in Heimarbeit herstellen zu lassen. Viele Schneider der umliegenden Dörfer begrüßten diesen zusätzlichen Verdienst; sie nahmen Koenentuche in Empfang und verarbeiteten sie zu Hosen.

Durch den ersten Weltkrieg wurde diese Entwicklung jäh unterbrochen. 1916 starb Albert Koenen; mit Mut und Fleiß versuchte seine Frau Antonie, den Platz des Verstorbenen in Betrieb und Büro auszufüllen. Langsam erholte sich das Unternehmen von den Folgen des verlorenen Krieges, und 1930 arbeiteten wieder 130 Männer und Frauen in den Hallen an der Oberen Burg. 1925 hatte man - und das bedeutete eine grundlegende Neuerung in der Koenen-Produktion - die fabrikmäßige Herstellung von Hosen aufgenommen, ein Betriebszweig, der von nun an zu einer Spezialität des Unternehmens werden sollte. Die „Koenenhose“ hat sich seither zu einem Artikel von westeuropäischer Bedeutung auf dem Textilmarkt entwickelt.

Der wirtschaftliche Rückgang der 1930er Jahre ging auch an dem Koenenschen Unternehmen nicht vorüber. Die Belegschaft sank auf 90 Kräfte, um bis 1939 wieder auf 330 anzusteigen. Hans, Karl-Heinz und Ernst Koenen waren inzwischen als Juniorenchefs in die Leitung des Unternehmens eingetreten.

Meterhoch lag der Schutt in den Fabrikhallen, als die Beendigung des zweiten Weltkrieges wieder an die Aufnahme der regulären Arbeit denken ließ. Alle freien Hände faßten mit an, um die Werkplätze aufzuräumen und die Maschinen vom Rost zu befreien. 1946 wurde bei Koenen die Produktion wieder aufgenommen, und zwei Jahre später war es den Betriebsleitern möglich, mehr als 130 Kräfte einzustellen.


In der Tuchfabrik Koenen

Nach der Währungsreform wurde die Fertigung in immer steigendem Maße ausgeweitet, neue Geschäftsverbindungen wurden angeknüpft, die alten gefestigt. In Mechernich, Krs. Schleiden, war 1957 ein Zweigunternehmen eingerichtet worden. Mit 1024 Belegschaftsmitgliedern war im Mai 1958 der bisherige Höchststand erreicht worden.

Für ihr Jubiläumsjahr 1958 hatte die Firma einen modernen Kleiderfabrikneubau geplant, der inzwischen seiner Bestimmung übergeben wurde. Dieser Bau ist mit den modernsten Einrichtungen versehen worden, so daß er auch der künftigen Entwicklung auf lange Sicht genügen wird.

Die sozialen Leistungen für die Belegschaft werden von der Firma vielseitig und großzügig beachtet.

Pflege guter Beziehungen zu den meisten mittel- und westeuropäischen Ländern, Kenntnis der Konjunkturlage und der Bedürfnisse des Marktes haben dem Unternehmen Koenen, dessen wirtschaftliches Wohlergehen für den Kuchenheimer Raum von wesentlicher Bedeutung ist, ein gutes Fundament verschafft.

Vom Domhof bis zum 900 Mann-Betrieb: welch ein Wandel!

105 Jahre Betriebsgeschichte - 150 Jahre kaufmännischer Fleiß und Wagemut, dem der Erfolg nicht versagt blieb.


Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1961

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