Die alte Heerstraße
Von Dr. Franz Schorn
Unser heutiges Kreisgebiet ist zu allen Zeiten von wichtigen Verkehrswegen durchzogen worden. Aus der Römerzeit sind hauptsächlich zwei fast in schnurgerader Linie verlaufende Straßen bekannt. Beide hatten in Marmagen in der Eifel ihren Ausgangspunkt. Die eine verlief über Zülpich - Liblar - Hermülheim - Efferen nach Köln und ist heute streckenweise noch gut zu erkennen. Die andere führte über das römische Belgica bei Billig über Kleinbüllesheim - Metternich - Sechtem nach Wesseling, wo sie in die dem Rhein folgende Straße einmündete; sie ist kaum noch auffindbar. Ähnlich verhält es sich mit zwei weiteren Römerstraßen, die Zülpich mit Wesseling und Köln mit Belgica verbanden und sich beim Swisterberg überschnitten.
Diese Straßen, für unsere Begriffe nur befestigte Wege, bildeten die kürzeste Verbindung zwischen den größeren Niederlassungen zur Römerzeit. Sie haben auch im Mittelalter, zum Teil sogar noch bis ins 19. Jahrhundert hinein, ihre Aufgabe als Straße erfüllt, wurden aber im Laufe der Jahrhunderte in unterschiedlichem Maße von anderen Straßen verdrängt oder an Bedeutung überflügelt. Die Ursache dafür ist in Veränderungen der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu suchen. So schieben sich im Mittelalter zwei andere Straßen, die die vorhin genannten in unserem Kreisgebiet kreuzten, stärker in den Vordergrund: die Krönungsstraße und die weniger berühmte Heerstraße, die wir näher betrachten wollen. Die Krönungsstraße von Frankfurt nach Aachen führte bekanntlich von Sinzig am Rhein über Eckendorf (Swist) - Rheinbach - Kloster Essig - Wüschheim (Erft) - Wichterich (Rotbach) - Sievernich (Neffelbach) - Vettweiß - Düren und Mariaweiler (Rur). Bei Kelz im Kreise Düren zweigte die Heerstraße von ihr ab und verlief über Lechenich - Bliesheim - Swisterberg, dann fast diagonal über das Vorgebirge an Hemmerich vorüber nach Brenig, wo sie bergab führte über Bornheim - Roisdorf - Tannenbusch nach Bonn.
Ihr Verlauf einst und jetzt
Wann sie entstanden ist, vermag niemand mit Sicherheit zu bestimmen. Manches deutet darauf hin, daß sie - wenigstens streckenweise - schon zur Keltenzeit oder gar noch früher benutzt worden ist. Ihre Linienführung erinnert an römische Straßenbaukunst. Heute ist sie größtenteils verschwunden. Bereits im Mittelalter scheint man zwischen Düren und Lechenich zeitweise die kürzere Verbindung über Nörvenich bevorzugt zu haben. Dennoch ist sie auf der Strecke Kelz - Lüxheim - Poll als breiter Feldweg erhalten. In Lüxheim, dessen Form sie bestimmt hat, heißt sie heute noch Hauptstraße, obwohl diese Bezeichnung dort eher der Straße Zülpich - Nörvenich gebühren würde. Von Poll aus verlief die Heerstraße früher in fast gerader Linie durch die südliche Gemarkung der Dörfer Dorweiler, Pingsheim und Herrig in Richtung Lechenich. Durch die Flurumlegungen vor und nach dem ersten Weltkriege ist sie, meist Poller Weg genannt, dort restlos beseitigt worden. Mit Lechenich erreichte sie den ersten größeren Ort. Zwei markante Zeugen künden hier noch von ihrem früheren Dasein, zeugen, die noch heute jeder passieren muß, der über eine Bundesstraße nach Lechenich gelangt: die beiden im vorigen Jahrhundert restaurierten Tore, das Herriger Tor im Westen und das Bonner Tor im Osten der alten Stadt. Sie bestätigen uns, daß es letztlich die Heerstraße war, der Lechenich im Jahre 1279 seine Stadtrechte zuzuschreiben hatte und die fortan die Lebensader dieser Stadt bildete.
Der
Verlauf der Heerstraße und der Krönungsstraße des
Mittelalters im heutigen Kreisgebiet
Östlich der Stadt läßt sich der Verlauf unserer Straße ebenfalls nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Ihre Kreuzung mit der Römerstraße Köln - Zülpich ist im Bereich des Gestüts Römerhof zu suchen. In Bliesheim überquerte sie nahe der alten Mühle die Erft und den Mühlenbach und führte an der Langen Heide vorüber allmählich bergan. Beim Bau der Eisenbahnlinie Köln - Euskirchen - Trier 1875 und der unvollendeten Bahnlinie Liblar - Ahrweiler vor dem ersten Weltkrieg hat man ihr dort eine neue Trasse gegeben; auf diesem Abschnitt war sie zugleich als Zufahrt zu dem bei Bliesheim geplanten Bahnhof vorgesehen. Bei der Anlegung des Sportplatzes auf dem Swisterberg wurde sie in einem leichten Bogen um das beanspruchte Gelände herumgeleitet. In seiner unmittelbaren Nähe überquerte sie die erwähnten Römerstraßen Zülpich - Wesseling und Köln - Belgica, von denen die letztere im Mittelalter und im vorigen Jahrhundert durch die jetzige Bundesstraße 51 abgelöst wurde. In ihrem weiteren Verlauf bildete die Heerstraße die nördliche Begrenzung der Eichenkultur auf dem Swisterberg; aber erst an deren Nordseite erscheint sie wieder als breiter Weg, gesäumt von einer Reihe alter Laachbäume. Hier trägt sie den Namen Aachener Straße. Am Waldrand gleitet sie durch einen Hohlweg hinab in das Dobschleider Tal, nimmt den durch die Talsohle von Weilerswist am Dobschleider Hof vorbeiführenden Weg auf, trägt ihn, sich tief in den lößbedeckten Hang eingrabend, hinauf zur ersten Höhe und durchquert mit ihm nochmals das fast rechtwinklig gelagerte Tal nahe seinem Scheitel. Dort zweigt der Weg nach Rösberg ab. Die Heerstraße aber führte - noch bis vor wenigen Jahren - weiter geradeaus durch die fruchtbaren Fluren und erreichte bei Hemmerich den Nordostrand der Hochfläche des Vorgebirges. Auf dem zuletzt genannten Abschnitt kreuzte sie, überall von Wegekreuzen bezeichnet, eine Reihe mehr oder weniger bedeutende Wege und vernachlässigter Straßen. Auch hier hat die Flurumlegung sie mitsamt den alten Wegekreuzen beseitigt, doch zeichnet sich ihr Körper noch an vielen Stellen deutlich in den Äckern ab. Die Landmesser konnten ihre Begrenzungssteine oft erst metertief unter der Erdoberfläche antreffen, der Westwind hat im Laufe der Zeit im Schutze des Waldes und des Tales hier unbemerkt neue Schichten feinsten Lößbodens aufgetragen, der sich bei nassem Wetter in zähen Lehm verwandelt und haften bleibt.
Wanderung in die Zeit
Der landschaftlich reizvollste Teil, den die alte Straße durchzieht, ist das Dobschleider Tal mit den umgebenden Höhen, eine kleine Landschaft voller Gegensätze und mit einer eigenartigen Planzen- und Tierwelt. Wer vom Swisterberg aus diese Gegend durchwandert, vermag schnell die Hast und den Lärm unserer Tage zu vergessen. Nur selten müht sich ein Kraftfahrzeug über die holprigen, bei Regen und Schnee kaum befahrbaren Wege. Unbekümmert vermag der Wanderer auf der alten Heerstraße seinen Gedanken nachzugehen. Er bemerkt nicht, daß er bald die Grenze vom Landkreis Euskirchen zum Landkreis Bonn hin überschritten hat. Allmählich tauchen in gleicher Entfernung auch zur Rechten die Spitzen des Waldes auf. Auf der Höhe angelangt aber öffnet sich dem Wanderer ein unerwartetes Bild: Der Waldsaum weicht auf beiden Seiten mehr und mehr zurück. Von links grüßen die Dörfer Rösberg und Hemmerich herüber. Vor ihm aber breitet sich eine weite Ebene, die scheinbar ohne Ende, ohne Grenze. Nur das Siebengebirge ragt - scheinbar - aus ihr hervor: ein einsamer, unverrückbarer Wegweiser auf unserer Straße. Sie erscheinen ihm so unendlich weit entfernt, diese sieben Berge jenseits des Rheins, und doch sind sie wiederum so nah, daß man mit bloßem Auge das helle Hotelgebäude auf dem Petersberg wahrnehmen kann.
Ruhe strömt diese Landschaft aus - und doch befällt den Beschauer Unruhe, die nicht die Ahnung eines trügerischen Augenscheines bewirkt, die vielmehr tiefer gründet.
Wenn der Wanderer zur Pfingstzeit oder im Spätsommer hier oben verharrt, so kann es geschehen, daß er gemächlich, aber zielstrebig Menschengruppen zu Fuß herannahen sieht. Von ferne gleichen sie kleinen Schlangen; näherkommend erkennt er Prozessionen. Sie kommen von Urfeld und Widdig, von Bonn-Endenich und -Lengsdorf und ziehen zur Verehrung der hl. Drei Jungfrauen Fides, Spes und Caritas zum Swisterberg oder wallfahren zu Ehren des hl. Leonard von Rösberg nach Liblar. Sie bitten um gute Witterung, um gute Ernte, um Abwendung von Mißwachs, Hagel, Seuchen und anderer Not. Und wie sie heute, so kommen und beten die Gläubigen auf dieser Straße schon seit Jahrhunderten im Zeichen des Kreuzes. Als unsere Straße noch nicht von modernen Verkehrswegen entthront war, zogen auf ihr die Pilger zu Tausenden auch zur Verehrung von St. Anna nach Düren und zur Verehrung der Heiligtümer nach Aachen.
Ausschnitt
aus dem St.-Donatus-Gemälde
Unweit der Heerstraße erhob
sich bis zum Jahre 1829 die alte Pfarrkirche St. Gereon auf dem
Swisterberg, von der heute nur noch der bekannte Turm, ein
Wahrzeichen von Weilerswist, erhalten ist. Der Maler des St.
Donatus-Gemäldes auf Burg Kühlseggen hat uns um 1771 die
Kirche im Bilde festgehalten. Der Gebäudeteil vorne links mit
Kamin und Dachfenster ist die einstige Einsiedlerklause.
Zeichnung
nach dem St.-Donatus-Gemälde
Nicht nur Pilger, auch Könige und Kaiser des deutschen Mittelalters benutzten sie zu ihrer Fahrt nach Aachen. Viele mögen dahergeritten sein, von denen wir es nicht wissen; von einigen aber ist es ausdrücklich überliefert. Kaiser Karl IV. aus dem Hause Luxemburg, der 1348 in Prag die erste deutsche Universität gründete, in seinem ostdeutschen Lande eine moderne Verwaltung einführte und 1356 mit goldener Bulle die verfassungsrechtliche Entwicklung im deutschen Reich bestätigte, ritt 1376 hier gegen Aachen, um seinen Sohn Wenzel zum Könige krönen zu lassen. 1442 holte sich auf dem gleichen Wege der Habsburger Friedrich III. die deutsche Kaiserkrone. Nachweislich zog auch Kaiser Karl V. auf dieser Straße 1543 mit seinem Heere nach Düren, Jülich, Roermond und Venlo, um den zum Protestanten gewordenen Herzog von Kleve zu unterwerfen. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn unsere Straße den Namen Kaiser- oder Königstraße erhielt.
Diese Bezeichnung enthielt freilich auch einen Rechtstitel: die Straße gehörte dem Kaiser oder König als dem Repräsentanten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, nicht einem ihm unterstellten Landesherren; sie war eine Reichs- nicht eine Lande(es)-straße. Das alte Rösberger Weistum unterscheidet sie deutlich von den Landstraßen und nennt sie ein gemein straeß. Es nennt sie schlicht Heerstraße, wie sie in fast allen Gemarkungen heißt, und weist ihre Breite mit 32 Fuß (d. s. ungefähr 10 Meter!) aus.
Aber nicht nur dem erwähnten Heerzug Kaiser Karls V. dürfte die Straße ihren Namen verdanken. Fürsten und andere Adelsherren erweiterten im Mittelalter und bis in die Zeit Napoleons hinein ihre Macht auf Kosten von Kaiser und Reich; Heerzüge auf den Reichsstraßen waren dabei an der Tagesordnung. Sie trachteten danach, wichtige Straßen in ihre Gewalt zu bringen. Um strategisch bedeutende Punkte an der Krönungsstraße Sinzig-Düren-Aachen haben sich die Erzbischöfe von Köln jahrzehntelang mit den Herzögen von Jülich und anderen Territorialherren gestritten. Sie wachten auch eifrig darüber, daß die kürzeste Verbindung zwischen ihrer Residenz Bonn und ihrer stärksten Festung Lechenich nicht von Rivalen bedroht wurde.
Die Burgen im näheren Bereich dieses Straßenabschnittes brachten die Erzbischöfe durchweg in ihre Abhängigkeit: Konradsheim, Buschfeld bei Bliesheim, Rösberg und Hemmerich, früher Hemberg geheißen, schließlich auch Kühlseggen beim Swisterberg; westlich von Lechenich, in Lüxheim, konnte sich dagegen der Herzog von Jülich festsetzen. In den anderen unmittelbar an der Heerstraße gelegenen Dörfern konnten sich die Adelssitze nicht zu wehrhaften Wasserburgen erweitern. Auffällig viele solcher Höfe, die meist auch mit Wall und Wassergraben umgeben waren, aber deshalb noch nicht als Burgen gelten konnten, gelangten im Laufe der Jahrhunderte in geistlichen Besitz, vornehmlich in den von Kölner Stiften und Klöstern, die irgendwie dem Erzbischof unterstellt waren. In Bliesheim und Dorweiler war St. Maria ad gradus, in Pingsheim und Herrig St. Pantaleon und St. Martin, in Herrig u.a. auch das Kölner Domstift begütert. Das Dorf auf dem Swisterberg, das wegen seiner erhöhten Lage am Schnittpunkt wichtiger Straßen zu einer gegnerischen Schlüsselstellung hätte werden können, verfiel schon im 12. Jahrhundert der Zerstörung und wurde nicht wieder aufgebaut; dennoch haben die Herzöge von Jülich lange Zeit versucht, ihr Vogteirecht über den auf dem Swisterberg neben der Kirche verbliebenen Hof des St.-Geron-Stiftes zur Gemeindehoheit auszudehnen.
Die Festungen Bonn und Lechenich
haben allerdings nicht verhindern können, daß die Straße
zwischen ihnen von zahlreichen Heerscharen zu Kriegszwecken benutzt
wurde und von ihr aus die benachbarten Orte und Fluren oft
buchstäblich verheert wurden. Es würde zu weit führen,
hier auch nur einige diese schicksalsschweren Ereignisse näher
zu betrachten. Auch die Geschichte Lechenichs ist größtenteils
Geschichte dieser Straße!
Bliesheim,
Alte Mühle
Wo der Krieger zog, da war auch der Kaufmann, der Kauffahrer, nicht fern. Mochte der zustand der Straße häufig sehr schlecht und die Überwindung des Vorgebirges für schwere Lastfuhrwerke beschwerlich sein; er bevorzugte sie, weil kein Landes- oder Dorfherr befugt war, auf ihr für sich Zoll zu erheben. Dies mußte bereits Graf Gerhard von Are erfahren, als er bei Rösberg eigenmächtig eine Zollstätte eingerichtet hatte; er wurde von Kaiser Heinrich VI. zur Rechenschaft gezogen und mußte im Jahre 1194 zu Aachen die Beseitigung des Zolls geloben. So konnte sich der Handelsverkehr auf der Heerstraße ungestört von Abgaben entfalten. Er verstärkte sich in Zeiten, in denen die Stadt Köln neue Zölle einführte (z.B. auf dem Rhein in den Jahren 1475 bis 1494) und die Kaufleute daraufhin die Stadt mit ihren sonstigen günstigeren Verkehrseinrichtungen zu umgehen suchten. Immerhin verdankte die Stadt Bonn der Heerstraße, daß auch sie ein nicht unbedeutender Warenumschlagplatz im mittelalterlichen Handelsverkehr wurde.
Neue Zeiten, neue Straßen
In der Neuzeit wird es stiller um die Aachen - Bonner Straße. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt der Wandel der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse; die französische Revolution beseitigt auf dem linken Rheinufer das bisherige politische System und bringt in der Folgezeit auch dem mitteleuropäischen Raum eine neue Ordnung; Gewerbe und Industrie entstehen in immer größerem Umfange, schaffen neue Erwerbsquellen und eröffnen neue Verkehrswege. Aachen verlor seine Bedeutung als Krönungsstadt und wurde Grenzstadt eines zur Mitte Europas hingerichteten, straff organisierten und zentralisierten Staates: Preußen. Auch Bonn wurde zu einer Provinzstadt dieses Staates, der ihm die Universität schenkte und ihm endgültig den Ruhm nahm, die Hauptstadt eines politisch meist sehr umworbenen Kurfürstenstaates zu sein. Eine kurze, unmittelbare Verbindung zwischen den beiden Städten schien nicht vonnöten, zumal auch das Zwischenglied Lechenich bald seine Würde als Kreishauptstadt einbüßen sollte. Seine Bindung an Bonn beschränkte sich schließlich in der Zugehörigkeit zum Landgerichts- und Handelskammerbezirk, dessen Mittelpunkt Bonn bildet.
Die preußische Regierung ließ in den Jahren 1820 bis 1850 das System der jetzigen Bundesstraßen ausbauen. Dabei erhielten die Straßen Nr. 51 und 265 ähnlich den früheren Römerstraßen eine mehr nord-südlich betonte Richtung. Die Straße Nr. 56, die Bonn mit Düren verband, wurde statt über Lechenich über Zülpich und die neue Kreishauptstadt Euskirchen geführt. Die alte Heerstraße aber geriet in Vergessenheit und ist seit dieser Zeit mehr und mehr verfallen. Erst als im Jahre 1855 eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Oberrhein und dem Unterrhein geplant wurde, erwog man den Gedanken, sie streckenweise modern auszubauen. Doch bestand man in manchen Gemeinden, u.a. auch in Weilerswist, damals auf eine unmittelbar durch den Ort führende Straße. Daher verlegte man die neue Landstraße von Meckenheim über die Vier Bänke - Heimerzheim - Metternich - Weilerswist - Bliesheim (mit Abzweig nach Lechenich) - Liblar - Mödrath nach Horrem. Die Braunkohlenindustrie hat später ihren Bau gerechtfertigt. Dem heutigen Verkehr genügt sie nicht mehr, weil sie sich in zahlreichen Kurven durch viele Orte windet und vielfach zu eng ist.
Lechenich,
Herriger Tor
Wo die Heerstraße heute noch erhalten, ist sie nur noch ein breiter Weg, und die Meßtischblätter versprechen oft zu viel, wenn sie diesen als unterhaltenen Fahrweg ausweisen. Wer aus dem Raume Gymnich - Lechenich - Erp - Friesheim - Weilerswist nach Bonn fahren will, wird schnell feststellen, daß mit der Heerstraße die kürzeste Verbindung dorthin preisgegeben worden ist. Das Vorgebirge läßt sich immer nur auf Umwegen überqueren. Falls man dann noch auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, muß man sich für eine Tagereise zur provisorischen Bundeshauptstadt rüsten, weil es an durchgängigen und befriedigenden Verkehrslinien gänzlich fehlt. Über die Notwendigkeit des Ausbaues verschiedener Land- und Gemeindestraßen scheint man zudem bei den zuständigen Gebietskörperschaften abweichender Ansicht zu sein. Es bleibt daher die wenig erfreuliche Feststellung, daß die Heerstraße eine gleichwertigen Ersatz bisher nicht gefunden hat. Ob sich dies in absehbarer Zeit ändern wird?
Grübelnd verweilt der Wanderer auf der Höhe über dem Dobschleider Tal. Er schaut rückwärts, wo die alte Straße gleichsam im Tal versinkt, seinem Blick entschwindet wie ihre Vergangenheit dem Gedächtnis der Menschen. In seiner Unruhe hat er ihre bewegte Geschichte erkannt und nachempfunden. Nicht ohne Sorge fragt er sich, ob diese Straße mit all ihrem Treiben wiedererstehen oder die Landschaft ringsum eine Oase der Ruhe und Beschaulichkeit im Gewoge unserer Zeit bleiben wird. Sein Blick wandert wieder über die endlos erscheinende Weite, und wieder erfaßt ihn die Unruhe: das Werben der Ferne, die Lust hinauszuziehen in das Ungewisse der Zukunft.
Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1960
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