Braunkohle im Norden des Kreises

Letzte Schicht auf Grube „Donatus“

Von Clemens Frhr. v. Fürstenberg

Als in der Morgenfrühe des 30. Juni 1959 die Brikettfabrik „Donatus“ die Dampfsirenen zum letzten Mal heulen ließ und die Arbeiter der letzten Schicht ein wenig wehmütig das Werkstor verließen, da meinte einer der „Klüttemänner“ resigniert: „Jetzt fängt bei Liblar die Eifel an.“ Hatte doch Direktor Gebhard bei der Abschiedsfeier mitgeteilt, daß auch die Liblarer Brikettfabrik, der größere Schwesterbetrieb, im Frühjahr 1961 die Tore schließen will. Besteht wirklich Grund zu dieser Resignation? Noch konnten die Belegschafter des stillgelegten Betriebes mit geringen Ausnahmen im erlernten Beruf Arbeit finden, und es ist bekannt, daß die Gemeinde Liblar vorausschauend seit Jahren große Anstrengungen macht, um neue Industrien heranzuziehen - ein Bemühen, dem auf Grund der günstigen Bedingungen, die die Gemeinde verkehrs- und kräftemäßig zu bieten in der Lage ist, der Erfolg nicht versagt bleiben wird.

Fest steht aber auch, daß das Streben der Braunkohle im südlichen Revier bei den einzelnen Betriebsangehörigen wie den betroffenen Gemeinden fühlbare Lücken hinterlassen wird. Wie könnte es auch anders sein, hat doch, um beim Beispiel „Donatus“ zu bleiben, der Aufschwung dieses Werkes der Gemeinde Bliesheim, in deren Bereich es liegt, zu finanziellen Wohlergehen verholfen und in seinen Blütejahren etwa neun Zehntel der Gewerbesteuer beigebracht.


In der Frühe des 1. Juli 1959 verließ die Belegschaft nach einer Nachtschicht für immer das Gebäude der Brikettfabrik in Oberliblar.

Um zu verstehen, was es seinerzeit mit dem Entstehen der Braunkohlenindustrie für Bliesheim - und analog für sämtliche Ortschaften des Südreviers - auf sich hatte, müssen wir uns die damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegend vor Augen führen. Bliesheim war ein Dorf von Kleinbauern; es bestand im wesentlichen nur aus einer langgezogenen Straße, der heutigen Hauptstraße. Vom Aussehen der niedrigen Fachwerkhäuser gibt uns die alte Schmiede in der Dorfmitte ein sprechendes Bild. Wenige Neubauten setzen das Dorf auf der rechten Erftseite fort.

Während die Hänge zwischen Erft und Ville für die landwirtschaftliche Nutzung infolge ihres minderwertigen Bodens kaum in Betracht kamen - die „Lange Heide“ wird ihren Namen nicht zu Unrecht erhalten haben-, wurde auch an der Westseite die Gemarkung von Heide- und Buschflächen eingerahmt. Die Ernährungsgrundlage war also recht schmal, als es sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in den Wäldern jenseits der Erft zu regen begann.


Wie es anfing

Im Grunde war die Gewinnung von Braunkohle dort nichts Neues. Schon seit dem 18. Jahrhundert grub man den „Torf“ mit Schüppe und Hacke an Stellen, an denen eine geringe Deckschicht den Abbau von Hand erleichterte. Die gewonnene Rohkohle formte man unter Hinzunahme von Wasser zu „Klütten“, die die Form von Blumentöpfen hatten und bis nach Köln und Bonn verkauft wurden.

Aber erst das Zeitalter der Maschinen und der Eisenbahnen sollte in der primitiven Art des Förderns und des Abtransportes Wandel schaffen. Zwar waren schon 1861 Konzessionsrechte für eine Fläche von 340 Hektar im Villewald an der Stelle der späteren Grube „Donatus“ von der Bergbehörde in Bonn verliehen worden, aber es sollte fast dreißig Jahre dauern, bis es zur Ausnutzung der übertragenen Gerechtsame kam. 1875 war die Bahnlinie Kalscheuren - Euskirchen eröffnet worden, so daß die Abfuhr der „Briquets“, wie man die Preßkohlen nun nannte (birque = französisch „Ziegelstein“) wesentlich erleichtert wurde. Mit seiner Lage im Anschlußbereich dieser Bahn war „Donatus“ den meisten anderen Gruben des Südreviers eine Pferdelänge voraus; erst um 1893 entstand die Kreisbahn Liblar - Horrem.

1889 schlossen sich der damalige Konzessionsinhaber Leutert und zwei weitere kapitalkräftige Unternehmer zur „Gewerkschaft Brühl-Kölner Braunkohlenbergwerk Donatus“ zusammen, und im gleichen Jahr begegnet uns der Name dieser Neugründung bereits in den Protokollen des Gemeinderates von Bliesheim. Am 27. November 1889 stellte die Gewerkschaft einen Antrag an die Gemeinde, der die Ableitung des Grundwassers aus dem Aufschlußgelände zum Inhalt hatte, und am 17. Mai 1891 wird abermals im Rat wegen der Wasserführung aus dem Tagebau und der Brikettfabrik „Donatus“ verhandelt.

Inzwischen war nämlich nach den Vorschlägen eines Fachmannes aus dem mitteldeutschen Braunkohlengebiet die Förderung von Rohkohle aufgenommen und zu deren Verarbeitung 1893 eine Brikettfabrik mit drei Pressen in Betrieb genommen worden. 1895 wurde ein zweiter Werkteil mit vier Pressen und 1899 Fabrik III mit sieben Pressen eröffnet. 1903 war die Kapazität von „Donatus“ bereits auf 20 Pressen angewachsen. Während sich das Schwergewicht des Betriebes immer mehr nach Fabrik III verlagerte, wurden die Teile I 1926 und II 1930 wegen Überalterung stillgelegt und abgerissen.

Mit 59 Mann hatte man 1891 die Abräum- und Förderarbeit aufgenommen. Vier Jahre später wurden bereits 458, um 1900 gar 747 Arbeitskräfte beschäftigt. Es ist einleuchtend, welche Auswirkungen auf die Verdienstmöglichkeit der Bewohner der benachbarten Orte diese Großarbeitsstelle haben mußte; Oberliblar verdankt der Werksiedlung „Donatusdorf“ sein Entstehen, denn der Bedarf an Arbeitskräften war zeitweise stärker, als daß ihn die Nachbarorte hätten decken können.

Immer weiter dehnte sich der Tagebau in östlicher Richtung aus, bis er mit den Feldern der Gruben Brühl und Berggeist eine „Dreiländerecke“ bildete. Der „Silbersee“, ein trotz seiner Gefährlichkeit beliebtes Badegewässer, blieb als Zeichen der jahrzehntelangen Abbauarbeit zurück. Eine Kettenbahn gleich der von Grube Liblar trug die Rohkohle aus der Grube zur Fabrik.


Die neuen Herren

Inzwischen waren die Eigentumsrechte an „Donatus“ durch Verschmelzung der Gewerkschaft mit der Gruhlwerk GmbH und der AG Fortuna im Jahre 1908 an die neugegründete „Rheinische AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation“ übergegangen. Im Pachtwege übernahm 1944 die Roddergrube AG den Betrieb der „Donatus“-Anlagen. Die Kohlenvorräte des Feldes „Donatus“ waren nämlich derart zusammengeschmolzen, daß das Weiterbestehen des Werkes nur noch bei Belieferung mit Fremdkohle möglich war und die Förderung von Grube Brühl mitverarbeitet werden mußte. Als auch diese ausgekohlt war, mußten die Kohlevorkommen unter dem Bahndamm der (verlegten) Bundesbahnstrecke Kierberg - Liblar und unter der gleichfalls neu trassierten Luxemburger Straße noch eine Zeitlang aushelfen.

Versuche, im Tiefbauverfahren Kohlenflöze in unmittelbarer Nähe des Werkes aufzuschließen, führten nicht zum Ziel. Zwar förderte man zwischen 1947 und 1952 aus „Donatus-Tief“ manche Tonne guter Rohbraunkohle, aber infolge der hohen Aufwendungen bei relativ geringen Heizwerten blieb das Unternehmen unrentabel. Ein rostiges Tor schließt seither den Eingang zum Stollen, und aus den „Kumpels“ wurden wieder „Bergarbeiter“. Der Versuch, die Abbauverfahren des Ruhrgebiets in das linksrheinische Braunkohlenrevier zu verpflanzen, war zugunsten des inzwischen groß angelaufenen Tieftagebaues abgebrochen.

Am gleichen Tage wie die Fabrik „Donatus“ starb auch die Euskirchener Kreisbahn, welche die Abfuhr er Brikettproduktion in das Gebiet von Lechenich und Zülpich seit dem Bestehen des Betriebes ausführte. Zuletzt beschränkte sich der Dienst der Bahn auf die Fahrt eines Kohlenzuges, der in der Mittagsstunde leere Waggons nach Liblar brachte und mit den inzwischen bei „Donatus“ gefüllten Wagen eine Stunde später wieder in westlicher Richtung verschwand. Vom 30. Juni 1959 an ihrer letzten Aufgabe beraubt, wurde die Strecke von Stund an stillgelegt und acht Wochen später abgebaut.

Wird die Braunkohle noch einmal nach Bliesheim zurückkehren? Diese Frage können zur Zeit noch nicht einmal die Industrieführer selbst beantworten. Fest steht, daß sich von „Donatus“ aus in südlicher Richtung bis in den Raum von Rösberg ein Kohlevorkommen erstreckt, und im Leitplan der Gemeinde Bliesheim hat sich die Braunkohlen-Industrie die „Heide“ als Abbaugebiet vorbehalten. Aber wann, ja ob es jemals zur Gewinnung des anstehenden Flözes kommt, das hängt von verschiedenen Faktoren ab, und nicht zuletzt davon, inwieweit die Atomkraft im Laufe der nächsten Jahrzehnte als Kraftquelle auch für die Bedürfnisse des täglichen Lebens nutzbar gemacht werden kann. Inzwischen ergeben die mit enormen Kosten angelegten Tieftagebaue des Nordreviers Kohlevorräte, die den derzeitigen Bedarf auch ohne Zuhilfenahme des „Südaufschlusses“ decken können. Die einst so wohlhabenden Braunkohlengemeinden aber werden sich angesichts dieser ungewissen Aussichten umstellen müssen.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1960

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