Das Verkehrswesen in der Eifel
von K. L. Kaufmann
Wir hörten bereits, daß
die Eifel von dem großen Straßenbau der Franzosenzeit
weniger berührt worden ist. Der vollständige Ausbau der von
ihr angelegten Straße Trier-Aachen ist durch die Beendigung der
Fremdherrschaft verhindert worden. Noch im ersten Drittel des 19.
Jahrhunderts konnte die Straße nur in der südlichen
Strecke Trier - Bitburg - Prüm gut genannt werden, während
der durch das Hohe Venn führende Teil vielfach nur Feldweg war.
Ein Fremder mußte dort die Spur selbst an hellem Tage gänzlich
verfehlen und auch der Eingesessene setzt im Winter jedesmal sein
Leben in Gefahr. Die preußische Verwaltung baute nun ihre
verdienstvolle Tätigkeit auf dem in fränkischer Zeit
geschaffenen System gewisser Zuschläge zur Grundsteuer auf, das
den Ausbau der Departements-, jetzt Bezirksstraßen ermöglichte.
Seine Ausführung ist von der preußischen Bauverwaltung in
vorbildlichem Wirken von 55 Jahren erfolgt. Bei der allgemeinen
schlechten Beschaffenheit der nur leicht gebauten Wege und bei der
großen Geldknappheit hatte sich die neue Regierung zunächst
auf die Herstellung eines fahrbaren Zustandes zu beschränken.
Die Mittel für einen umfassenden kunstmäßigen Aus- und Neubau der Straßen sollte das Zuschlagsystem, an dem trotz seiner Unbeliebtheit festgehalten wurde, allmählich beschaffen. Die Erfolge der Bautätigkeit sind in den Rheinlanden schon früh und in gewiß nicht regierungsfreundlichen Zeiten anerkannt worden. Bereits Ende der 20er Jahre dankte der rheinische Landtag ausdrücklich für das bisher Erreichte. Zwar hat es an Klagen über die Bevorzugung der großen Städte gegenüber dem Lande nicht gefehlt; sie sind z.B. noch 1839 aus dem Kreise Schleiden laut geworden. Aber schon 1845 konnte der Trierer Abgeordnete Kayser ohne Wiederspruch in der Ständeversammlung erklären, daß man dank des Bezirksstraßensystems, das die Interessen der ganzen Landschaft berücksichtige, einer Vollendung des Wegenetzes nahe sei, für die man früher eine Bauzeit von 80 Jahren angenommen habe.
Übersichtskarte
der sämtlichen Provinzialstraßen des Eifelgebiets.
Im Jahre 1835 hatten die Regierungen selbst geglaubt, daß der Ausbau der Straßen in den Bezirken Aachen, Koblenz und Trier noch hundert, in den andern 30 Jahre dauern würde. Auch in der Eifel selbst ist, wie eine Denkschrift über den Eisenbahnbau von Düren nach Schleiden aus dem Jahre 1852 ergibt, dankbar zum Ausdruck gelangt, daß dem Übel nach und nach in reichlichem Maß abgeholfen und das Land in allen Richtungen von Chausseen durchschnitten werde. Als der preußische Staat im Jahre 1877 die Straßen in die Verwaltung des Provinzialverbandes übergab, hatte er seit 1822 die Zahl der Bezirksstraßen in Aachen von 13 auf 60, in Koblenz von 11 auf 55, in Köln von 3 auf 45 und endlich in Trier von 18 auf 45 vermehrt und die Kilometerzahl von insgesamt 1138,71 auf 3553,71 verdreifacht.
Was von diesem großen Ergebnis der Bautätigkeit auf das Wirtschaftsgebiet der Eifel entfällt, geht aus der Übersichtskarte der Provinzialstraßen und den Erläuterungen im Anhange hervor.
Neben dem Staate entfalteten nun auch die Gemeinden und Kreise der Eifel trotz ihrer durch Kriegsschäden bedrängten Lage alsbald in dem vernachlässigt gebliebenen Gemeindewegebau eine rege Tätigkeit. Dieser war es zu danken, daß selbst ganz arme Kreise, wie Prüm, in rühriger Arbeit ein förmliches Netz kunstmäßig ausgebauter Gemeindewege und Kreisstraßen herstellten. Im Jahre 1847 waren dort bereits 29 Gemeindewege in der Länge von 34 Meilen erbaut, während in jener Zeit auch Bitburg mit 18, Wittlich mit 15 und Daun mit 13 Wegen anerkennenswerte Ergebnisse aufzuweisen hatten. Im Aachener Bezirk brachte eine 1823 erfolgte Vereinigung der Gemeinden zu Zwecken des größeren durchgehenden Wegehauses im Kreise Schleiden gute Früchte. Die bisher für Fuhrwerke unzugängliche Straße von Gemünd nach Berg, sowie die Straßen von Call nach Heistert, von Hellenthal nach Blumenthal und Oberhausen, von Blankenheim nach Ahrdorf, sowie die Kohlenstraße zwischen Arenberg und Engelgau sind in jener Zeit durch die Gemeinden ordnungsmäßig angelegt worden.
Es liegt eine gewisse Tragik in der Tatsache, daß das große Wegenetz der Eifel kaum fertiggestellt war, als Landstraßen schon zu den veralteten Verkehrsmitteln gehörten und von den Schienenwegen überholt waren. Da das Eifelgebiet erst nach langer Zeit mit einer Eisenbahnlinie bedacht wurde, blieb es wieder gegenüber anderen Landesteilen im Rückschritt, den es eben einigermaßen zu überwinden begonnen hatte. Es erlitt auch unmittelbaren Nachteil durch den Wegzug der früher bedeutenden Eisenindustrie, die unter der Abgelegenheit vom Verkehr und Markt seit langem litt und bei ihrer Rückständigkeit schon im Niedergang begriffen war. Aber auch die Neugründungen der Poensgen in Gemünd und Mauel aus den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts, von denen das Gasröhrenwerk in Mauel lange Zeit das einzige und größte Unternehmen Deutschlands war, konnten sich nicht mehr halten. Die Verlegung dieses Werkes im Jahre 1860 war der schwerste Schlag für Gemünd und die umliegenden Reitwerke. 1881 verschwand der letzte Hammer zu Kirschseiffen, 1896 der letzte Holzkohlenhochofen. Ähnliche Folgen hatten die einsetzende Eisenbahnzeit für die Tuchplätze von Montjoie und Eupen gehabt. Da ihnen der unmittelbare Anschluß an den zunehmenden Verkehr verschlossen blieb, sank ihre Industrie nach und nach herab, während die von Aachen zu weiterer Blüte gelangte. Montjoie, das 1850 noch 3238 Einwohner zählte, ist 1870 auf 2953, 1900 auf 1945 und 1914 auf 1837 Bewohner heruntergegangen. Dagegen stieg die Bevölkerung von Aachen nach dem Bau der Eisenbahn im Jahre 1843 von 49.800 Einwohner (1850) auf 72.000 im Jahre 1870.
Daß die Eifel so spät und unzureichend mit Schienenwegen versorgt wurde, war in dem 1876 in Geltung gebliebenen Eisenbahnsystem begründet.
Die
Eisenbahnlinien in der Eifel
Der preußische Staat hat aus finanziellen und innerpolitischen Gründen dem neuen Verkehrsmittel gegenüber eine abwartende Stellung eingenommen und den Bau wichtiger Eisenbahnlinien in den ersten Jahrzehnten den Privatunternehmern überlassen. Diese vermieden bei ihrer übrigens anfangs nicht immer günstigen Geldlage den Bau von Bahnen, die voraussichtlich wenig Gewinn oder gar Verlust einbringen würden, und vermieden deshalb ärmere Gebirgsgegenden. Schwierige Verhältnisse des Geldmarktes haben es seinerzeit mitverursacht, daß der zum Besten der Eifel sowie der Eisen- und Bleiindustrie von G. Mevissen schon 1844 erwogene und 1852 lebhaft behandelte Plan einer Linie von Düren nach Schleiden nicht zur Ausführung gekommen ist. Die Regierung freilich stand dem Bahnbau mit besonderer Teilnahme gegenüber und hatte die rheinische Eisenbahngesellschaft im Jahre 1855 vertraglich zum Bau dieser Strecken binnen sechs Jahren verpflichtet. Die Gesellschaft schob aber bald darauf den Plan einer Linie von Düren nach Trier über Euskirchen und Call, das an Stelle von Schleiden treten sollte, in den Vordergrund, da die Fortführung der Bahn von Schleiden auf große Geländeschwierigkeiten stoße und zudem länger sei. In dem heftigen Streit um die Linienführung, der auch im rheinischen und preußischen Landtag zu erregten Auseinandersetzungen führte, bei denen die Regierung sich auf die Seite der Beschwerdeführer stellte, siegte aber die Eisenbahngesellschaft. Mit dem Bau bis Call ist dann 1862 begonnen worden; 1868 war er vollendet und die Fortsetzung bis Gerolstein 1870 durchgeführt.
Bessere Zeiten begannen für die Eifel erst, als der Staat die Eisenbahnverwaltung selbst übernahm und im Ausgleich mit gewinnbringenden Strecken und in Erfüllung seiner landeskulturellen Aufgaben die verkehrsarmen Gebirgsteile mit Nebenbahnen zu erschließen bemüht war. Es muß anerkannt werden, daß die preußische Bahnverwaltung das lang Versäumte alsbald und in großem Umfange nachgeholt hat. Im Verlauf von 38 Jahren ist die Zahl der Strecken von sechs mit 292,2 km, auf 43 mit 935,1 km gestiegen und dadurch der Wohlstand des Landes nachdrücklich gefördert worden. Es entfallen heute im Eifelgebiet auf 100 qkm rund 11,5 km Schienenweg, während die ganze Rheinprovinz durchschnittlich eine Dichtigkeit von 15 km je 100 qkm Fläche aufweist.
*) Aus Geschichte und Kultur der Eifel von K. L. Kaufmann, 1926
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