Der Pferdekarren

Abschnitt aus „Das Handwerk in früherer Zeit“

Von Dietmar Kinder, Elsdorf - Heppendorf

Neben dem Dorfschmied war der Sattler in einem landwirtschaftlich geprägten Ort mit Pferden und Ochsen als Zugtiere ein gefragter Mann. Die gewaltigen Kräfte, die beim Ziehen eines schwer beladenen Wagens auf dem nassen Feld, beim ziehen eines Pfluges oder Mähbinders auftraten, belasteten nicht nur die Zugketten, sondern auch alles was aus Leder war. Denn bevor man die Tiere einspannte, wurde ihnen, je nach vorgesehener Arbeit, alles mögliche Geschirr umgehängt. Und nach getaner Feldarbeit, nach dem Ausschirren, führte oft der erste Weg zum Sattler. Der Name Sattler mag die Tätigkeit nicht ganz treffen, wenn man darunter nur die Herstellung und Reparatur von Reitsätteln versteht. Das gehörte natürlich auch zu seiner Handwerksausbildung, doch Reitsättel nannten früher die wenigsten Bauern ihr eigen. Aber die schweren Tragsättel mit den dicken Lederschlaufen an den Seiten, die die beiden Karrenholme aufnahmen, hingen in jedem bauernhof an der Wand für das Pferdegeschirr. Die Bauern wußten sich auch oft zu helfen, wenn tagsüber während der Feldarbeit etwas riß oder sonstwie ausfiel.

Man hatte meist immer etwas in Reserve, außerdem verstand man noch die Kunst des Improvisierens. Aber der Sattler war dann doch derjenige, der letzten Endes Berge von Ledergeschirren zu flicken oder zu erneuern hatte. In ganz früherer Zeit hatten die Pferde beim Ziehen nur Brustgeschirre oder gar ein Joch wie die Ochsen getragen, wobei der Halsriemen auf die Luftröhre des Tieres drückte. Selbst gewisse Verbesserungen beeinträchtigten dennoch oft die Arbeitskraft der Vierbeiner. Doch mit der Einführung des Kummets bzw. des Hahmens, der die Belastung von Nacken und Luftröhre fernhält und sie statt dessen gleichmäßig auf die Schultern verteilt, wurde in der Landwirtschaft ein riesiger Fortschritt erzielt. Denn mit dem über Kopf und Hals des Pferdes gestreiften neuen Geschirrtyps konnten einem einzelnen Tier ohne nennenswerte Mehranstrengung wesentlich größere Lasten aufgebürdet werden.

Man kann sich heutzutage kaum noch eine Vorstellung davon machen, wie kompliziert ein alltägliches Zuggeschirr für ein Karrenpferd war und was der Sattler alles zu bearbeiten hatte. Da war einmal der bereits erwähnte „Hahm“. Das war ein dem Pferdehals angepaßtes Polster aus Leinen und Leder, gefüllt mit gedroschenem langen Stroh mit einer Auflage von Kuhhaaren darüber. Auf diesem Polster war ein gebogener Holzbügel befestigt, der mit einem eisernen Beschlag versehen wr, wie zwei Haken für die Ketten einer zweirädrigen „Pähdskaar“ (Pferdekarren). Des weiteren legte man dem Pferd „et Koppstöck“ (ein Kopfstück) an, das aus Haupt-, Stirn-, Backen-, Nasen- und Kehlriemen bestand. Am Kopfstück war „das Jebeß“ (das Gebiß - ein Gelenkeisen quer durch das Pferdemaul) befestigt, von dem aus „de Leng“ (die Fahrleine) zum Fuhrmann führte, womit er das Pferd sozusagen lenkte. Dem Tier wurde anschließend „de Saddel“ (der erwähnte Tragsattel) auf den Rücken gelegt, der dann seinerseits mit „demm Saddelrehm“ (Tragriemen), worin die beiden Karrenholme, einfach „Kaareböhm“ (Karrenbäume) genannt, lagen. „Enn Buchjürt“ (ein Bauchgurt), locker unter dem Bauch des Tieres hergezogen, verhinderte, daß die Karre aufkippte. Des Weiteren wurde dem Pferd „dat Hengejeschier“ (das Hintergeschirr) angelegt. Es wurde mit einem Kreuzriemen durch einen Ring im Sattel gezogen. Dadurch war es dem Pferd möglich, die Karre zurückzusetzen. Außerdem lief sie bei Bergabstrecken dem Tier nicht in die Hacken.





Meßpolfaaß (Jauchefaß) auf einer Schlagkarre mit gesetztem „Stelz“ (die Stelzen unter den Karrenbäumen, die das Pferd beim Stehen von dem Gewicht auf der Karre entlastete). Das Jauchefahren beispielsweise war keine leichte Arbeit für die Kaltblutpferde. Sie erforderte hohe Zugleistung auf oft naß-weichem Acker unter schwerer aufliegender Last. Man erkennt auf dem Bild den Hahmen um den Hals des Pferdes mit seinen beiden typischen „Ohren“ und den Tragsattel dahinter, mit dem rechten Tragriemen, worin der rechte Karrenbaum steckt.


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