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Erzähl nicht, schreib auf Manuskript von Peter Müllenmeister erzählt vom Buirer Bahnhof |
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KERPEN-BUIR. Schaut auf den Dachböden und in den Keller doch mal nach alten Dokumenten und Fotos. Viele Buirer sind diesem Aufruf zur Vorbereitung der Fotoausstellung anlässlich der 1000-Jahr-Feier ihres Ortes gefolgt. Einer, der nicht lange suchen musste, ist Sigurd Müllenmeister. Der 69-Jährige liest häufig in dem 60 Seiten starken Skript, das sein Vater Peter Müllenmeister in den Monaten vor seinem plötzlichen Tod im Jahr 1976 verfasst hat. Komm mal her, ich muss dir was erzählen, hatte der damals 77-Jährige oft zu seinem Sohn gesagt. Das konnte er wahnsinnig lebendig, erinnert sich Müllenmeister. Was erzählst du mir das, schreib deine Erinnerungen auf, forderte er seinen Vater auf. Das ließ sich Peter Müllenmeister, der in den 60er Jahren als freier Mitarbeiter für die Kölnische Rundschau geschrieben hat, nicht zweimal sagen. Seit 1915 arbeitete Müllenmeister bei der Deutschen Bahn, bis Mitte der 60er Jahre als Bahnhofsvorsteher am Buirer Bahnhof. Er war mit mit Leib und Seele Eisenbahner und Buirer, erzählt sein Sohn. Auch die von Reparationen, Inflation und der Besetzung des Ruhrgebiets geprägte Zeit von 1923 bis 1929 hat Müllenmeister als Bahnhofsvorsteher erlebt. In seinen Aufzeichnungen erinnert er sich: In der ersten Zeit des Regieverkehrs, (Bahnbetrieb durch französische Militäreisenbahner) verkehrten täglich nur zwei bis drei Züge aus Richtung Belgien. Diese Züge fuhren bis an die Einfahrweiche das Bahnhofs Buir. Dort war Ende der Regie. Hier kuppelte das Lokpersonal die Lok ab und gab Signal mit der Dampfpfeife. Nun trat der französische Bahnhofskommandant in Tätigkeit und rief dem Weichenwärter des Buirer Stellwerkes Bw zu chance Maschine. Daraufhin wurde die Lok nach Gleis drei einfahren gelassen. In Gleis eins, am Bahnhofsgebäude, stand eine Lok aus der englischen Besatzungszone, die den D-Zug an der Einfahrweiche abholte. Die Züge mussten am Bahnsteig halten, alle Reisenden, es waren anfangs nur Ausländer, mussten aussteigen und am Fahrkartenschalter neue Fahrkarten kaufen. Im Warteraum war eine Wechselstube eingerichtet worden, um Devisen umzutauschen für deutsches Geld. Da ich von den Franzosen in Düren ausgewiesen worden war, arbeitete ich in der britischen Zone am Fahrkartenschalter in Buir. Die ausgestiegenen Reisenden standen Schlange an der Wechelstube und vor dem Fahrkartenschalter. Die Leute standen auf der Straße vor dem Bahnhofsgebäude 40 bis 50 Meter entfernt. Nach einigen Wochen hatten wir einen Schalterbetrieb, wie auf einem großen Stadtbahnhof. Es gab hier fertig gedruckte Fahrkarten nach vielen deutschen Großstädten und nach fast allen deutschen Grenzübergangstationen. Es war die Zeit der Inflation, jede Stadt hatte eigenes Geld. Unsere Mark wurde jeden Tag weniger wert. Für eine Mark musste man anfangs 1000 Mark, dann 10 000 Mark, dann 100 000 Mark, dann eine Million, später eine Milliarde, dann eine Billion zahlen. Als es an die Trillion herankam, kam die Aufwertung, bei der unser Geld im Verhältnis 10:1 umgetauscht wurde und jeder arm wurde, der es noch nicht war. Nach Schalterschluss hatten wir Schalterbeamten noch mehrere Stunden mit dem Sortieren des Geldes zu tun. Es gab Dürener-, Stolberger-, Aachener-, Kölner-, Düsseldorfer- und so weiter Stadtgeld, dazu allerlei Sorten Reichs-Inflationsgeld. Düren hatte sogar eigenes Hartgeld, Münzen mit dem Bild eines deutschen Stahlhelms, für die Besatzungstruppen waren die Münzen beliebte Souvenirs und wurden gehamstert. Bei jeder Änderung des Multiplikators (Wert der Mark) mussten wir die Fahrpreise auf den Fahrkarten ändern, nach Monaten war so oft geändert worden, dass der Abgangs- und Zielbahnhof kaum zu lesen waren. Während dieser Zeit kam täglich ein Güterzug in Buir an mit Gütern für die Betriebe des Gebietes Düren, Stolberg, Aachen und Umgebung, die von hier mit dem Lkw abtransportiert wurden. Da unsere Ladestraße hierfür nicht ausreichte, sind die Gleise acht und neun kurzfristig gebaut worden, damit die Güterwagen schnell entladen werden konnten, weil die Güter weite Strecken mit Lkw befördert mussten. Gleichfalls kamen täglich eine Anzahl Wagen mit Stückgütern in Buir an. Da das Personal auf Bahnhof Buir für solche Aufgaben nicht ausreichte, wurde eine Ladekolonne mit Lademeistern von Köln-Gereon nach Buir abgeordnet. Es waren größtenteils Leute aus Buir und Umgebung, die in Köln-Gereon beschäftigt wurden. Nach der Besatzungszeit sind die Gleise acht und neun bei manchem Anlass sehr dienlich gewesen, so zum Beispiel beim Bau des Westwalls, als ganze Züge Baumaterial, Zement, Eisen, Kies, Sand und anderes hier ankamen, die durch Fahrzeuge der Organisation Todt (dienstverpflichtete Lkw aus Mecklenburg, Pommern und andere) abgefahren wurden, was monatelang dauerte. Auch beim Bau des Nato-Flugplatzes Nörvenich kamen die Gleise acht und neun uns sehr zu Hilfe, weil die Ladestraßengleise dem normalen Verkehr dienen mussten. Unsere Kopf- und Seitenrampe wurde beim Bau des Flugplatzes fast täglich zum Entladen von übergroßen Straßanbaumaschinen und Geräten beansprucht. Heute sind die Gleise acht und neun Anschlussgleis für Bahnanschlussinhaber. Auf Anordnung der damaligen Regierung sollten Deutsche die Züge der französischen Regie nicht benutzen. Im französischen Betrieb gab es fast täglich Zugunfälle, weil der Eisenbahnbetrieb durch fachunkundiges Personal und durch das Durcheinander der technischen Anlagen durchgeführt wurde. |
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