Brühl und die Eisenbahn - Die Mödrath-Liblar-Brühler Eisenbahn |
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Winand Perillieux |
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Wie entstand diese heute fast vergessene Eisenbahn zwischen Erft und Kölner Bucht ? - Die vor der Jahrhundertwende einsetzende industrielle, landwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung beiderseits der Ville und im mittleren Erfttal erforderte zwingend die verkehrsmäßige Erschließung durch den seinerzeit wichtigsten Verkehrsträger Eisenbahn. Da der preußische Staat den Bau von Staatsbahnen für Erschließungszwecke damals nicht für wirtschaftlich hielt, erließ er am 28. Juli 1892 das "Gesetz über die Kleinbahnen und privaten Anschlußbahnen". Kraft Gesetzes konnten somit Bahnen nach einfachen und sparsamen Gesichtspunkten gebaut, mit kostensparenden Betriebsmitteln sowie Fahrzeugen ausgestattet und gewinnbringend betrieben werden. Nach diesen vom Gesetzgeber bestimmten Vorgaben begannen allerorts private Unternehmen oder Sonstige mit dem Bahnbau, wo dieser wirtschaftlichen Erfolg versprach. So kam es, daß die im Kleinbahnbau führende Westdeutsche EisenbahnGesellschaft in Köln sich u. a. um den Bau einer Strecke Mödrath - Liblar - Brühl bemühte. Nach Erteilung der Konzessionen vom 03.07.1897 bzw. 22.04.1898 durch die preußische Regierung begann die Gesellschaft mit dem Bau und nahm am 01.05.1901 den Betrieb der "Mödrath-Liblar-Brühler Eisenbahn", abgekürzt "MLB", zwischen diesen Orten auf. Lohnender Geschäftszweig und Schwerpunkt im Güterverkehr der MLB war die Beförderung von Braunkohlen, Briketts und Zuckerrüben von den Erzeugungsstätten an der Ville zu und von den anschließenden, um die Jahrhundertwende entstandenen Bahnnetzen der - Cöln-Bonner Kreisbahnen
(CBK, später Köln-Bonner Eisenbahnen, abgekürzt
KBE) mit Übergang in Vochem, Der Übergang vollzog sich in freizügigem Güterwagenaustausch mit den betreffenden Bahnen. In Vochem wurden an die CBK Wagenladungen mit Zuckerrüben für die Zuckerfabrik Brühl und mit Braunkohle und Briketts für Wesseling-Rheinhafen übergeben.
Im Brühl-Liblarer Revier waren die Gruben Donatus, Liblar, Maria Glück, Roddergrube und Gruhl durch Grubenanschlußbahnen mit der MLB verbunden. Der Güterumschlag mit der Staatsbahn war infolge der verschiedenen Spurweiten zunächst gering. Dies änderte sich jedoch schlagartig nach der Umstellung des Betriebs der MLB auf Regelspur.
Der Personenverkehr spielte sich, was die Zahl der Züge betraf, in bescheidenem Umfange ab. Dennoch konnten Brühler Bürger bereits kurz nach der Jahrhundertwende von Brühl aus Orte sowohl im Euskirchener Land - wie Lechenich, Zülpich - als auch im heutigen Erftkreis - wie Kerpen, Bergheim, Bedburg - ausschließlich mit der Bahn über Liblar erreichen, wenn auch mit Umsteigen in Liblar, Mödrath oder Horrem. In gegebenem Falle bestiegen unsere Fahrgäste aus Brühl den Zug der MLB in Vochem (südlich der Ecke Hauptstraße/Römerstraße) oder an der südlich und stadtgünstiger gelegenen Haltestelle Kaiserstraße (an der Einmündung der heutigen Leipziger Straße). Von dort setzte sich die Fahrt über einen Bogen in westlicher Richtung fort, an der Winterburg und nördlich Kloster Benden entlang. Anschließend wandte sich die Strecke, die Heider Villestraße kreuzend, nach Süden, erreichte über Bahnhof Gruhlwerk die Grube Maria Glück, wo sie nach Westen abschwenkte. Nun ging es auf die Haltestelle Grube Brühl zu, gleichlaufend zur Brühl-Liblarer Landstraße, die hinter der Haltestelle höhengleich gekreuzt wurde. Die Strecke erreichte dann die Eifelstrecke Köln - Trier, an der sie bis zum Nordkopf des Staatsbahnhofs Liblar entlanglief, um sich nach erfolgter Unterfahrung der Eifelstrecke (Eisenbahnbrücke) in nordwestliche Richtung zu wenden. In dieser Richtung führte sie längs des erftseitigen Villerückens weiter über die Haltestellen Liblar Dorf, Köttingen, Zieselmaar, Kierdorf, Brüggen, Türnich/Balkhausen bis zum Bahnhof Mödrath, dem Ausgangs- bzw. Endpunkt der Bahn. Unmittelbar hinter der Liblarer Eisenbahnbrücke zweigte ein Gleisbogen südlich zum MLB-Bahnhof Liblar ab, der gegenüber vom heutigen Bahnhof lag. Hier war u. a. wechselseitiges Umsteigen zwischen den Zügen der Staatsbahn, der MLB und den Euskirchener Kreisbahnen möglich. Die Fahrt der Personenzüge von Haltestelle Brühl Kaiserstraße bis Bahnhof Liblar dauerte rund 25 Minuten. Die Nachfrage nach Personenverkehrsleistungen war gering und ging in der Mitte der 20er Jahre stark zurück. Deshalb mußte die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen um 1927 den Personenverkehr zwischen Brühl und Liblar einstellen. Die Mödrath-Liblar-Brühler Eisenbahn war vielen Wandlungen unterworfen, die sich vielfältig auf den technischen, betrieblichen und organisatorischen Bereich auswirkten. Dieses soll nachstehend kurz beschrieben werden. Durch die immer stärker werdende industrielle Entwicklung, besonders im Braunkohlenbergbau, machte sich bereits wenige Jahre nach der Betriebseröffnung der Schmalspurbetrieb so nachteilig bemerkbar, daß man sehr bald mit der Umspurung auf Regelspurweite beginnen mußte. Nachdem dieses abschnittsweise unter zeitweiser Verwendung von zweispurigen Gleisen (Schmalspur/Regelspur gemeinsam) vollzogen worden war, wurde die MLB ab 19.12.1904 als regelspurige Nebenbahn betrieben. Eine entscheidende organisatorische Änderung erfolgte 1913: die MLB ging durch Verstaatlichung in das Eigentum der Königlich Preußischen Eisenbahn-Verwaltung (KPEV), Eisenbahndirektion Köln, über. Nach der Verstaatlichung, die durch das Großbauvorhaben der KPEV "Entlastungsstrecke Holzheim b. Neuß - Rommerskirchen - Mödrath - Liblar - Rheinbach - Eifel/Rheintal" ausgelöst worden war, wurde infolge dieser Maßnahme der bisherige Streckenabschnitt Mödrath - Liblar mit Unterbrechungen bis 1930 hauptbahnähnlich, jedoch eingleisig, ausgebaut. Er wurde von da ab als eigenständige Nebenbahn Horrem - Liblar mit Übergang in Liblar Dorf an die nunmehr als Nebenbahn Liblar-Vochem-Brühl bezeichnete Strecke betrieben. Diese "alte" MLB-Strecke erhielt 1913 durch den Bau eines Güterverbindungsgleises nördlich von Übergabebahnhof Vochem durchlaufenden Anschluß an den Güterbahnhof Brühl der KPEV, auf den dann nahezu alle Wagenladungen zuliefen, die in das Staatsbahnnetz übergingen. Ab 1942 begannen die Streckenverlegungen infolge Fortschreitens des Braunkohlenabbaus. 1942 wurde auf Veranlassung der Roddergrube AG der 3,5 km lange Abschnitt Liblar - Bf. Gruhlwerk verlegt und in westliche Richtung an die Eifelstrecke angeschwenkt. Dieser und der Abschnitt Bahnhof Gruhlwerk bis nordwestlich Heide fielen 13 Jahre später dem Braunkohlenabbau zum Opfer. Den verbleibenden Restabschnitt Kierberg-Vochem-Brühl führte man am 12.09.1955 mittels einer neu errichteten Abzweigstelle Kierberg-Heide in die Eifelstrecke ein, um Züge beider Strecken bis nach oder ab Liblar auf gleichen Gleisen fahren zu können. In jenen Jahren begann durch Auskohlung im Süden des rheinischen Braunkohlenreviers das Ende des Bergbaues sowie der Brikettfabrikation. Damit verbunden, aber auch durch die Folgen der Entwicklung des Straßenverkehrs ("Braunkohle und Zuckerrüben auf die Straße") erfolgte die Stillegung zahlreicher Bahnstrecken zwischen Rhein und Erft. Hiervon wurde schließlich auch der übriggebliebene Restabschnitt von Abzweigung Kierberg-Heide - Vochem - Brühl betroffen, den die Deutsche Bundesbahn am 31.05.1966 für immer stillegte. Der auf der
Mödrath-Liblar-Brühler Eisenbahn eingesetzte Lokomotiv-
und Wagenpark war vielfältig, wofür folgende Ursachen
zu nennen sind: Zur Schmalspurzeit waren zunächst zwei zweifach gekuppelte Naßdampf-Tenderlokomotiven, gebaut von den Firmen Vulcan/Stettin und Hohenzollern/Düsseldorf, und später leistungsstärkere Lokomotiven der Bauart Mallet eingesetzt. Letztere, ebenfalls von Hohenzollern gebaute vierachsigen Naßdampf-Gelenklokomotiven bestanden u. a. aus zwei getrennten, kurvenläufigen Triebwerken und arbeiteten nach dem Vierzylinder-Verbundsystem. Nach Aufnahme des Regelspurbetriebes beschaffte die Westdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft von der Deutzer Lokomotivfabrik Humboldt dreifach gekuppelte Naßdampf-Tenderlokomotiven (als "preußische T3" bekannt). Sie erwiesen sich oft als zu schwach, so daß Doppeleinsatz vor allem bei den schweren Zügen im Herbstverkehr erforderlich wurde. Die vorhin genannten Lokomotiven waren für den Personen- und Güterverkehr bestimmt, ihr Heimat-Bahnbetriebswerk (Wartung, Instandsetzung) befand sich in Mödrath. Nach der Verstaatlichung richtete die Eisenbahndirektion Köln die Lokstation Liblar ein, von wo aus die von der MLB übernommenen Lokomotiven der Gattung T3 und leistungsstärkere, vierfach gekuppelte Heißdampfschlepptenderlokomotiven der Gattung G8, (Reichsbahn-)Baureihe 55, eingesetzt wurden. Letztere wurden um 1930 nach Auflösung der Lokstation Liblar durch noch stärkere, in der Bauart ähnliche Lokomotiven der Gattung G8.1, ebenfalls (Reichsbahn-)Baureihe 55, des Bahnbetriebswerks Köln-Eifeltor ersetzt. Sie haben bis zur Stillegung der Strecke im Jahre 1966 ihren Dienst getan. Ergänzend bleibt zu bemerken, daß auch die bewährte, fünffach gekuppelte Heißdampfschlepptenderlokomotive der (Reichsbahn-)Baureihe 50 vor allem während des Krieges und danach verwendet wurde. In den Jahren vor 1966 waren auch vierfach gekuppelte Güterzugtenderlokomotiven der (Reichsbahn-)Baureihe 93 (preuß. T14.1) des Bahnbetriebswerkes Bergheim/Erft zu sehen. In den "schmalspurigen" Anfangsjahren der Bahn genügten offene zweiachsige Güterwagen mit 7,5 t Tragfähigkeit und wenige gedeckte Güterwagen den Ansprüchen. Der Regelspurbetrieb und die damit ausgelöste Verkehrssteigerung brachten einen bedeutenden Fortschritt, weil nunmehr fast alle Güterwagenbauarten der Staatsbahn freizügig verwendet werden konnten. Meistens waren es zweiachsige offene Einheitsgüterwagen mit 15 t Tragfähigkeit. Interessanterweise kamen ab Mitte der 30er Jahre bis zur Stillegung auch die Kübelwagen der Köln-Bonner Eisenbahnen (KBE) für den Hafenumschlag in Wesseling zum Einsatz. Diese in geschlossenen Zügen laufenden mit Briketts beladenen Wagen beförderte die Reichsbahn/Bundesbahn von den um Liblar/ Brüggen(Erft) liegenden Braunkohlengruben und vom Gruhlwerk bis zum Übergabebahnhof Vochem, von wo sie die KBE nach Wesseling-Rheinhafen weiterbeförderte. Der Personenwagenpark war sehr klein. Er bestand zunächst aus 3-4 schmalspurigen Personenwagen mit 2 zweiachsigen Drehgestellen der Kleinbahnbauart und einem Packwagen. Die Einrichtung war sehr einfach: Holzbänke, Kohleöfen und Petroleumbeleuchtung. Später beim Regelspurbetrieb wurden einige zweiachsige Nebenbahnwagen eingesetzt, die mit Dampfheizung und Gasbeleuchtung ausgestattet waren. In baulicher Hinsicht war die Strecke entsprechend den Bestimmungen des Kleinbahngesetzes sehr einfach gestaltet. Sie verlief fast ausschließlich in Geländehöhe ohne nennenswerte Erd- und Kunstbauten und alle Straßenverkehrswege höhengleich kreuzend. Lediglich in Liblar befand sich, wie schon erwähnt, eine Eisenbahnbrücke für die Unterfahrung der Eifelstrecke. Die größte Streckenlängsneigung war mit 1:42,4 bemessen, der kleinste Gleisbogenhalbmesser betrug 180 m. Heute erinnert örtlich kaum noch etwas an eine Eisenbahn, die einen wichtigen Beitrag zur Erschließung und für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Heimat geleistet hat. Hier und da findet der aufmerksame und für Eisenbahngeschichte aufgeschlossene Wanderer bei näherem Zusehen Spuren der Bahnstrecke wie z. B. in Kierberg am ehemaligen Bahnübergang Winterburg, Haus Nr. 60. Wo früher die Auspuffschläge der bergwärts nach Liblar fahrenden Dampflokomotiven zu hören waren, dröhnt heute Tag und Nacht der Lärm des Straßenverkehrs. Erhalten geblieben ist ein schweres gußeisernes Warnschild aus preußischer Zeit, das früher am Bahnübergang gestanden hat. Die in erhabenen schwarzen Buchstaben gefertigte Aufschrift lautet: |
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Halt |
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Es war einmal ... |
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Tabellarische Übersicht |
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Mödrath-Liblar-Brühler
Eisenbahn (MLB) |
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Eigentümer, Betriebsführung |
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1899 - 1913 |
Betriebsdirektion Horrem |
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1913 - 1920 |
(KPEV), Eisenbahndirektion Köln |
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1920 - 1924 |
Reichsbahndirektion Köln |
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1924 - 1937 |
Reichsbahndirektion Köln |
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1937 - 1951 |
Reichsbahndirektion Köln |
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1951 - 1966 |
Bundesbahndirektion Köln |
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Zeittafel |
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Schmalspurige Kleinbahn mit 1,000 m Spurweite, Personen- und Güterverkehr |
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01.03.1899 |
Inbetriebnahme Abschnitt Mödrath - Liblar, rd. 12,3 km Länge |
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01.05.1901 |
Inbetriebnahme Abschnitt Liblar - Brühl - Vochem, rd. 8,3 km Länge Gesamtlänge: 20,6 km |
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Regelspurige Nebenbahn mit 1,435 m Spurweite, Personen- und Güterverkehr |
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19.12.1904 |
Vollendung der Umspurung der Gesamtstrecke von Schmalspur auf Regelspur |
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01.01.1913 |
Verstaatlichung der Mödrath-Liblar-Brühler Eisenbahn und Übernahme durch die Königlich Preußische Eisenbahn-Verwaltung (KPEV) |
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15.09.1913 |
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um 1927 |
Einstellung des Personenverkehrs |
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15.03.1930 |
Abschluß des hauptbahnähnlichen Ausbaues des Abschnitts Mödrath - Liblar. Nunmehr eigenständige Strecken Horrem - Mödrath - Liblar (Personen- und Güterverkehr) und Liblar - Vochem - Brühl (Güterverkehr) |
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1942 |
infolge Braunkohlenabbau Stillegung und Abbruch des Abschnitts Liblar - Bahnhof Gruhlwerk und ersatzweise Neuverlegung gleichlaufend zur Eifelstrecke Köln - Trier mit Übergang zu Bahnhof Gruhlwerk |
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11.05.1945 |
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12.09.1955 |
Inbetriebnahme der neuen Abzweigstelle Kierberg-Heide an der Eifelstrecke mit Einführung des (Rest-) Abschnitts Heide - Vochem - Brühl. Stillegung des Abschnitts Liblar - Bf. Gruhlwerk - Heide |
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1960 |
Stillegung des Verbindungsgleises nördlich Übergabebahnhof Vochem (Bezirk IV) bis Güterbahnhof Brühl der OB |
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31.05.1966 |
Stillegung des Abschnitts Abzweigstelle Kierberg - Heide - Vochem und somit Einstellung des Gesamtbetriebes Liblar - Brühl. |
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Aus: Eine Stadt
erlebt ihre Verkehrsgeschichte - Brühl im Straßennetz
des Rheinlandes, Brühl und die Eisenbahn - Eine
Veröffentlichung zur Ausstellung vom 24.8.-18.9.1985 Galerie
am Schloß in Brühl - Herausgeber Stadt Brühl -
Der Stadtdirektor, Redaktion: Hans-Joachim Leven, Verfasser
Hans-Joachim Leven, Bert Noethen, Winand Perillieux, Günter
Weber, |