Brühl und die Eisenbahn - Eifelstrecke und Kaiserbahnhof |
|
|
|
Hans Joachim Leven |
|
|
|
Die Planungen zum Bau einer Eisenbahnstrecke durch die Eifel entsprangen in erster Linie dem Wunsch, die dort vorhandenen Eisenerzgruben zu erschließen und auf diese Weise die Armut der Bevölkerung zu mindern. Schon 1843 gab es Bestrebungen, einen Bahnanschluß an die Linie Köln-Aachen der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft herzustellen, indem der Bau der Strecke Schleiden-Düren beantragt wurde. Der Staat beteiligte sich damals noch nicht am Eisenbahnbau, so daß dieser ganz der Privatinitiative überlassen blieb. Nachdem nun seit der Eröffnung der erster Eisenbahn in Deutschland die Betriebsergebnisse einiger Bahnlinien nicht den in sie gesetzten Erwartungen entsprachen, hatte die erste Begeisterung für den Bau neuer Eisenbahnstrecken schon stark nachgelassen, so daß die Finanzierung der geplanten Strecke nicht sichergestellt werden konnte. Der Gedanke an den Bau einer "Eifelbahn" wurde erst viele Jahre später wieder aufgegriffen, als sich 1861 in Mechernich ein "provisorisches Comité zur Förderung des Baues der Eisenbahn von Köln resp. Brühl nach Trier" bildete. Der Bau der Linie Düren - Euskirchen - Kall war inzwischen der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft genehmigt worden und schon teilweise begonnen, doch es lag natürlich im Interesse der Gruben- und Bergwerksbesitzer, daß ein direkter Schienenweg nach Köln, zumindest über einen Anschluß an die Rheinstrecke Köln - Bonn hergestellt würde. Mit Gesetz vom 7. Juli 1866 wurde daher der Bau der Linien Kall-Trier einerseits und Euskirchen - Sechtem oder Euskirchen - Brühl andererseits angeordnet und der mit der Bauausführung beauftragten Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft die Auflage erteilt, den nördlichen Abschnitt spätestens mit der Inbetriebnahme des südlichen zu eröffnen. Wegen der bereits bestehenden Verbindung nach Köln über Euskirchen - Düren konzentrierte sich die R.E.G. jedoch zunächst auf den südlichen Abschnitt und eröffnete diesen bis 1871 durchgehend bis Trier, ohne in Nordabschnitt mit den Arbeiten begonnen zu haben. Dies führte zu erheblichen Protesten der Anlieger, da für "die Fracht auf dem mehr als 4 Meilen längeren jetzigen Umwege über Düren für die bedeutenden Massentransporte, die täglich diese Route passieren müssen, erdrückende Frachtsätze der Rheinischen Eisenbahn" erhoben würden. (Anmerkung: 1 Meile = 7,5324 km) Nicht zuletzt wegen dieser Proteste wurden die Vorarbeiten für den nördlichen Abschnitt schließlich fortgesetzt. Der Anschluß an die Bonn - Kölner Linie bei Sechtem hätte den Bau eines Tunnels zur Unterquerung der Ville erfordert. Die R.E.G. entschied sich daher für die heute noch bestehende Streckenführung von Euskirchen über Weilerswist, Liblar und Kierberg nach Kalscheuren, für die lediglich zwischen Liblar und Kierberg ein längerer Einschnitt angelegt werden mußte und die insgesamt günstigere Steigungsverhältnisse aufwies. Der Bau der Bahnlinie wurde 1872 genehmigt, die Eröffnung erfolgte - zunächst eingleisig - am 1. Oktober 1875, also vor 110 Jahren. Zwei Jahre später wurde auf der Roddergrube das erste Brikett gepreßt, und die nun einsetzende, durch das Vorhandensein einer Eisenbahnstrecke stark geförderte Industrialisierung des rheinischen Braunkohlenbergbaus ließ entlang dem Abschnitt Liblar-Kierberg, der quer über die Braunkohlenlagerstätten führte, zahlreiche Brikettfabriken entstehen. Unter diesen befanden sich außer der der bereits erwähnten Roddergrube die der Gruben Brühl und Gruhl. Jede dieser Brikettfabriken verfügte über ihr eigenes Anschlußgleis an die Eifelstrecke, so daß die hier produzierten Briketts direkt im Werk in Eisenbahnwagen verladen werden konnten. Die Braunkohlen-, Brikett- und sonstigen Gütertransporte auf der Eifelstrecke machten bald den Ausbau auf 2 Gleise erforderlich. Ein Übergabebahnhof von besonderer Größe und ausschlaggebender Bedeutung für Brühl wurde in Kierberg angelegt. Dieser Übergabebahnhof, der heute vollständig abgebaut ist, diente bis in die 60er Jahre dem Abtransport von Kohlen- und Brikettzügen der Gruhlwerke I und II. Überhaupt war die gesamte bauliche Entwicklung des Abschnitts Liblar - Kierberg unmittelbar von der Entwicklung des Braunkohlenbergbaus im Südrevier abhängig. Durch die fortschreitenden Abbaugrenzen der Tagebaue Grube Brühl und Roddergrube wurde die Anschwenkung der Nebenbahn (Mödrat-)Liblar-Vochem-Brühl erforderlich, die ab 1942 im Abschnitt Liblar-Brikettfabrik Roddergrube parallel zur Eifelstrecke verlief. Um 1950 ergab sich für beide Strecken, ebenfalls bedingt durch den Abbau der Braunkohle, die kuriose Situation, daß der Abschnitt Liblar - Kierberg der Eifelstrecke, der ursprünglich in einem Geländeeinschnitt verlief, stellenweise über einen Damm führte, der bis zu 40 m über das umliegende Gelände herausragte. Rechts und links der Strecke waren ausgekohlte Tagebaue zu sehen, während der Damm selbst noch ungefähr acht Millionen Tonnen Kohle enthielt. Zur Sicherung dieses Dammes gegen Rutschungen und Brand wären umfangreiche Maßnahmen erforderlich gewesen, so daß sich die Roddergrube AG entschloß, die parallel verlaufenden Linien Köln-Trier und (Mödrath-)Liblar-Brühl in diesem Abschnitt zu verlegen und die Braunkohle abzubauen. Dabei war geplant, beide Strecken zwischen Liblar und Heide zu vereinigen. restliche
"Die Bundesbahnstrecke Kierberg-Liblar wird verlegt"
Neben der Verschwenkung der Strecke in südliche Richtung, die eine teilweise Durchschneidung von Kierberg sowie eine Verlegung des Bahnhofs Liblar zur Folge gehabt hätte, bestand die Möglichkeit der Verschwenkung in die ausgekohlten Teile der Tagebaue Gruhlwerk und Liblar. Da diese Linienführung eine günstigere Trassierung ermöglichte als die erstgenannte und gegenüber der alten Strecke aufgrund verbesserter Steigungsverhältnisse und Kurvenradien sogar Fahrzeitgewinne versprach, wurde mit ihrer Ausführung begonnen. Im Spätsommer 1955 konnte die verlegte Strecke eröffnet werden. Gleichzeitig wurde die Abzweigstelle Kierberg-Heide in Betrieb genommen, an der die nun von Liblar aus die gleichen Gleise benutzende Nebenbahn wieder auf einen eigenen Gleiskörper geführt wurde. Der Abbau der alten Strecke und die Bergung der Braunkohle erfolgte kurze Zeit später. Der entstehende breite Graben, für dessen Auffüllung nicht genügend Abraum zur Verfügung stand, wurde mit Wasser gefüllt: es entstanden der Schluchtsee und der Heider Bergsee.
Der Brühler Personenbahnhof der Eifelstrecke wurde in der Nachbargemeinde Kierberg erbaut. Unter allen Bahnhöfen an der Eisenbahnlinie von Köln nach Trier nimmt er eine Sonderstellung ein: als Repräsentationsbahnhof für die Kaiserbesuche wurde das Empfangsgebäude bewußt aufwendig gestaltet. Von hier aus fuhr Wilhelm I., wenn er anläßlich der Herbstmanöver auf dem Brühler Schloß weilte, zu den Manöverschauplätzen in der Nordeifel. Um die Bedeutung des Gebäudes zu unterstreichen, wurde es mit einem großzügigen Park umgeben, der mit seltenen Bäumen bepflanzt wurde. Außerdem wurde zur direkten Verbindung mit dem Schloß eine prächtige Allee angelegt, die noch heute den Namen "Kaiserstraße" trägt. Außer zu Repräsentationszwecken diente der Bahnhof auch dem überörtlichen Ausflugsverkehr, er war vor allem der Treffpunkt der Kölner Gesellschaft. Das Empfangsgebäude erhielt dazu eine große Gaststätte und eine weitläufige Terrasse, die von Laubengängen und einem Musikpavillon eingefaßt war. Ebenso war das Dach des eingeschossigen Wartesaals I. und II. Klasse als Terrasse benutzbar. Vom obersten Geschoß des Treppenturmes aus bietet sich eine weite Aussicht. Als die Deutsche Bundesbahn die weitläufigen Anlagen nicht mehr zur Abwicklung des Reiseverkehrs benötigte, errichtete sie neben dem Musikpavillon einen modernen kleinen Zweckbau und verkaufte 1977 das Empfangsgebäude samt Außenanlagen. Der Bahnhofspark ging in den Besitz der Stadt Brühl über, die den Wildwuchs der vergangenen Jahre beseitigte, ohne zerstörend in den Baumbestand einzugreifen. Das unter Denkmalschutz stehende Empfangsgebäude, dessen Außenfassaden nicht umgestaltet werden dürfen, befindet sich heute in Privatbesitz und wird zu Wohn- und gastronomischen Zwecken genutzt. Betrieblich weist die Eifelstrecke als Besonderheit auf, daß sie in ihrem südlich von Euskirchen gelegenen Teil aufgrund zahlreicher Krümmungen und Neigungsverhältnissen bis zu 15 % den Charakter einer "Gebirgsbahn" hat. Sie hob sich dadurch deutlich von den übrigen Strecken im Netz der Rheinischen Eisenbahngesellschaft ab. Vor der Eröffnung des Abschnitts Kalscheuren-Euskirchen mußte außerdem auf dem Weg von oder nach Köln in Düren und in Euskirchen die Fahrtrichtung des Zuges geändert werden. Diesen z. T. ungewöhnlichen Betriebsverhältnissen zufolge mußte die R.E.G. besondere Triebfahrzeuge beschaffen. Dies geschah in den ersten Jahren mit Tenderlokomotiven der Achsfolge 2'B, die nach dem Muster der seit 1864 für die Londoner Untergrundbahn gelieferten Maschinen gebaut waren. Aus lauftechnischen Gründen und zur Vergrößerung der mitgeführten Vorräte (Kohle, Wasser) wurden diese Lokomotiven später jedoch mit einem Tender versehen, wie auch für Neubeschaffungen Schlepptenderlokomotiven gewählt wurden. In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen sogar Malletlokomotiven zum Einsatz, d. h. Lokomotiven mit einem Doppeltriebwerk.
Während der jüngeren Dampflokzeit war das Bild der Personenzüge auf der Eifelstrecke wesentlich durch die preußischen Lokomotiven der Gattung P10, später Baureihe 39, geprägt. In den letzten Jahren des Dampfbetriebes wurden diese dann abgelöst durch die Schnellzuglokomotiven der Baureihen 01 und 03. Im Güterverkehr waren Lokomotiven der Baureihe 55, nach dem 2. Weltkrieg auch verstärkt der Baureihen 41 und 50, im Einsatz. Heute wird der Zugverkehr ausschließlich mit Diesellokomotiven abgewickelt Entsprechend den ursprünglichen Planungen diente die Eifelstrecke in der Hauptsache dem Güterverkehr, der Personenverkehr spielte eine weniger tragende Rolle. Obwohl sie durch ihre Lage in der Mitte zwischen den etwa 100 km auseinanderliegenden Strecken Lüttich-Luxemburg und Köln-Koblenz-Bingerbrück eine wichtige Nord-Süd-Verbindung im westlichen Eisenbahnnetz darstellt, erreichte sie zumindest im Personenverkehr nie die Bedeutung der Rheinstrecke. In den ersten Jahren bildeten Zugpaare zwischen Köln und Trier das Rückgrat des Personenverkehrs. Wesentlich später dann wurden höherwertige Züge, neben zahlreichen Eilzügen auch zwei D-Zug-Paare, die die Strecke Köln Hbf - Euskirchen ohne Halt durchfuhren, eingesetzt, sowie zahlreiche Personenzüge zwischen Euskirchen und Köln zur Bewältigung des Pendlerverkehrs. Das Prädikat "Schnellzugstrecke" ging 1982 vorübergehend wieder verloren, als die Deutsche Bundesbahn die beiden traditionellen D-Zug-Paare Köln - Saarbrücken in Eilzüge umwandelte. Inzwischen wird die Eifelstrecke jedoch wieder von D-Zügen in der Relation (Emden -) Münster - Trier befahren. Eine Verbesserung im Nahverkehrsangebot insbesondere für Brühl wurde zu Beginn der 70er Jahre diskutiert, als Neuordnungspläne zur besseren Nutzung der zwischen Köln und Bonn verlaufenden 3 Gleispaare (Rheinuferbahn, DB-Strecke Köln - Bonn, Vorgebirgsbahn) bestanden. Die Nahverkehrszüge der Eifelstrecke sollten danach zwischen Hürth-Fischenich und Brühl-Badorf die Gleise der Vorgebirgsbahn nutzen und von dort über eine 8 km lange Neubaustrecke bei Weilerswist wieder an die bestehende Linie geführt werden. Aus verkehrspolitischen Gründen jedoch wurden diese Pläne nicht weiter verfolgt. Statt dessen ist nach der heutigen Planung in dem von Köln ausgehenden S-Bahn-Netz eine S-Bahn-Linie Köln Hbf - Euskirchen über die vorhandene, noch zu elektrifizierende Strecke mit einem zusätzlichen Halt in Brühl-Heide vorgesehen. |
|
|
|
|
|
|
|
Aus: Eine Stadt
erlebt ihre Verkehrsgeschichte - Brühl im Straßennetz
des Rheinlandes, Brühl und die Eisenbahn - Eine
Veröffentlichung zur Ausstellung vom 24.8.-18.9.1985 Galerie
am Schloß in Brühl - Herausgeber Stadt Brühl -
Der Stadtdirektor, Redaktion: Hans-Joachim Leven, Verfasser
Hans-Joachim Leven, Bert Noethen, Winand Perillieux, Günter
Weber, |