Anekdoten um die Bergheimer Kreisbahn


von Georg Vetten (Kenten)

In Bergheim stand das Zügelchen nach Rommerskirchen wieder einmal abfahrbereit im Bahnhof. Eigentlich hätte dasselbe schon halbwegs Fortuna sein müssen, doch fehlte der Schaffner und Bremser. Endlich hatte man einen Ersatz aufgetrieben. Diese Person schien jedoch besser für den Bremsposten als für den Schaffnerdienst geeignet zu sein. Nach Aushändigung der Geldtasche und dem Fahrkartenetui, dampfte der „Feuerige Elias“ ab.

... „Ach Döres, fährst du auch mit“, sprach der Hilfsschaffner den zunächst zur Tür sitzenden Fahrgast an. Als er erfahren hatte, daß der Döres bis Rommerskirchen fahren wollte, reichte der praktische Schaffner dem Fahrgast das Kästchen mit den Karten und forderte ihn auf, sich die Entsprechende herauszusuchen. „Stimmt das Geld?“ fragte unser Hilfsschaffner. Als dies bejaht wurde, klimperten die Groschen schon in der Geldtasche.

Der nächste Fahrgast, ein vornehm gekleideter Herr. „Wie weit fährst du“ war die „höfliche“ Frage. Erstaunt musterte der Herr den robusten Beamten. „Erlauben Sie mal, Sie sind wohl ...“ weiter kam der Fahrgast nicht. „Ich habe keine Zeit zum erlauben“ fiel der Schaffner ihm ins Wort. „wie weit du fährst, will ich wissen.“ Darauf gekränkten Tones unser Fahrgast: „Bis Niederaußem“. Dem Herrn wurde der Fahrkartenvorrat präsentiert. Er bediente sich und gab dann dem Eisenbähner einen Taler zum Abhalten des Fahrpreises. „Stimmt“, rief der Schaffner und das Geldstück verschwand in der Ledertasche. Der diensteiferige Schaffner wollte sich in Bewegung setzen, als der Fahrgast ihn energisch am Rockschoß faßte und wieder etwas von „Erlauben“ sagte. Wie von Nattern gestochen, flog der Uniformierte herum und schrie: „schon wieder mal erlauben. Meinst du ich wäre für dich allein hier? Es sind noch mehr Leute im Zuge, die bedient sein wollen.“ Jetzt war der Fahrgast aber auch im Dampf. Mit Nachdruck verlangte er das zuvielgezahlte Geld heraus. „Verlange“, entrüstete sich der Schaffner. „Männche, Männche, nun halt aber die Luft an, ws hast du zu verlangen. Das Geld stimmt, damit basta.“ Ohne Säumen verließ er das Abteil.

In Niederaußem eilte der geschädigte Fahrgast zum Zugabfertiger. Diesem klagte er sein Mißgeschick. Zum Glück kannte der Niederaußemer den neugebackenen Schaffner besser, als die Herren in Bergheim. Es fand eine Revision in der Angelegenheit statt, der Reisende erhielt den zuviel gezahlten Betrag zurück. Zu seiner Verteidigung brachte der Schaffner vor, daß beim ersten Fahrgast das Geld gestimmt hätte und hernach bei den anderen Reisenden auch, weshalb sollt der zweite Fahrgast hierbei eine Ausnahme machen. Nun dämmerte es den Vorgesetzten, daß man den Bock zum Gärtner gemacht hatte. Rasch war die Schaffner-Laufbahn für unseren Eisenbähner zu Ende. Auf der Stelle wurde der arme Kerl degradiert. Die Geld- und Billettasche mußte der Zugführer an sich nehmen und den Schaffnerposten mitversehen.

Unterdessen stand der seiner Würde Entkleidete an der Bremse, wo er von Rechts wegen schon zum Beginn der Fahrt hingehörte. Er dachte über die ungerechte Menschheit nach. „Undank ist der Welt Lohn,“ so gings ihm durch den Sinn. Aus Gutheit hatte er sich für den fehlenden Schaffner zur Verfügung gestellt. Es hätte ja noch alles gut gegangen, wäre der nobele Herr in der Lage gewesen, sein Fahrgeld richtig abzuzählen. -

Einige Zeit später finden wir unseren Aushilfsschaffner als Schrankenwärter am Kentener Übergang. Hier führte er ein beschauliches Dasein. Es fuhren wenige Züge und wurde auch wenig rangiert. Frühzeitig sicherte er beim Herannahen eines Zuges den Übergang. Hier versah er also seinen Dienst gewissenhaft. Eines Mittags hatte er wieder die Schranken geschlossen und hielt Ausschau nach dem Zügelchen, das man in Fortuna abgelassen hatte. Da hielt eine Herrschaftskutsche vor der Barriere. Ungeduldig tänzelten die beiden wertvollen Pferde. Ein Herr ließ das Wagenfenster herab und rief: „He Schrankenwärter, Sie können uns noch ruhig durchlassen, denn der Zug ist noch nicht in Sicht.“ „Nein“, gab der Eisenbähner zurück, „das gibt es nicht, wenn du auch der Landrat bist, warten mußt du darum doch, genau so wie andere Leute“ ...

Das war so etwas wie Männerstolz vor Königsthronen in der guten alten Zeit. Dabei war der vom Schrankenwärter in die Schranken verwiesene Landrat auch noch der „Vater“ des Kreisbähnchens, der unvergeßliche Graf Beißel.

Unbekannte Sammlung: Wahrscheinlich Artikel Kölnische Rundschau
Hinweis: Redaktion: Dr. P.J. Hasenberg, Köln, Stolkgasse 25/31

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