Aus dem
Amtsblatt
Der Königlichen Regierung zu Cöln


Nro. 1254. Genehmigungsurkunde.

Zur Herstellung
und zum Betriebe einer Kleinbahn von Frechen über Möderath nach Kerpen für die Beförderung von Personen und Gütern mittelst Dampfkraft wird dem Kommunalverband des kreises Bergheim auf Grund des Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen vom 28. Juli 1892 im Einvernehmen mit der von dem Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten bezeichneten königlichen Eisenbahndirektion hier, vorbehaltlich der Rechte Dritter, auf die Zeitdauer von fünfzig Jahren unter nachstehenden Bedingungen hierdurch die Genehmigung ertheilt.

1. Die Bahnlinie ist nach Maßgabe der von dem Unternehmer vorgelegten und nach stattgehabter Vorprüfung mit einem bezüglichen Vermerke versehenen Lage- und Höhenpläne und der gemäß dieser Prüfung nachträglich in die Pläne eingetragene Aenderungen und Ergänzungen, und soweit dabei zu einzelnen Punkten die Entscheidung über die Führung der Linie und die Lage der Stationen und Haltestellen noch nicht stattgefunden hat, mit Vorbehalt der späteren Genehmigung herzustellen.
Ebenso bleiben diejenigen Aenderungen und Ergänzungen vorbehalten, welche in Folge der in Gemäßheit der §§ 17 und 18 des vorbezeichneten Gesetzestheils bereits vorgenommenen, theils noch vorzunehmenden Offenlegung der Pläne bei Feststellung derselben noch anzuordnen sein sollten.
Für den Bahnkörper und den mit 1 Meter Spurweite des Gleises anzulegenden Oberbau, sowie für die Betriebsmittel sind die genehmigten, bzw. noch zu genehmigenden Zeichnungen maßgebend, und darf auch bei späteren Ergänzungen der Bahnanlage und der Betriebsmittel ohne Zustimmung der unterzeichneten Behörde von der durch die Genehmigung festgesetzten Konstruktion nicht abgewichen werden.
Die Vollendung und Inbetriebnahme muß längstens innerhalb zwei Jahren nach der Veröffentlichung dieser Genehmigung in dem Regierungsamtsblatte erfolgen.

2. Für die Benutzung öffentlicher Straßen und Wege sind neben dem festgestellten Bauplane die mit den betreffenden Straßen- und Wegebauverwaltungen getroffenen Vereinbarungen maßgebend.

3. Bei der Ausführung des Baues hat der Unternehmer dafür zu sorgen, daß die Benutzung der öffentlichen Wege durch die Bauarbeiten nicht verhindert oder erschwert wird, und daß die in oder an dem Straßenkörper befindlichen Anlagen keinen Schaden erleiden. Den von der Wegepolizeibehörde dieserhalb getroffenen Anordnungen ist Folge zu leisten.

4. Der Unternehmer ist auf Anfordern der Aufsichtsbehörde gehalten, Privatbetheiligten den Anschluß an ihre Linien zu gestatten, und findet in Ermangelung gütlicher Vereinbarung über die Bedingungen des Anschlusses und seines Betriebs der zweite Absatz des § 10 des Gesetzes Anwendung.

5. Der Unternehmer ist gehalten, die Bahn für die Dauer ihrer Genehmigung ordnungsgemäßig zu betreiben. Zu diesem Zwecke ist die Bahn nebst den Betriebsmitteln fortwährend auszurüsten und in einem solchen Zustande zu erhalten, daß dieselbe mit der in Nr. 9 festgesetzten größten Geschwindigkeit befahren werden kann.

6. Die mit der Leitung der Bau- und Betriebsverwaltung betrauten Personen (Vorstand) sind der Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Ebenso ist derselben von einer hierin eintretenden Aenderung Kenntniß zu geben.

7. Alle im äußeren Betriebsdienste beschäftigten Bediensteten (Maschinenführer, Schaffner, Kontroleure, Haltestellenvorsteher u.s.w.) müssen diejenige körperliche und geistige Fähigkeit und diejenige Zuverlässigkeit besitzen, welche ihre Berufspflicht erfordert. Zu Maschinenführern dürfen nur solche Personen angenommen werden, welche nach einer mindestens sechsmonatlichen Arbeit in einer Maschinenbau- oder Maschinenreparaturwerkstätte und nach mindestens ebenso langer Lehrzeit als Maschinenführer durch eine Prüfung und durch Probefahrten ihre Befähigung nachgewiesen haben.
Ob und inwieweit aus besonderen Gründen eine kürzere Beschäftigung in einer Maschinenwerkstätte und als Lehrling für ausreichend zu erachten ist, bestimmt die eisenbahntechnische Aufsichtsbehörde.
Ueber alle im äußeren Betriebsdienste beschäftigten Bediensteten sind Nachweisungen zu führen, welche über ihr Alter, ihr etwaigen gerichtlichen und disciplinaren Bestrafungen und über sonstige, für die Befähigung und Zuverlässigkeit für ihren Dienst erheblichen Umstände Auskunft geben müssen. Auf Erfordern sind diese Nachweisungen der Aufsichtsbehörde vorzulegen.
Bedienstete, welche sich als unfähig oder als unzuverlässig für ihren Beruf erwiesen haben, sind auf Erfordern der Aufsichtsbehörde aus ihrem Dienste zu entlassen.

8. Die zu dem Verkehr mit dem Publikum berufenen Beamten müssen bei ihrer Dienstausübung durch Dienstkleidung oder ein sonstiges gleichmäßiges Abzeichne als solche kenntlich und mit einer an der vorderen Seite der Kopfbedeckung zu tragenden Nummer versehen sein.

9. Die Geschwindigkeit der Fahrten darf vorbehaltlich besonderer Bestimmung für sich als besonders gefährdet erweisende Punkte, innerhalb der ortschaften 10, auf den Straßen und Wegen 20, und auf denjenigen Strecken, wo die Bahn auf eigenem Bahnkörper belegen ist, 30 Kilometer in der Stunde nicht übersteigen. Im übrigen wird die Einrichtung des Fahrplans für die ersten drei Betriebsjahre dem Ermessen des Unternehmers überlassen. Nach Ablauf dieses Zeitraums bleibt Bestimmung darüber vorbehalten, inwieweit der Fahrplan der Feststellung durch die Aufsichtsbehörde unterliegen soll.
Ein jeder Fahrplan ist sowohl dem unterzeichneten Regierungs-Präsidenten, als auch der eisenbahntechnischen Aufsichtsbehörde mitzutheilen.

10. Die Festsetzung der Beförderungspreise steht dem Unternehmer fünf Jahre nach der Betriebseröffnung zu. Von einer jeden Festsetzung und einer jeden Aenderung der Beförderungspreise, sowie von den allgemeinen Anordnungen hinsichtlich der Beförderungsbedingungen ist ebenfalls den vorgenannten Behörden Anzeige zu erstatten.

11. Die Fahrpläne für den Personenverkehr und die Beförderungspreise für den Personen- und Güterverkehr sind mindestens 3 Tage, Erhöhungen der Beförderungspreise aber mindestens 14 Tage vor ihrer Einführung durch das in Bergheim erscheinende amtliche Kreisblatt, sowie durch Aushang, und zwar der Fahrpläne und der Personenbeförderungspreise in den Personenbahnhöfen und Wartehallen, der Güterbeförderungspreise in den zur Güterabfertigung bestimmten Räumen zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

12. Die Zeitabschnitte, in welchen die Betriebsmaschinen, abgesehen von der Vornahme erheblicher Aenderungen, der Prüfung durch die zur eisenbahntechnischen Beaufsichtigung der Bahn zuständige Behörde zu unterwerfen sind, werden auf je drei Jahre bestimmt.
Sowohl bei der ihrer Einstellung in den Betrieb vorhergehenden, wie auch bei den späteren periodischen Prüfungen der Betriebsmaschinen sind diejenigen Vorschriften gleichmäßig zu beachten, welche jeweilig für die entsprechenden Prüfungen der auf Nebeneisenbahnen zur Verwendung kommenden Betriebsmaschinen gelten.

13. Ueber das in dieser Genehmigung bezeichnete Unternehmen ist nach näherer Bestimmung der Aufsichtsbehörde eine besondere Rechnung zu führen, aus welcher das auf die plan- und anschlagsmäßige Herstellung und Ausrüstung der Bahn verwendete Baukapital und der jährliche Reinertrag des Unternehmens mit Sicherheit ersehen werden kann.
Der Aufsichtsbehörde ist auf Erfordern der Rechnungsabschluß jährlich einzureichen und Einsicht der Rechnungsbücher zu gestatten.

14. Für die Verpflichtungen des Unternehmens im Interesse der Landesvertheidigung sind die Vorschriften der unter dem 19. November 1892 zu § 8, Absatz 1 und § 9 des Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen am 18. Juli 1892 ergangenen Ausführungsanweisung und die von dem Königlichen Kriegs-Ministerium an die Genehmigung des Bahnbaues geknüpften besonderen Bedingungen, für die Verpflichtungen gegenüber der Postverwaltung und die Bestimmungen in § 42 des Gesetzes vom 28. Juli 1982 maßgebend.

15. Die bei etwaiger Anlage einer Telegraphenleitung längs der Bahn für nothwendig erachteten Arbeiten an den Reichstelegraphenlinien werden durch Organe der Reichspost und Telegraphenverwaltung ausgeführt.
Sofern nicht ein besonderes Abkommen erfolgt, ist diese Leitung auf den Strecken, auf welchen sich Telefgraphen- oder Fernsprechleitungen bereits befinden, auf derjenigen Straßenseite zu führen, welche von der Reichslinie nicht verfolgt wird.
Auf der Strecke von Möderath bis Frechen, wo beide Straßenseiten mit Reichsgestängen besetzt sind, muß die Straße überhaupt vermieden werden, wenn nicht ein besonderes Abkommen erfolgt.
Kreuzungen der Bahnleitung mit den Reichsleitungen sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Sind solche nicht zu umgehen, so müssen die Bahnleitungen in einem Abstande von mindestens 1 Meter unter den Reichsleitungen hinweggeführt werden.
Ueber sich etwa sonst bezüglich der Anlage einer Bahntelegraphenleitung ergebende Streitpunkte mit der Reichspost- und Telegraphenverwaltung bleibt besondere Entscheidung vorbehalten.

16. Der Unternehmer hat für den gesammten Betrieb eine ausführliche Betriebsordnung zu entwerfen und hierfür, wie auch für die Dienstanweisungen der im äußeren Betriebsdienste angestellten Personen die Genehmigung der Aufsichtsbehörde einzuholen.

Cöln, den 16. November 1895
Der Regierungs-Präsident
Freiherr von Richthofen

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