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Altes Juwel - neu gefaßt

Zur Wiedereinweihung des alten Rathauses von Münstereifel.

Als auf dem ersten Weihnachtstag 1944 statt der sonst um die zehnte Morgenstunde üblichen feierlichen Orgelklänge das Brummen und Heulen von Flugzeugmotoren den Vorplatz der Pfarr- und Stiftskirche von Menschen leerfegte und Bomben schwersten Kalibers in die mittelalterliche Häuserzeile klaffende Wunden rissen, da fiel in Trümmer der alte Ratskeller mit seinem anheimelnden Fachwerkgiebel, da sank in sich zusammen die Kapelle des Ursulinenklosters, da blieb von den gegenüberliegenden Häusern kaum eines verschont. Schutt und Trümmer bedeckten mannshoch die Marktstraße, als amerikanische Truppen im Morgengrauen des 7. März vorsichtig die Stadt nach Widerstand abtasteten. Bald schallte das Tal wieder vom Mahlen der Panzer, denen erst durch Spezialmaschinen der Weg gebahnt werden mußte durch eine Straße, die Münstereifels Zierde war seit urdenklichen Zeiten.

Nur ein Gebäude am oberen Teil der Straße blieb von direkten Schäden verschont, ein Juwel blieb in seinen wesentlichen Teilen erhalten wenn auch aus leeren Fensterhöhen die ganze Oede eines irrsinnig vertanen Aufwandes starrte: Das alte Rathaus. Mehr als einmal im Laufe von sechs Jahrhunderten waren die Kriegsstürme um seinen Giebel gebraust mehr als einmal haben die unbewegt ins Getümmel schauenden Figuren der mittelalterlichen Landsknechte landfremde Truppen sich auf der Marktstraße tummeln sehen. Aber sie sahen sie auch wieder gehen, sahen wie sich aus den Trümmern ein Neues erhob. Unbewegt blieben sie, als auf der Markstraße zur Zeit, als die Pest die blühende Stadt zu einer menschenleeren Wildnis verwandelt hatte, ein fremder Reitersmann vor ihren Augen einen Kapitalhirsch erlegte, dessen Geweih noch Jahrhunderte die Zierde des Sitzungssaales bildet; unbewegt blieben sie, als am Portal Embleme einer Macht angebracht wurden, denen ein Bestand nicht gegeben sein konnte, unbewegt sind sie heute, da aus Trümmern wieder ein Juwel erstand und hoffentlich nun bestehen wird in seiner ganzen Schöne bis in ferne Zeiten . . .

Die unharmonisch gegliederte und gerade deshalb reizvolle Stirnseite des Gebäudes spiegelt die Geschichte der Stadt Münstereifel wieder. Wer zu lesen versteht, wer bewandert ist in historischen Zusammenhängen, liest aus den beiden durch eine Mittellinie getrennten, nicht in einer Richtung verlaufenden Gebäudehälften die Entstehungszeiten ab. Der rechte, besonders reich verzierte Flügel mit seinen vier gotischen Spitzbögen, von denen der eine Durchgang zur Fibergasse ist, stammt aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts; er bildet das ursprüngliche Haus des Münstereifeler Rates. Drei mächtige, achteckige Säulen öffnen sich nach innen zu einem kleinen Laubengang als Vorhalle zu einem Gelaß, das in den Jahren vor dem Kriege einmal das städtische Verkehrsamt beherbergte. Ueber dem mittleren der drei vorderen zierlichen Spitzbögen tanzt eine Oeffnung aus der Reihe der viereckigen Fenster; ein mit schmiedeeisernem Gitter versehener kleiner balkonartiger Vorbau als Ueberbleibsel eines früher vorhandenen Erkers war als Podium für Ansprachen des Bürgermeisters an eine versammelte Volksmenge gedacht. Schräg darüber halten die beiden wehrhaften Landsknechte Wacht. Sinnbilder für die städtische Gewalt und Gerichtsbarkeit. In Wehr und Waffen, bunt verziert, mit Szepter und Standarte stehen sie einander zugewandt, als Zeugen der Vergangenheit. Ueber der Türe zum dahinterliegenden großen Sitzungssaal fallen zwei stehende Löwen auf. Der ungekrönte ist entnommen dem Wappen der Herzöge von Jülich, der Gekrönte steht für das seit 1423 mit Jülich vereinigte Herzogtum Berg. Und wieder darüber, zwischen den drei kleinen Fenstern des westlichen Obergeschosses erblickt man rechts das vom Werthertor her bekannte Wappen der Stadt Münstereifel: im unteren Felde einen Stern mit fünf Strahlen auf rotem Grund, und darüber einen herauswachsenden zweischwänzigen schwarzen Löwen auf goldenem Hintergrund.


Das mehr als 600 Jahre alte Rathaus von Münstereifel. - Bild: Elbern

Das linke Wappen ist das interessantere; es enthält sämtliche Symbole der fünf vereinigten Gebiete: Jülich, Kleve, Berg, Mark und Ravensburg. Rechts unten drei Sparren für Ravensburg, daneben links ein schachbrettartiges Muster für das märkische Gebiet. Die obere Hälfte ist dreigeteilt: Links und rechts zwei Löwen für Jülich und Berg, in der Mitte für Kleve die sogen. Lilienhaspel. Das Motiv des Münstereifeler und Jülicher Wappens wiederholt sich über dem Hauptportal des Ostflügels. Ein Rahmen aus der Zeit der Spätgotik faßt das von einer kleinen Ueberdachung geschützte Wappenbild ein. Damit erschöpft sich der äußere Schmuck des alten Bauwerks.

Durch die beiden rundbogigen Türeingänge des Ostflügels, die in reizvollem Kontrast zu der gotischen Spitzgieblichkeit des Säulenganges am Westflügel stehen, wird dargetan, daß es in früherer Zeit nicht als Versündigung gegen die Einheit des Stils aufgefaßt wurde, wenn Elemente aus verschiedenen Zeitaltern sich zu einem Ganzen zusammenfanden. Die darüber sich hinziehende Reihe der viereckigen Fenster betont die ruhige Gegensätzlichkeit zu den Rund- und Spitzbögen des Erdgeschosses. Noch kleinere Fensterchen des zweiten Obergeschosses leiten sanft hinüber zu den beiden zierlichen, schiefergedeckten Erkertürmchen rechts und links von dem sich auftürmenden Treppengiebel.

Keinerlei authentische Angaben liegen vor, die uns einen Eindruck von der früheren Beschaffenheit der inneren Räume vermitteln könnten. Lediglich vermuten kann man, daß im Erdgeschoß des Westflügels mit seiner offenen Halle die Stadtwage einen Platz beanspruchte. Dort dürfte sich auch der Markt, von dem die Straße ihren Namen hat, abgespielt haben. Der darüberliegende große Sitzungssaal, Tagungsort der Stadtväter, der Gerichte und Zünfte, hat an seiner Rückseite einen großen offenen Kamin, der heute in seiner ursprünglichen Form wieder hergerichtet wurde.

Seinem ganzen Gehabe nach ist der Ostflügel etwa 200 Jahre später, also etwa zwischen 1500 und 1600 entstanden. Das Erdgeschoß bildete früher einen einzigen, durch nicht unterbrochenen, geschlossenen Raum, von dem man vermutet, daß er als Aufbewahrungsort für die unter Zollverschluß lagernden Waren diente. Die Krönung des Flügels stellte in längst vergangenen Zeiten nach der Ueberlieferung ein Turm mit einer Glocke dar, die bei Feuersbrünsten, bei Gefahr und zur Einberufung von Bürgerversammlungen geläutet wurde. Ein altes Ratsprotokoll von 1664 gibt Kunde vom Vorhandensein eines Uhrwerks an der Stirnseite des Gebäudes.

Tief beeindruckt von dem altertümlich-einheitlichen Aeußeren des schmucken Bauwerks erwartet man nun den gleichen Ductus für das Innere. Allein hier wundert sich der Eintretende über die moderne, geschmackvolle Architektur und Einrichtung. Gleich gegenüber dem Eingang befindet sich der mit antikmodernen Möbeln Münstereifeler Herstellung ausgestattete Raum für das Verkehrsamt. Geräumig, in trauliches Hell-Dunkel getaucht, zerstört dieser am meisten von Fremden aufgesuchte Raum noch am wenigsten den Eindruck des alten Baustiles. Dahinter, durch Doppelfenster getrennt, sind die hellen Räume der Stadt- und Amtskasse mit modernen Stahlmöbeln ausgestattet.

Eine breite ausladende Treppe führt hinauf ins erste Obergeschoß, das die Räume des Stadtdirektors und den großen Sitzungssaal beherbergen soll. Zur Erft hin an der Rückseite des Gebäudes wird der Stadtinspektor, in den mittleren Zimmern des I. Stockes die allgemeine Verwaltung untergebracht. Ein Stockwerk höher, zur Straße hin, hat das Heimatmuseum sein Unterkommen gefunden, in der Mitte arbeitet das Amt für Ordnungsdienst, Versicherungswesen etc. Die Finanzverwaltung arbeitet in dem geräumigen hellen Raume über dem Zimmer des Stadtinspektors. Das dritte Stockwerk endlich enthält neben zwei wundervollen Wohnungen für städtische Angestellte das Archiv und einen großen Raum mit den beiden Erkerchen, der wahrscheinlich für Zwecke des Landesmuseums Verwendung finden wird.

Innig ist das alte Gemäuer mit den Geschehnissen von sechs Jahrhunderten verknüpft. Nachdem 1794 das Amt Münstereifel, das bis dahin der Verwaltung von Jülich unterstellt war, aufgelöst wurde, verfiel es mehr und mehr. Die Stadtverwaltung konnte dem Niedergang aus Mangel an Mitteln nicht Einhalt tun und verkaufte es im Jahre 1821 auf Abbruch. Ganze 800 Taler erzielte man dafür!

Fast ein ganzes Jahrhundert lang diente es der Brauerei Hendrichs zu Brauereizwecken. Erst im Jahre 1912 besann man sich darauf, daß man in Münstereifel ein Rathaus besaß, das mit zu den schönsten im Rheinland gehört. Noch aber sollte die Stunde des Wiedererstehens nicht schlagen, Weltkrieg Nr. I, Inflation, Deflation - alle diese N

(Seite 11) abgeschnittener Text unter: Werbt für „Eure Heimatzeitung“

mußten erst vorübergehen, ehe man
Unterstützung des Vereins für De
pflege und Heimatschutz und des
Reiches darangehen konnte, eine
legende Restauration vorzunehmen
20 Jahren beging man feierlich das
rige Bestehen, nicht ahnend, daß 2
später, 1950, erneut eine Feier no
würde. Nun aber steht das Kleinod
in neuer Pracht; seit 1947 sind fleißige
tätig, ein Bauwerk von überzeitlich
deutung der Nachwelt in würdiger
zu überliefern, auf daß man von
Generation mit Recht dereinst wird
können, daß sie sich bewußt war
pflichtung gegenüber dem Alten.


Aus: Euskirchener Volksblatt vom 26.8.1950





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