Geschichtsseiten für Bad Münstereifel und Umgebung
Wirtschafts-, Verkehrs-, Heimat- und Kulturgeschehen





Das Siegel der Effelsberger Schöffen
Von Harald Bongart





Das Siegel der Effelsberger Schöffen ist an der im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf archivierten Urkunde Nr. 2329 aus dem Bestand Jülich­Berg vom 22. September 1567 erstmals überliefert. 1)

Der Begriff des Siegels ist zunächst insofern zu präzisieren, als wir zwischen dem Typar genannten Siegelstempel und dem mittels des Siegelstempels hergestellten Siegelabdruck unterscheiden müssen. 2)

Da über den Verbleib des Typars der Effelsberger Schöffen nichts Näheres bekannt ist, ist im folgenden immer der Siegelabdruck ge­meint, wenn vom Siegel der Effelsberger Schöffen die Rede ist.

Den Originalsiegelabdruck an der oben genannten Urkunde vom 22. September 1567 hat Wilhelm Ewald in seinem bedeutenden Werk 3) bereits abgebildet und beschrieben. Allerdings ist zu dieser Be­schreibung anzumerken, daß Ewald zum einen aus Platzgründen die Beschreibung des Siegelbildes sehr knapp faßte, zum anderen die Umschrift nicht vollständig wiedergeben konnte, da der Überliefe­rungszustand des Siegelabdruckes nicht mehr erlaubte. Ein Blick auf einen vom Originalabdruck von 1567 gefertigten Abguß bestätigt Ewalds Befund.
Bild: Brustbild des heiligen Stephanus, des Kirchenpatrons von Effelsberg, der im angewinkelten rechten Arm Steine hält. Darunter befindet sich ein Wappenschild, in dem die Wappenfiguren bzw. Heroldsbilder von Jülich, Kleve, Berg, Mark und Ravensberg ohne Feldeinteilung dargestellt sind.
Die Figur des heiligen Stephanus ragt oben, der Wappenschild unten in die Umschrift hinein. Das freie Siegelfeld ist mit Kreuzchen be­streut.

Umschrift: SIG (illum) SCAB (inorum) E_FFELSBERCH

Größe: 3 cm im Durchmesser

Abbildung: Originalabdruck an Urkunde 1586 November 9 im Archiv der Stadt Bad Münstereifel

Literatur:
Wilhelm Ewald, Rheinische Siegel III. Die Siegel der Rheinischen Städte und Gerichte. Bonn 1931. Tafel 61, Nr. 8. Be­schreibung im Textband auf S. 142.
Martin Scheins, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Stadt Münstereifel und ihrer Umgebung. Erster Band. Münstereifel 1894, S. 74 (Umschrift) und S. 108 (Siegelbild).

Schöffensiegel Effelsberg, StAME U 1586 Nov. 9.
Wenn wir nunmehr jedoch in der Lage sind, die Umschrift vollstän­dig wiederzugeben, so verdanken wir dies dem glücklichen Um­stand, daß sich im Archiv der Stadt Bad Münstereifel ebenfalls eine Urkunde mit einem Originalsiegelabdruck des Siegels der Effelsberger Schöffen befindet. 4) Vor Schultheiß und Schöffen des Gerichts zu Effelsberg verkauften "die Eheleute Chrysanth an der Scheurheck und Girdtgen zu Effelsberg ... dem Matthias Küpper als Hospitalsmeister zu Münstereifel eine Rente von zwei Malter Rog­gen und drei Reichstalern, abzulösen mit 40 Goldgulden und 60 Reichstalern." 5) Schultheiß und Schöffen des Effelsberger Gerichts haben diesen Kaufvertrag mit ihrem Schöffensiegel gesiegelt, was "zu urkundt der wairheitt" und "uff der verkeuffer ... pitten" ge­schah. 6)

Hier wird gleichzeitig deutlich, bei welchen Amtsgeschäften die Effelsberger Schöffen ihr Schöffensiegel benutzten. In erster Linie diente das Schöffensiegel zur Besiegelung von Rechtsgeschäften von Privatpersonen. Meist handelte es sich bei diesen Rechtsge­schäften um Kaufverträge, doch auch lehnsrechtliche Vereinbarun­gen wurden mit dem Siegel des zuständigen Schöffengerichts gesie­gelt, wie eine die Mutscheid betreffende Urkunde vom 3. April 1548 belegt. 7)

Das Siegel der Effelsberger Schöffen wurde vom landesherrlichen Gericht zu Effelsberg geführt. Dieses Gericht gehörte ebenso zum jülich'schen Amt Münstereifel wie auch die Gerichte Münstereifel, Iversheim, Nöthen, Tondorf, Hümmel, Keldenich, Nettersheim, Ripsdorf, Hostel, Schönau, Kalkar, Elsig, Arloff und Kuchenheim. 8) Vor "der Erkundigung über die Gerichtsverfassung im Herzogtum Jülich von 1554 und 1555" 9) und der im Zusammenhang mit ihr durchgeführten Gerichtsreform oblagen dem Schöffengericht Effels­berg Aufgaben auf dem Gebiet der allgemeinen Rechtsprechung sowie Notariats- und Katasteraufgaben. Nach der Gerichtsreform beschränkte sich der Aufgabenbereich des Gerichts auf das Nota­riats- und Katasterwesen, die allgemeine Rechtsprechung aber wurde nunmehr vom Gericht in Münstereifel wahrgenommen, denn "das Gericht Effelsberg war nach Angabe der Kellnerei-Rechnung 'itzt in das gericht zu Munstereiffel gekiert' ". 10)

Neben dem landesherrlichen Gericht gab es in Effelsberg mit dem Hofgericht noch ein zweites Gericht, dessen Zuständigkeitsbereich vor allem auf die Regelung von "Streitigkeiten innerhalb der Grund­herrschaft" 11) beschränkt war. In einer Urkunde vom 10. Oktober 1528 12) begegnen uns sowohl das Hofgericht als auch das landes­herrliche Gericht. Die Schöffen des Hofgerichts sind in dieser Ur­kunde namentlich aufgeführt und werden als "kirchove gesworen" bezeichnet, die Schöffen des landesherrlichen Gerichts sind lediglich unter dem Oberbegriff "gesworen" genannt.

Bedeutung für eine Betrachtung über das Siegel der Effelsberger Schöffen erhält diese Urkunde vom 10. Oktober 1528 durch die Tatsache, daß dieser Kaufvertrag mit dem "gesworensigell" gesie­gelt werden sollte. "Scholtis ind gesworen" erklärten jedoch, daß sie "ind gebrech unses gesworenamptzsegel" nicht siegeln können und stattdessen zwei Münstereifeler Schöffen gebeten haben, die Ur­kunde an ihrer Statt zu siegeln. 13)

Zweifelsohne verfügten die Effelsberger Schöffen am 10. Oktober 1528 über kein eigenes Siegel. Der Fachmann spricht in einem solchen Fall von einer Siegelkarenz.
Da die Schöffen am 22. September 1567 mit einem Schöffensiegel siegelten, 14) sind somit die Eckdaten für die Entstehung des Effels­berger Schöffensiegels ermittelt: Das Schöffensiegel ist nach dem 10. Oktober 1528 und vor dem 22. September 1567 entstanden.

Ob die Überprüfung der Gerichte im Herzogtum Jülich der Grund für die Einführung eines Schöffensiegels am Effelsberger Gericht war, läßt sich anhand der Quellen nicht belegen.

Ein neues Schöf­fensiegel wurde im Zuge der Gerichtsreform nur an einem Gericht im Amt Münstereifel eingeführt, und zwar am Schöffengericht Münstereifel. 15) Dieses Siegel löste das ältere, gotische Schöffensie­gel aus dem 14. Jahrhundert ab.

Im Gegensatz zum älteren Schöf­fensiegel, das im Siegelbild einen ungeteilten Wappenschild mit ei­nem wachsenden Jülicher Löwen oben und einem sechsstrahligen Stern unten zeigt, ist beim Schöffensiegel von 1555 der Schild nun­mehr geteilt und der Stern fünfstrahlig. Das Siegel hat die Um­schrift: SIG(illum) DER SCHEFFEN ZV MVNSTEREIFFEL 1555. 16) Das heutige Wappen der Stadt Bad Münstereifel geht also eindeutig auf das Schöffensiegel von 1555 zurück.


StAME, Urkunde vom 9. November 1586 mit dem Effelsberger Schöffensiegel"

Doch kehren wir nach diesem Exkurs zum Siegel der Effelsberger Schöffen zurück. Das Siegel hat im Siegelbild das Brustbild des Effelsberger Kirchenpatrons, des heiligen Stephanus. 17) Der Erzmärtyrer war der erste Blutzeuge Christi und wurde vor den Toren Jerusalems gesteinigt. Auf die Steinigung weisen die Steine hin, die Stephanus im Siegelbild im angewinkelten rechten Arm hält. Unterhalb des Brustbildes des heiligen Stephanus ist ein Wappen­schild dargestellt. Dieser enthält die Wappenfiguren Löwe (Herzogtum Jülich), Lilienhaspel (Herzogtum Kleve), Löwe (Herzogtum Berg) und die Heroldsbilder Sparren (Grafschaft Ravensberg) und geschachter Balken (Grafschaft Mark). Unge­wöhnlich ist die fehlende Feldeinteilung, die Wilhelm Ewald dazu veranlaßte, von "fünf eigenartig in den Schild eingezeichneten Wap­pen" 18) zu sprechen. In der Tat trägt die fehlende Feldeinteilung zum eigenartigen Charakter dieses Siegelbildes bei. Die Mitte des Wap­penschildes nimmt die Lilienhaspel von Kleve ein, der jülich'sche Löwe ist ebenso wie der bergische Löwe nach (heraldisch) links gewendet, was bei keinem anderen Siegel eines Gerichtes aus dem Amt Münstereifel der Fall ist. Neben Effelsberg weisen auch die Siegel der Gerichte Nöthen (älteres und jüngeres Schöffensiegel) und Tondorf einen durch zweimalige Halbspaltung, Teilung und Halbspaltung fünf Felder bildenden Schild von Jülich, Kleve, Berg, Mark und Ravensberg auf. 19) Jedoch haben diese drei jeweils die Feldeinteilung übernommen. Die beiden Nöthener Siegel zeigen im Siegelbild in 1 Jülich, in 2 Kleve, in 3 Berg, in 4 Mark und in 5 Ravensberg. Bei Tondorf sind 1 und 2 vertauscht, so daß oben (heraldisch) rechts Kleve und in der Mitte Jülich dargestellt sind.

Die im Siegelbild der Nöthener Schöffensiegel dargestellten Wap­penschilde entsprechen dem in der Mitte des 16. Jahrhunderts tatsächlich von den Herzögen von Jülich, Kleve, Berg, Grafen von Mark und Ravensberg geführten Wappen.

Während die Nöthener Siegel und das Tondorfer Siegel den ge­schachten Balken (Grafschaft Mark) jeweils unten rechts im 4. Feld und die drei Sparren (Grafschaft Ravensberg) unten links im 5. Feld aufweisen, sind im Siegelbild des Effelsberger Schöffensiegels unten rechts nur zwei statt drei Sparren dargestellt und der geschachte Balken ist unten links angeordnet.
Aber nicht nur durch den "eigenartigen" Wappenschild ist das Schöffensiegel der Effelsberger Schöffen ein ungewöhnlicher Ver­treter seiner Gattung. Dies gilt ebenso wegen der Darstellung des Kirchenpatrons, der uns bei den Siegeln der Gerichte des jülich'schen Amtes Münstereifel nur noch bei Keldenich 20) begegnet. Im Siegelbild des Keldenicher Schöffensiegels sind das Brustbild des heiligen Dionysius, begleitet von den Buchstaben S(anctus) D(ionysius) und unter dem Brustbild der quadrierte Wappenschild von Jülich (Löwe in 1 und 4) und Berg (Löwe in 2 und 3) mit dem aufliegenden Herzschild von Ravensberg (Sparren) dargestellt.

Den gleichen Wappenschild wie Keldenich zeigen auch die Schöffensiegel von Schönau, 21) Arloff 22) und Iversheim 23), allerdings ohne die Darstellung des jeweiligen Kirchenpatrons. Im übrigen weisen die Schöffensiegel von Schönau, Arloff und Iversheim so große Ähnlichkeit auf, daß wir nicht fehlgehen dürften, sie ein- und demselben Siegelstecher zuzuschreiben. 24)

Die Darstellung des Kirchenpatrons im Siegelbild der Schöffensiegel im Amt Münstereifel war also die Ausnahme.

Damit nicht genug: Auch die Umschrift des Effelsberger Schöffen­siegels ist in mancherlei Hinsicht atypisch. Sie beginnt nicht oben (heraldisch) links, sondern unten rechts und lautet: SIG(illum) SCAB(inorum) E_FFELSBERCH. Die runden Klammern ergän­zen jeweils abgekürzte Wörter. Sigillum ist die Diminutivform (Verkleinerungsform) von "signum" und bedeutet Siegel, wörtlich übersetzt heißt das Wort "Bildchen". Scabinorum ist der Genitiv Plural von scabinus (Schöffe) und bedeutet "der Schöffen". Eigent­lich dürfte man jetzt das Wörtchen "de" (von) erwarten, doch wird die Umschrift mit EFFELSBERCH fortgesetzt, wobei der Kopf des heiligen Stephanus die Umschrift hinter dem E unterbricht: E_FFELSBERCH.


Der Goldschmied, der das Siegel der Effelsberger Schöffen gesto­chen hat, scheint in der Kunst des Siegelstechens nicht sehr bewan­dert gewesen zu sein. Alle S in der Siegelumschrift sind spiegelverkehrt, das letzte C kann man auch als G auffassen und E_FFELSBERGH lesen.

Auch nach der Verpfändung Effelsbergs an die Orsbeck und ihre Erben am 24. Februar 1571 25) blieb das Schöffensiegel im Gebrauch, wie die Urkunde vom 9. November 1586 belegt.






Literatur:

  1. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (HStAD), Bestand Jülich-Berg (J-B) Nr. 2329, Urkunde (U) 1567 Sept. 22.

  2. Toni Diederich, Rheinische Städtesiegel, Neuss 1984, S. 71 (= Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Jahrbuch 1984/85).

  3. Wilhelm Ewald, Rheinische Siegel III. Die Siegel der rheinischen Städte und Gerichte. Bonn 1931, Tafel 61, Nr. 8 und S. 142 (= Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde XXVII).

  4. Stadtarchiv Bad Münstereifel (StAME), U 1586 Nov. 9. Gedruckt bei: Martin Scheins, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Stadt Münstereifel und ihrer Umgebung. Band 1, Münstereifel 1894, Nr. 28, S. 72 ff.

  5. Scheins, Urkundliche Beiträge (wie Anm. 4), S. 72.

  6. Ebenda, S. 74.

  7. HStAD, Stift Münstereifel, Nr. 173, U 1548 April 3. Näheres über diese Urkunde bei: Harald Bongart, Zins und Pacht der "lehensleuthen in dem Mutscheid". Ein Beitrag zur Besitzgeschichte des Marienstiftes zu Prüm. In: Der Prümer Landbote. Zeitschrift des Geschichts­vereins "Prümer Land", Nr. 39-4/93, S. 15-18.

  8. Werner Gugat, Verfassung und Verwaltung in Amt und Stadt Münstereifel von ihren Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Bonn 1969, S. 89 (= Rheinisches Archiv 69).

  9. Gugat, Verfassung und Verwaltung (wie Anm. 8), S. 90.

  10. Ebenda, S. 92.

  11. Wolfgang Herborn, Die Geschichte von Effelsberg bis zur Pfarrerhebung 1694, S. 53. In diesem Band.

  12. StAME, U 1528 Okt. 10.

  13. Ebenda.

  14. HStAD, J-B Nr. 2329, U 1567 Sept. 22.

  15. StAME, U 1557 Jan. 1.

  16. Ebenda.

  17. Zu Stephanus s.a. Herborn, Geschichte (wie Anm. 11). S. 27.

  18. Ewald, Rheinische Siegel (wie Anm. 3).. S. 142.

  19. Ebenda, Tafel G 1, Nr. 11, 12 u. 13.

  20. Ebenda, Nr. 10.

  21. Ebenda, Nr. 9.

  22. StAME, U 1538 Nov. 13 u. U 1590 Nov. 3.

  23. StAME, U 1584 Nov. 12.

  24. Harald Bongart, Die Schöffengerichte von Arloff und Kirspenich und ihre Siegel. In: Verein der Geschichts- und Heimatfreunde des Kreises Eus­kirchen e.V. (hg.), 893-1993. Zum Prümer Urbar und zur Geschichte des ländlichen Alltags, S. 256 (=Geschichte im Kreis Euskirchen Nr. 7).

  25. Herborn, Geschichte (wie Anm. 11), S. 45 f.


Quelle: Das Münster in der Eifel, Beiträge zur Entwicklung der Stadt vom Kloster zum Heilbad, herausgegeben im Auftrag des Vereins Alter Münstereifeler und der Stadt Bad Münstereifel von Horst A. Wessel und Hans-Joachim Bädorf, Redaktion Harald Bongart





© Copyright Harald Bongart Bad Münstereifel







Zurück zu Bad Münstereifel




© Copyright wisoveg.de - Bad Münstereifel