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Die Schedelsche Weltchronik
Eine Kostbarkeit der ehemaligen Jesuitenkolleg-Bibliothek
Von Susanne Müller





An einem Projekttag des Städt. St.-Michaelymnasiums in Bad Münstereifel gelangte ein Buch in meine Hände, das mich fasziniert, seit ich es das erste Mal sah. Es war und ist etwas Besonderes. Die 1493 erschienene Weltchronik des Arztes Hartmann Schedel, sein berühmtestes Werk war und ist ein Buch für den gebildeten Menschen.

In den Besitz des 1625 gegründeten JesuitenkoIlegs gelangte die Chronik als Neujahrsgeschenk des Johann Friedrich von Goltstein an die Münstereifeler Jesuiten im Jahr 1651, wie die lateinische Widmung auf dem Vorsatzblatt besagt. Der Schenkende, Johann Friedrich von Goltstein, war ein Adliger und Herr zu Vettelhoven, Elsig und Winterberg. Als Amtmann der Ämter Münstereifel und Tomburg war er der Vertreter des Herzogs von Jülich, der zu dieser Zeit bereits dem Hause Pfalz-Neuburg entstammte.

Ein großes Unterfangen

Nun aber zur Weltchronik selbst und deren Erschaffer. An erster Stelle wäre da der Autor Hartmann Schedel zu nennen. Geboren wurde er am 13. 2. 1440 in Nürnberg. Nach dem Tode der Eltern lebte er bei seinem Vetter Hermann Schedel, der auch Hartmanns Interesse für Bücher, Geschichte und den Humanismus weckte. Immer wieder hatte er Hartmann erzählt, wie wichtig Bildung und Reisen für einen jungen Menschen seien und so begann Hartmann Schedel 1462 ein Studium der Rechtswissenschaften und der »Artes Humanitatis« an der Universität zu Leipzig.

Von 1463 bis 1466 studierte er in Venedig Medizin und gab Vorlesungen in Physik, Anatomie und Chirurgie. Neben dem Medizinstudium beschäftigte er sich auch weiterhin mit humanistischen Fächern und lernte - als einer der ersten Deutschen - Griechisch. Am 17. 4.1466 wurde er zum Doktor der Medizin promoviert und kehrte am 30. 9. des gleichen Jahres nach Nürnberg zurück, das zu einer der bedeutendsten Druckerstädte Deutschlands geworden war. Von dort aus unternahm er zahlreiche Wallfahrten und Reisen, auf denen er diversen Bruderschaften beitrat. 1462 hatte Schedel die vier niederen Weihen von Johann II. von Bose, Bischof zu Merseburg, erhalten. 1470 ging er nach Nördlingen und war dort fünf Jahre als Stadtarzt tätig. 1475 heiratete er Anna Heugel in Nürnberg. Es folgten neun Jahre als Stadtphysikus in Amberg, bis ihn 1484 der Rat der Stadt Nürnberg in seine Vaterstadt zurückrief. Danach verließ Schedel die Stadt nur noch für kurze Zeit. Nach dem Tode Anna Heugels heiratete er erneut, und zwar die Bürgerstochter Magdalena Halber. Als Schedel am 28.11.1514 starb, war er »ein Wohlhabender und ein Ehrbarer.«

Die zweite wichtige Person, deren Name mit der Chronik verbunden ist, ist Anton Koberger. Er war der geschäftstüchtigste Drucker und Verleger seiner Zeit, und so ist es nicht verwunderlich, daß die Wahl auf ihn fiel. Außerdem waren er und Schedel, ebenso wie alle anderen am Druck beteiligten Personen, gute Nachbarn. Dies gilt auch für die beiden Geldgeber, Sebald Schreyer und Sebastian Kammermeister. Ihre Häuser standen in der heutigen Burgstraße, und so kann man die Weltchronik auch als Nachbarschaftsprodukt bezeichnen. Die nächste zu erwähnende Person ist Michael Wolgemut.

Er war der begnadete Zeichner und Schnitzer der meisten der 1809 Holzschnitte, die die Schedelsche Weltchronik zum bestbebilderten Werk der Inkunabelzeit machte. In der gemeinsamen Werkstatt des Michael Wolgemut und des Wilhelm Pleydenwurff erhielt zur Zeit der Entstehung der Schedelschen Weltchronik der junge Albrecht Dürer seine Ausbildung. Erwähnenswert ist, daß Koberger der Patenonkel Dürers war.

Martin Behaim und Hieronymus Münzer waren Schedel bei der Bearbeitung des Textes behilflich. Sie lieferten Informationen für die Stadtbeschreibungen aufgrund ihrer vielen Reisen. Behaim entwarf die Europakarte und Münzer die Deutschlandkarte, beide sind die ersten ihrer Art, die in einem Buch veröffentlicht wurden. Die letzte Person ist der Losungsschreiber (Gerichtsschreiber) Georg Alt, der die Chronik übersetzte. Alle am Druck beteiligten Personen werden auf der Rückseite des letzten bedruckten Blattes, dem Kolophon, namentlich erwähnt.

Woher das Papier kam, ist nicht bekannt. Man weiß nur, daß eine einzige Papiermühle den Bedarf an Papier nicht hat decken können.


Noch gilt die Erde als Mittelpunkt der Welt. Um sie drehen sich sowohl Mond als auch die Sonne und die anderen Sterne, die an Kristallschalen befestigt sind (fol. V r).

Repros: Kreismedienzentrum



Der Stellenwert der Chronik

Die Schedelsche Weltchronik erschien erstmals im Juni 1493 in einer lateinischen Ausgabe, aber schon im Dezember des selben Jahres lag das Buch auch in der Übersetzung Georg Alts in der Volkssprache vor.

Schedel wollte eine Weltchronik schaffen, die nicht nur die Welt aus dem Blickwinkel der biblischen Geschichte darstellt, sondern ein Kompendium des gesamten historischen und geographischen Wissens seiner Zeit. Somit ist es nicht verwunderlich, daß seine Weltchronik zum größten Buchunternehmen der Dürerzeit wurde. Obwohl der Autor vom Geist des Mittelalters geprägt und durchdrungen war, ist dennoch erkennbar, daß ein humanistisch gebildeter Mann am Werk war. Der fließende Übergang von biblischer Geschichte in die Historie ist ebenso ein Merkmal der mittelalterlichen Chronistik, wie auch die Einteilung in Weltalter. Die Geschichte der Welt wird nach der Sechs-Weltalter-Lehre gegliedert, das siebte Weltalter schildert den Weltuntergang und das jüngste Gericht. Aber die vielen Stadtbeschreibungen, für die die Schedelsche Weltchronik berühmt ist, sind ein Beleg für den Einfluß des Humanismus auf den Autor.

Die Quellen, die Schedel benutzte, stammten hauptsächlich aus seiner Privatbibliothek, die zumindest in Nürnberg nicht ihresgleichen hatte. Mit dem immensen Umfang seiner Bibliothek korrespondierte auch seine Belesenheit. Seine Leistung als Autor der Weltchronik bestand in der Hauptsache in dem Zusammentragen des ihm erreichbaren Wissens. Eine seiner wichtigsten Quellen war das »Supplementum Chronicarum ab initio usque ad anno 1482« des Augustinereremiten Jakob Philipp von Bergamo, dem Schedel ganze Passagen entnahm.



Eine weitere Quelle ist die deutsche Ausgabe der »Reisen Marco Polos« von Creussner. Schedel war stets darum bemüht, Abschriften der neuesten humanistischen Werke seiner Bibliothek einzuverleiben. Ihn interessierte das Neue, er wollte »auf dem laufenden sein«. Neu sind an Schedels Weltchronik die vielen Stadtansichten, die sie zu einer Besonderheit machen. Nachfolgend wird auf die Stadtansichten näher eingegangen.


Die Ansicht der Stadt Nürnberg (fol. C).



Die Stadtansichten

In der Weltchronik finden sich drei Varianten von Stadtansichten, wobei die erste, getreu der Art des Humanismus, die genaue Darstellung der jeweiligen Stadt ist. Die Darstellung von Schedels Heimatstadt Nürnberg ist das beste Beispiel dafür. Dieser Holzschnitt ist die genaueste Stadtansicht der gesamten Weltchronik. Er zeigt die Stadt aus einer Art Vogelperspektive, was bedeutet, daß Michael Wolgemut seinen Standort für die Zeichnung nahe des heutigen Bahnhofs gewählt haben muß. Am rechten unteren Rand sieht man die Papiermühle und in der Mitte unten den Hinrichtungsplatz mit Andreaskreuz und Galgen. Die Stadt ist umgeben von einer Wehrmauer, deren sichtbares Karthäusertor das Nürnberger Stadtwappen schmückt. Sehr schön dargestellt ist die Nürnberger Burg mit ihren zwei Türmen, dem Herrenhaus und dem Bergfried. Natürlich sieht man auch die St.-Sebaldus-Kirche und die St.Lorenz-Kirche. Ganz naturgetreu ist das Stadtbild dennoch nicht, denn St. Sebaldus und St. Lorenz stehen zu nah beieinander und die Burg ist zu weit im Stadtinneren. Dies hat Wolgemut getan, da er alle besonderen Merkmale der Stadt auflisten wollte.

Der zweite Typus der Stadtansichten wird durch Holzschnitte vertreten, die nur einige markante Bauten idealtypisch versammeln. Als Beispiel darf ein Holzschnitt angeführt werden, der für die Städte »Parys« (fol. XXXIX), »Teruis« (fol. LI r) und selbst als Teilansicht von »Magdeburg« (fol. CLXXX) Verwendung findet. Die Stadt ist jeweils im Vordergrund gekennzeichnet durch eine Stadtmauer mit vielen Türmen und ist jeweils von ihrer Wasserseite her dargestellt. Im Vordergrund des Holzschnitts sieht man ein Schiff, auf dem einige Männer arbeiten. Links im Bild sieht man eine Kathedrale und rechts im Bild eine hohe Säule, auf der ein Ritter steht, welcher eine Lanze in der Hand hält. Wolgemut wählte diesen Typus für alle drei Städte aus, da sie eine Kathedrale und einen Zugang zum Wasser aufweisen.

Der dritte Typus der Stadtansichten zeigt eine einfache Stadt mit den idealtypischen Merkmalen Stadtmauer und Burganlage. Diesen Typus finden wir ca. zehn Mal. Wie oft ein Holzschnitt als Stadtansicht verwendet wurde, lag an der Wichtigkeit der jeweiligen Stadt. Eine Stadt, deren Wichtigkeitsgrad als sehr hoch eingeschätzt wurde, bekam einen naturgetreuen Holzschnitt oder einen erfundenen, der nur einmal verwendet werden durfte. Eine Stadt mit mittlerem Wichtigkeitsgrad bekam einen Holzschnitt mit den für die Stadt wichtigen Merkmalen, wie z. B. Paris. Stimmten die Merkmale mit einer weiteren Stadt überein, so durfte dieser Holzschnitt auch mehrmals Verwendung finden. War nun die Stadt weder naturgetreu als Zeichnung vorhanden, noch ihre Merkmale besonders markant, so druckte man einen idealtypischen Einheitsholzschnitt ab, der beliebig oft verwendet werden konnte.

Ein schönes Beispiel für einen Holzschnitt, der sich am authentischen Erscheinungsbild der Stadt orientierte, ist die Stadtansicht von Köln. Man sieht Köln vom rechten Rheinufer aus.



Ein Schiff fährt an der Stadt vorüber. Links im Bild ist der Bayenturm zu erkennen, der mit drei Kölnischen Stadtwappen verziert ist. Gleich drei bedeutende Kirchen sind auf der Stadtansicht ohne Probleme zu identifizieren: St. Severin, St. Kunibert und natürlich der im Bau befindliche Dom. Ihn überragt der riesige Baukran, der das Stadtbild Kölns für viele Jahrhunderte prägte.

Es war an dieser Stelle nur möglich, einen kleinen Einblick in jenes kostbare Buch zu gewähren, welches seit dem Neujahrstag 1651 im Eigentum der Jesuiten-Kollegbibliothek ist. Bedenkt man, daß der englische König Heinrich VIII. im Jahr 1495 eine Schedelsche Weltchronik zum Preis von 66 Shilling und 8 Pence erwarb, einen Betrag, für den er ebenfalls fünfeinhalb Ochsen hätte kaufen können, so wird deutlich, daß Friedrich von Goltstein dem Münstereifeler Jesuitenkolleg ein ganz besonderes Geschenk als Neujahrsgabe verehrte. Überhaupt war von Goltstein der Stadt Münstereifel und ihren Einwohnern stark verbunden. Als Gönner und Schutzherr förderte er die St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Münstereifel. Von Goltstein starb am 25. Oktober 1687. Auf dem Michaelsberg wurde er beigesetzt. Die St. Sebastianer trugen den Verstorbenen von Münstereifel über Rodert und die Kapelle St. Antonius der Einsiedler über den alten Pilgerweg zur Michaelsbergkapelle. Die Straßen innerhalb der Stadt, die der Trauerzug durchschritt, wurden von der Wollweberzunft mit schwarzem Tuch ausgelegt.

Wer die »Schedelsche Weltchronik« einmal selbst in Augenschein nehmen möchte, kann dies z. B. am Tag der offenen Tür im Städt. St.Michael-Gymnasium Bad Münstereifel tun.


Die erste gedruckte Deutschlandkarte. Zwischen Colonia/Köln, Aquisgranum/Aachen, Lutzelburg/Luxemburg und Trier ist die Eifel maulwurfhügelartig dargestellt.



Benutzte Bücher:

Hartmann Schedel, Buch der Chroniken und Geschichten mit Figuren und Bildnissen von Anbeginn der Welt bis auf diese unsere Zeit. München: Reprint-Verlag Konrad Kölbl KG, 1991.
Elisabeth Rücker, Hartmann Schedels Weltchronik. Das größte Buchunternehmen der Dürer-Zeit. Mit einem Katalog der Städteansichten. München: Prestel, 1988.
Beatrice Hernad (bearb.), Die Graphiksammlung des Humanisten Hartmann Schedel. Katalogband zur Ausstellung in der Bayerischen Staatsbibliothek München vom 20. Juni-15. September 1990.
München: Prestel, 1990.
Stephan Füssel, Die Welt im Buch. Buchkünstlerischer und humanistischer Kontext der Schedelschen Weltchronik von 1493. Mainz: Gutenberg-Gesellschaft, 1996.
Toni Hürten, Chronik Münstereifels in Daten von 760 bis 1816. Euskirchen, 1969. (= Veröffentlichungen des Vereins der Geschichts- und Heimatfreunde des Kreises Euskirchen e. V. B-Reihe - Heft 3)



Quelle: Kreis Euskirchen, Jahrbuch 1999, Seite 75 - 79







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